Deutschland im Winter-Lockdown
Seite 2: Die Welt des Konsums
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Dem Einzelhandel und dem Dienstleistungssektor ergeht es im Lockdown ähnlich wie der Kultur- und Freizeitindustrie: Wegen Ansteckungsgefahr werden sie in weiten Teilen dichtgemacht, bis auf all jene Geschäfte und Etablissements, die zur "Grundversorgung" offen bleiben müssen.
Zumindest das dichte Gedränge um – aus Sicht hoheitlicher Verantwortung – materiell nicht unbedingt notwendige Waren und Dienstleistungen unterbindet der Staat und bringt damit ein Unterscheidungskriterium zur Anwendung, das außerhalb des Katastrophenfalls nichts gilt und dem er sich ansonsten energisch verschließt, weil planwirtschaftliche Bevormundung des allseits umworbenen Verbrauchers Gift für das marktwirtschaftliche Geschäft ist.
Dem Staat ist völlig klar, dass er mit seinem Rückfall auf den Standpunkt der Versorgung den gewöhnlichen Geschäftsgang des Konsumsektors – und in zweiter Instanz die Geschäfte, die dem vorausgehen - erheblich schädigt, wenn er die Schnittstelle zwischen dem Kapitalkreislauf und dem Endverbraucher kappt.
Eine generelle Kompensation als flankierende Maßnahme ist ihm deshalb gleich eingefallen. Mit der stellt die Hoheit auf ihre Art klar, welche systemtragende Rolle das Individuum mit seinem persönlichen Geschmack und seinen Bedürfnissen als Konsument in der Welt der Marktwirtschaft spielt: Dessen Kauflaune soll durch den zeitlich befristeten Verzicht auf ein paar Prozentpunkte der Mehrwertsteuer angekurbelt werden – und dadurch der Gewinn in Schwung kommen.
Keiner hat je daran gezweifelt, dass das zusätzlich verfügbare Geld garantiert "in den richtigen Händen landet", falls es die über Preisnachlässe überhaupt je verlassen hat und die Händler es als erhöhte Gewinnspanne nicht gleich für sich behalten haben.
Wie schön: Ein planvoller Eingriff des Steuerstaates in die freie Anarchie der Konkurrenz von Anbietern und Verbrauchern, ohne einem der darin verwickelten Subjekte in irgendeiner Hinsicht etwas vorzuschreiben oder einzelne Akteure zu bevorzugen.
Senkung der Mehrwertsteuer brachte nicht viel
Das heißt freilich auch, dass es bei dieser egalitären Maßnahme alleine nicht bleiben kann. Denn die zwangsweise geschlossenen Geschäfte, Dienstleister, Restaurants usw. haben von der Mehrwertsteuersenkung nicht allzu viel. Ihnen gegenüber betätigt sich der Staat als außerordentlicher Nothelfer mit einer ungemein pragmatischen Lösung: Damit die Geschäfte nicht pleitegehen, obwohl sie nichts mehr verdienen können, verspricht er, deren Umsatzeinbußen monatsweise zu großen Teilen durch seine Zahlungen zu ersetzen. Zur Aufrechterhaltung der Bedingungen der Wiederaufnahme des Geschäfts setzt der Staat seine Geldhoheit ein; ein zuvor formgerecht abgesegneter Haushalt mitsamt "schwarzer Null" ist da kein wirkliches Hindernis.
Einige Abteilungen des Konsums und Handels leiden unter der staatlichen Diskriminierung aus seuchenpolitischer Vorsicht besonders heftig; prominent etwa der für die Marktwirtschaft so repräsentative innerstädtische Mode- und Schnickschnackhandel mit seinen schnell verderblichen Produkten, die jetzt – marktwirtschaftlich sachgerecht – auf dem Müll landen.
Die Hilfsmaßnahmen des Staates kurbeln die Konkurrenz der jeweiligen Betriebe und Sparten um Ausnahmegenehmigungen und Sonderförderung nur zusätzlich an. Man ist sich sicher, dass "die Falschen", weil jeweils anderen, unberechtigt profitieren, während man selbst als Kneipier, Friseur oder in anderer vergleichbarer Funktion doch höchst unentbehrlich ist; Einigkeit herrscht im Blick auf die Konkurrenz von auswärts, wenn der Staat unbedachterweise die Auslese der Kaufleute und Handelsunternehmen zugunsten des Online-Versandhandels mit seinen handgezählten ausländischen Quasi-Monopolisten befördert.
Die behandeln Corona mitsamt der durch staatliches Eingreifen noch verschärften Krise ganz pragmatisch als das, was es aus Perspektive der marktwirtschaftlichen Konkurrenten eben ist: eine neue Konkurrenzbedingung, die sie für sich zur Gelegenheit ausbauen.
Peter Decker ist Redakteur der politischen Vierteljahreszeitschrift GegenStandpunkt, in deren aktueller Ausgabe dieser Artikel ebenfalls erschienen ist.
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