"Deutschland überlässt Touristen auf Mallorca ihrem Schicksal"
Die Bundesregierung prüft weiterhin ein allgemeines Reiseverbot. Ab Dienstag gilt für Flugreisende aus allen Ländern eine Testpflicht. Spanische Medien sehen das Vorgehen kritisch
Auf den spanischen Balearen ist man über das deutsche Vorgehen erstaunt, nachdem die Bundesregierung am Freitag eine allgemeine Corona-Testpflicht für Flugreisende angekündigt hat. Gelten soll sie ab Dienstag, dem 30. März um 0 Uhr "vor Abflug nach Deutschland". Dies sei eine Vorsichtsmaßnahme. "Wer keinen negativen Test hat, wird nicht mitgenommen", erklärte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Für alle Flugreisenden, auch solche, die aus Gegenden kommen, die wie die Balearen nicht als Risikogebiete gelten, gilt dann eine Testpflicht.
Wer aus Risikogebieten kommt, zu denen nun auch Frankreich zählt, braucht auch auf dem Landweg an den eigentlich "grenzkontrollfreien Binnengrenzen" einen Test. Auch dort könne ein negatives Testergebnis verlangt werden, heißt es. "Der Abstrich für den Test darf frühestens 48 Stunden vor der Einreise vorgenommen worden sein."
In Spanien ist man vor allem empört darüber, dass sich Deutschland nicht um seine in Spanien positiv getesteten Landsleute kümmern will. "Deutschland überlässt Touristen auf Mallorca ihrem Schicksal", titelte die Tageszeitung Diario de Mallorca am Samstag. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wolle sich nicht um Infizierte kümmern, die bis Ostermontag in 532 Flügen auf die Insel strömen, schreibt die Zeitung weiter.
Rückbeförderung nur mit negativem Testergebnis
Denn in der Verordnung heißt es, dass eine Rückbeförderung durch die Fluglinie nur mit negativem Testnachweis gestattet sei. "Eine Isolierung nach den örtlichen Vorschriften ist auf eigene Verantwortung durchzuführen", falls der Test positiv ausfalle. Kritisiert wird, dass Merkel die Tourismusbranche schon "die ganze Woche über in Atem gehalten hat", bis am Freitagnachmittag die Verordnung unterzeichnet worden sei. Damit sollte in Berlin dem Chaos um die Corona-Maßnahmen vor den Ostertagen ein Ende bereitet werden. Das war in den letzten Tagen mehr als deutlich geworden.
So musste Merkel zunächst bezüglich der geplanten "Osterruhe" zurückrudern. In der Frage der Testpflicht ging es im Gesundheitsministerium von Spahn weiter chaotisch zu. Eigentlich sollte sie schon am Freitag kommen. Sie wurde zunächst auf Sonntag verschoben, um dann auf Dienstag. Der Starttermin sei noch einmal verschoben worden, damit mehr Zeit für die Vorbereitung bleibe, so Spahn. Das dürfte damit zu tun haben, dass Rückkehrer ab Freitag vor einem massiven Problem gestanden hätten. Denn es gab kaum Test-Infrastruktur. Die wird in Mallorca gerade erst aufgebaut.
Bekannt ist nun auch, dass die Bundesregierung ein allgemeines Reiseverbot wollte. Denn weiterhin besteht der der massive Widerspruch, dass es möglich ist, sich mit etlichen anderen Touristen in den Flieger zu setzen, um nach Mallorca zu fliegen, während am eigenen Wohnort Kontaktbeschränkungen gelten.
Die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer bestätigte, dass "von den zuständigen Ressorts überprüft" werde, Auslandsreisen ganz zu unterbinden.
Merkel habe "noch einmal darum gebeten, das wirklich umfassend abzuprüfen", wurde berichtet. Nach Angaben des Nachrichtenmagazins Der Spiegel soll sie den Länderchefs gesagt haben, sie werde "Himmel und Hölle in Bewegung setzen", um Reisen wie etwa auf die Balearen zu verhindern. Es könne nicht sein, "dass Menschen jetzt nach Mallorca fliegen, aber in Flensburg können wir einen 15-Kilometer-Radius durchsetzen".
Auf Mallorca gelten bereits wieder strengere Regeln
Der Urlaubsspaß auf Mallorca ist inzwischen wegen steigender Fallzahlen allerdings auch wieder deutlich eingeschränkt. Die sozialdemokratische Regionalregierung hat bisherige Öffnungsschritte zurückgenommen. "Die Fachleute raten uns, die Corona-Maßnahmen zu verschärfen. Und das machen wir nun auch", sagte Regierungschefin Francina Armengol. Sie schließt nicht aus, dass die Maßnahmen noch vor Ostern weiter verschärft werden. Die Innenräume von Restaurants, Bars und Cafés dürfen seit Freitag nicht mehr benutzt und die Terrassen müssen um 17 Uhr abgeräumt werden. Alle Gemeinschaftseinrichtungen in Innenräumen, wie etwa Schwimmbecken, Spas oder Fitnessräume, sind komplett dicht. Außenanlagen dürfen auch nur noch bis 17 Uhr genutzt werden. Das Zechen an der Hotelbar bis 22 Uhr ist auch wieder vorbei.
Weiterhin ist fraglich, ob die aggressive brasilianische Virusvariante schon auf Mallorca grassiert. Die Regionalregierung erklärt, es sei nur ihr Vorgänger P.1.1.2.8 gefunden worden, aber nicht die als P1 bezeichnete Variante P.1.1.2.8.1. Ein angekündigter Bericht lässt aber weiter auf sich warten. Der sozialdemokratische Gesundheitsexperte und Epidemiologe Karl Lauterbach glaubt den Verantwortlichen in Mallorca nicht. Er meint, dass dort auch mit den Fallzahlen "getrickst" wird.
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