Deutschlands Angst und Amerikas Sicherheit

Seite 3: USA: Nationales Interesse und Nationale Sicherheit

Diese beiden überaus flexiblen Zauberformeln der Politik werden von vielen Staaten benutzt, aber von den Vereinigten Staaten mit ihrer überdimensionalen Militärmacht am deutlichsten und bedrohlichsten. Sie sind so praktisch, weil sie klar signalisieren, dass es nicht um Diskussionen oder Entscheidungsmöglichkeiten geht, sondern dass die Entscheidung gefallen ist, wenn sie benutzt werden.

Das muss nicht einmal konkret der Fall sein, es muss nicht vom Präsidenten oder einem Minister oder aus dem Kongress kommen. Auch Funktionsträger aller Art und Verantwortungsebene benutzen die beiden Formeln gern und häufig. Die Berufung auf diese beiden sakrosankten Begriffe tut auch verlässlich ihre Wirkung und schüchtert in der Regel die Adressaten so ein, dass an Verhandlungen, Kompromisse oder Proteste nicht mehr zu denken ist.

Oft genug führen sie auch zu Sanktionen wirtschaftlicher Art und Embargos, deren Wirkung dann nicht mehr im Detail überprüft wird. Politische Weichenstellungen, welches Land als befreundet, neutral, suspekt, feindlich oder gar als Erzfeind einzustufen ist, fallen nicht immer im Oval Office oder im Pentagon in Washington, sondern entstehen auch aus zahlreichen Beiträgen unterschiedlichster Quellen im staatlichen und nichtstaatlichen Bereich.

Aber oft genug sind politische Meinungsführer und Strömungen in den beiden konkurrierenden Kongressparteien erkennbar, wie seinerzeit Präsident F. D. Roosevelt mit seiner Politik gegen die Neutralitätsgesetze oder George W. Bush mit dem Krieg gegen den Terror.

Erstaunliche Einigkeit herrscht seit Jahren bei der Einstufung Chinas als größtes aller Sicherheitsrisiken, als wirtschaftliche Bedrohung, die amerikanische Arbeitsplätze stiehlt, und als industrielle Konkurrenz, die sich anmaßt, die Vorherrschaft in der immer wichtiger werdenden Informationstechnologie an sich zu reißen.

Das "Committee on the Present Danger: China" mit dem konservativen Trump-Berater Steve Bannon als prominentestem Mitglied, verbindet die wirtschaftlichen und militärischen Bedrohungen durch China mit traditionellen antikommunistischen Themen.

Unipolare Weltordnung und die Führungsrolle der USA

Der französische Diplomat und Politiker Talleyrand (1754-1838) hat einmal gesagt, dass der schwerste Abschied auf dieser Welt der von Macht sei. Man kann nachvollziehen, dass die Deindustrialisierung und die gefährdete Dominanz des Dollars im Welthandel sowie die Niederlagen in Vietnam, im Irak und Afghanistan das Selbstwertgefühl vieler Amerikaner beeinträchtigt haben.

Aber der Fokus auf militärische Stärke und Hochtechnologie in der Waffenentwicklung hängen auch mit der Macht der Rüstungslobby und ihrem politischen Einfluss zusammen. Im Internet kursiert eine Karikatur, die einen deprimierten Uncle Sam zeigt. Im Text heißt es dann, er habe schließlich einen militärisch-industriellen Komplex.

Wenn der Kongress über die Parteigrenzen hinweg dem Pentagon mehr Geld bewilligt, als der Präsident beantragt, oder die Partei- und Wahlkampfspenden von Rüstungsfirmen veröffentlicht werden, sind Mechanismen zu beobachten, die latente Ängste, mit wirtschaftlichen und politischen Interessen zusammenführen.

Auch verwegene akademische Thesen wie die "Thukydides-Falle" des Politikwissenschaftlers Graham T. Allen von 2012, dass ein Krieg mit China so unvermeidlich sei wie vor mehr als 2.000 Jahren der Krieg zwischen Sparta und Athen, tragen zur Irrationalität des Diskurses bei.

Persönliche Ängste sind berechtigt und überlebenswichtig, aber Ängste in der Gesellschaft zu schüren ist ein politisches Instrument, das Wähler, Zielgruppen und Milieus verunsichern und gefügiger machen oder steuern kann. In Deutschland sind die Klimaängste im Moment größer als die Furcht vor einem russischen Angriff und in der amerikanischen Bevölkerung dürfte das Klima auch vor der wirtschaftlichen Bedrohung und der militärischen Gefahr aus China rangieren.

Deshalb sollten wir abwägen, wie teuer uns politisch inspirierte Kampagnen wie das gerade modische de-risking kommen und wem sie womöglich nützlicher sind als uns.

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