Deutschlands Angst und Amerikas Sicherheit
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Klimakatastrophe, Migration und Wohlstandsverlust – der Pessimismus der Deutschen hat viele Gründe. Das war mal anders. Doch die schlechte Stimmung erfüllt wieder einen Zweck. Ein Essay.
Über das Phänomen der "German Angst" ist viel geschrieben und noch mehr spekuliert worden, das haben Stereotype so an sich. Das Wort Angst wird als einer der relativ wenigen Germanismen auch im Englischen gebraucht, besonders in Verbindung mit "German". Die im englischsprachigen Internet angebotenen Erklärungen sind höchst amüsant.
In der deutschen Wirklichkeit der letzten Jahre waren Waldsterben, Tschernobyl und Fukushima die großen Auslöser für Angstwellen. Ganz aktuell treibt die Klima-Angst, nicht nur in der Gruppierung "Letzte Generation", viele Deutsche, Jung und Alt, zu erstaunlichem Aktivismus, offenbar deutlich mehr als bei den Nachbarn in Europa. Vor allem dominiert sie auch in der Ampelkoalition mit ihren klimaorientierten Umsteuerungs- und Umbauplänen.
Die Frage von Deutschlands Sicherheit
Sorgen um die militärische Sicherheit, Angst vor der kommunistischen Bedrohung durch die Sowjetunion und den Warschauer Pakt, führte 1955 zum Aufbau der Bundeswehr. Nur zehn Jahre nach Kriegsende war das heftig umstritten, als Reaktion entstand eine Friedensbewegung, die mit Ostermärschen Hunderttausende auf die Straßen brachte.
In den 60er- und 70er-Jahren waren sowjetische und US-amerikanische Raketen auf Deutschland gerichtet und das US-Militär definierte einen Korridor zwischen Fulda und Eisenach (Fulda Gap) als mögliches Einfallstor für einen russischen Panzerangriff, der Westdeutschland in der Mitte teilen könnte.
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Die "German Angst" trieb teilweise abenteuerliche Blüten. Einige gut betuchte Deutsche kauften damals vom Flugzeug ihrer Makler aus Grundstücke in Paraguay, um im Ernstfall schnell emigrieren zu können.
Im Nato-Bündnis galt die Bundeswehr wenigstens teilweise als militärisch ernst zu nehmende Armee. Der US-amerikanische Atomschirm und das nukleare Patt mit der Sowjetunion führten aber eher zu Abrüstungsinitiativen, als dass die Wehrpflichtigen der Nachkriegsgenerationen mental auf Kampfeinsätze vorbereitet gewesen wären.
Mit der Novelle Ende einer Dienstfahrt traf Heinrich Böll die Stimmung der Skeptiker, die die teure Aufrüstung ablehnten und sich durch die zahlreichen Starfighter-Abstürze bestätigt sahen.
Mit dem Zerfall der Sowjetunion und dem Ende des Kalten Krieges 1991 verschwand die Angst vor einer russischen Invasion, die schon seit den 1930-Jahren als bolschewistische Gefahr Nazi-Deutschland und selbst die fernen Vereinigten Staaten umgetrieben hatte.
Die inzwischen heftig kritisierte "Vernachlässigung" der Bundeswehr war in den 90er-Jahren folgerichtig. Man war sich weitgehend einig, dass Deutschland nur noch von Freunden umgeben und militärisch nicht mehr bedroht sei. Insofern war der Beschluss des Bundestages konsequent, die Wehrpflicht Mitte 2011 auszusetzen.
Bei sinkendem Bedarf in Europa und wenigen Auslandseinsätzen musste eine deutlich geringere Personalstärke mit Berufs- und freiwilligen Zeitsoldaten ausreichen. Gegen US-amerikanische und Nato-Forderungen, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in die Bundeswehr zu investieren, waren die Bundesregierungen weitgehend unempfindlich. Die Wende begann mit der russischen Annexion der Krim 2014, die erste Zweifel auslöste.
Die Beteiligung der Bundesrepublik am Krisenmanagement durch die russischsprechende Bundeskanzlern, durch Normandie-Format und Minsk I und II, schien eher beruhigend, als dass sie eine Alarmstimmung auslösen konnte. Diese begann erst mit der russischen Invasion in die Ukraine am 22. Februar 2022.
Mit russischen Angriffen auch auf Deutschland rechnet bisher niemand ernsthaft, es bleibt aber die Sorge, dass die Unterstützung der Ukraine durch die USA und die Nato zu einer Eskalation mit nuklearer Konsequenz führen könnte. Die Kompromisslosigkeit der ukrainischen Regierung unter Präsident Wolodymyr Selenskyj und ihr Maximalziel der Rückeroberung aller besetzten Gebiete lässt immer wieder Anflüge von "German Angst" aufleben.
Unmittelbar militärisch bedroht fühlen sich dennoch die wenigsten, schließlich haben wir die Nato mit dem US-amerikanischen Atomschirm und immer noch über 40 alliierte Stützpunkte mit den entscheidenden Militärflugplätzen. Wenn die Deutschen noch Angst haben, dann eher vor den aktuell stärker empfundenen Bedrohungen Klimakatastrophe, Migration und Wohlstandsverlust.
Vielleicht wird dabei eine unterschwellige Angst vor der Eskalation in der Ukraine psychologisch kompensiert und übertragen. Die unerschütterliche Unterstützung der tapferen Ukrainer wird von einer großen Mehrheit nicht nur vertreten, sondern auch aggressiv gegen sogenannte Lumpenpazifisten verteidigt.
Soweit zu den Deutschen und der "German Angst".
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