Deutschland: Salafistenszene wächst auf 11.000 Personen
Besonders betroffen sind Berlin und Hamburg
Gestern gab das Bundesinnenministerium bekannt, dass sich den Erkenntnissen der Verfassungsschutzämter nach die Zahl der Salafisten in Deutschland zwischen 2013 und 2018 etwa 5500 auf 11.000 verdoppelt hat. Davon besonders betroffen ist neben Berlin auch Hamburg, das mit 1,8 Millionen Einwohnern nur ein Sechsundvierzigstel der Bundesbürger, aber mit 798 Personen inzwischen fast ein Vierzehntel der in Deutschland ansässigen Salafisten beherbergt.
Von diesen gelten 434 als "generell gewaltbereite" Dschihadisten. Zum enger gefassten Kreis der konkreteren Gefährder rechnet das Bundeskriminalamt insgesamt etwa 760 Personen, von denen aktuell 153 inhaftiert sind. Barbara Havliza, die Vorsitzende Richterin am Düsseldorfer Oberlandesgericht, warnte unlängst davor, dass Salafisten auch dort viel Schaden anrichten können, indem sie andere Häftlinge für ihre Ideologie gewinnen (vgl. Berlin: Großer Waffenfund mit Verbindung zur Islamistenszene).
Deutsche Bundesregierung will bestehende Präventionsprogramme "weiterführen und verstärken"
Frei herumlaufende Dschihadisten verübten in Deutschland in den letzten Jahren mehrere Anschläge - darunter den spektakulären Massenmord auf dem Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidtplatz (vgl. Fall Amri und die Rechtsstaatlichkeit), Sprengstoffanschläge in Ansbach und Essen, Messerattacken in Hamburg, Hannover und Berlin und einen Axtangriff auf Chinesen in einem Regionalzug bei Würzburg (vgl. Dschihadisten im Strom der Flüchtlinge).
Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums meinte zu den neuen Zahlen, man werde die bestehenden Präventionsprogramme "weiterführen und verstärken". Gegen die vom Innenministerium letzte Woche vorgeschlagene Zusatzmaßnahme, Terroristen mit doppelter Staatsangehörigkeit den deutschen Pass zu entziehen hat die SPD "große Bedenken".
Kritik an Verbänden
Der syrischstämmige emeritierte Göttinger Politikwissenschaftsprofessor Bassam Tibi kritisiert diese Politik der deutschen Bundesregierung in der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) als "bemerkenswert lässig und ignorant". Die 2006 ins Leben gerufene Islamkonferenz wird seiner Meinung nach von vier Verbänden dominiert, die von der Türkei, Saudi-Arabien, Katar und dem Iran finanziert werden und faktisch "die Integration in Deutschland hintertreiben". Das zeigt sich ihm zufolge auch daran, dass sie den Ausschluss liberaler Moslems wie Seyran Ateş und Necla Kelek durchsetzten (vgl. Ein Gebet erschüttert die muslimische Welt).
Den Eindruck, dass Parallelgesellschaften nicht ab-, sondern aufgebaut werden, hat auch Joachim Wagner, der ehemalige Leiter des NDR-Politmagazins Panorama. Für sein neues Buch Die Macht der Moschee hat er auf seine Fragen weder Antworten vom Islamrat, noch vom Zentralrat der Muslime, vom Verband der Islamischen Kulturzentren oder von der Union Türkisch-Islamischer Kulturvereine erhalten - aber dafür von 65 Lehrern, die ihm unter anderem von salafistischen Schülern erzählten, die Mitschüler zum Beten zwingen und Schweigeminuten für Terroropfer sabotieren.
Österreich plant Kopftuchverbot in Volksschulen und Kindergärten
Einen anderen Weg als in Deutschland geht man in Österreich, wo Bundeskanzler Sebastian Kurz am Mittwoch im Ministerrat ein Kinderschutzgesetz in Auftrag gab, das ein Kopftuchverbot für Mädchen im Kindergarten- und Volksschulalter enthalten soll. Damit, so Kurz, werde man der Entwicklung von Parallelgesellschaften entgegentreten. Bildungsminister Heinz Faßmann zufolge signalisiert die Republik Österreich mit dem Verbot außerdem, dass sie ein "säkularer Staat" ist.
Ob im Nationalrat die notwendige Verfassungsmehrheit für das vom Pflichtschullehrergewerkschaftsvorsitzenden Paul Kimberger ausdrücklich begrüßte Gesetz zustande kommt, hängt von den Oppositionsparteien SPÖ und Neos ab. Die signalisierten bereits Gesprächsbereitschaft. SPÖ-Chef Christian Kern meinte, er lehne es zwar ab, wenn Mädchen im Kindergarten und der Volksschule Kopftuch tragen", ein Verbot sei aber nur eine "Einzelmaßnahme" und nicht das umfassende Integrationspaket, das die Sozialdemokraten verlangten.