Deutschlands Rüstungsetat verdoppeln?

Bundeskanzlerin Merkel mahnte am vergangenen Wochenende erneut eine drastische Erhöhung der Militär- und Rüstungsausgaben an

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Die Kanzlerin hielt am Samstag beim Deutschlandtag der Jungen Union eine etwa 45-minütige politische Grundsatzrede. Gegen Ende ihres Vortrags betonte sie:

Wir werden mehr für die Sicherung unserer äußeren Sicherheit ausgeben müssen. Der Präsident Barack Obama sagt immer zu mir: 'Angela, es wird auf Dauer nicht gut gehen, dass die Vereinigten Staaten von Amerika 3,4 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgeben, und ihr knapp 1,2.' Die Menschen in Amerika, die dortigen Bürger, werden die Frage stellen: 'Warum können die europäischen Länder das nicht auch?' Wir sind weit entfernt von dem, was die Nato mal beschlossen hat, 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben. Und wir müssen dann an dieser Stelle besser werden. (…) Und da wird uns im 21. Jahrhundert nicht mehr so viel geholfen werden, wie im 20. Jahrhundert. Und die Konflikte dieser Welt sind im Augenblick vor der europäischen Haustür, ganz massiv.

Angela Merkel
Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Deutschlandtag der Jungen Union: "Der Präsident sagt immer zu mir …." Screenshot aus dem Phoenix-YouTube-Video.

Die Bundeskanzlerin hatte bereits im Sommer mehr Geld fürs Militär angemahnt, damals mit ähnlichem Argument: Die EU sei nicht fähig, sich gegen Bedrohungen von außen zu verteidigen. Es werde "auf Dauer nicht gut gehen, dass wir sagen, wir hoffen und warten darauf, dass andere für uns die Verteidigungsleistungen tragen".

"Der Präsident sagt immer zu mir"

Bemerkenswert an Merkels Äußerungen zum Thema (die von den Medien, bis auf wenige Ausnahmen, ignoriert wurden) sind gleich mehrere Aspekte. Zunächst fällt auf, wie offen die Bundeskanzlerin ihre eigene, den USA nachgeordnete Rolle einräumt, was Entscheidungen in diesem Bereich angeht.

Allein schon ihre - fast kindlich wirkende - Formulierung "der Präsident Barack Obama sagt immer zu mir" irritiert. Die Kanzlerin äußert sich nicht etwa über "den US-Präsidenten", also das Oberhaupt eines fremden Staates, sondern schlicht über "den Präsidenten", was fast klingt, als sehe sie ihn, zumindest in diesen Fragen, als ihren persönlichen Chef an.

Der nächste auffällige Aspekt der Rede ist Merkels völliges Ausblenden der Gründe für die unterschiedlich hohen Militärausgaben der USA und Deutschlands. Dass das extrem aufgeblähte amerikanische Budget etwas mit den zahlreichen Kriegen, Besatzungstruppen bzw. Stützpunkten der USA in Übersee zu tun hat, ist Merkel keine weitere Erwähnung wert, ganz so, als sei dieser Umstand die banalste und womöglich nachahmenswerteste Selbstverständlichkeit.

Des Weiteren wirkt ihre Unterstellung, die USA würden mit ihrem Militärbudget "Verteidigungsleistungen für uns tragen", geradezu bizarr. Im Irak oder in Syrien wird Deutschland so wenig verteidigt wie seinerzeit am Hindukusch. Im Gegenteil stellt die Bundeswehr, ähnlich wie die nationalen Armeen der anderen Nato-Partner, in wechselndem Umfang Hilfstruppen für die Durchsetzung der Interessen des amerikanischen Imperiums zur Verfügung.

Natürlich ist es so gesehen nur verständlich, wenn ein Imperium seine nachgeordneten Verbündeten zu höheren Tributzahlungen auffordert. Was diese aber mit deutschen Interessen zu tun haben sollen, erschließt sich nur dann, wenn man die Vasallenrolle gegenüber der Vormacht schlicht nicht hinterfragt, sondern als gegeben und unabänderlich hinnimmt.

Dass "die Konflikte dieser Welt im Augenblick ganz massiv vor der europäischen Haustür" stattfinden, wie Merkel richtig äußert - wohl vor allem mit Blick auf Syrien und die Ukraine - lässt dennoch die Frage offen, inwieweit etwa mehr Militäreinsätze und mehr Geld für Rüstung diese Konflikte in irgendeiner Weise lösen oder auch nur mildern könnten.

60 Milliarden fürs Militär?

Das von Merkel wiederholt erwähnte "Zwei-Prozent-Ziel" ist dabei schon älter. Bereits 2014 auf dem Nato-Gipel in Wales hatten die Mitglieder des Militärbündnisses beschlossen, "sich innerhalb von zehn Jahren auf den Richtwert von 2 Prozent zuzubewegen, um ihre NATO-Fähigkeitenziele zu erreichen und Fähigkeitslücken der NATO zu schließen", wie das Abschlussprotokoll des Gipfels damals etwas bürokratisch vermerkte.

Würde Deutschland diese Absichtserklärung tatsächlich umsetzen wollen, hieße das (bei einem Bruttoinlandsprodukt von derzeit ca. 3.000 Milliarden Euro) eine Erhöhung des Militärbudgets von momentan knapp über 30 auf gut 60 Milliarden Euro.

Einmal abgesehen vom überaus zweifelhaften Sinn einer solchen beispiellosen Aufstockung: Woher sollte dieses Geld eigentlich genommen werden? Mittelkürzungen im Sozialen? Oder neue Staatsverschuldung bei reichen Investoren? Zu solchen Einzelheiten äußerte sich die Bundeskanzlerin bislang nicht.

Anzahl der Korvetten verdoppelt: "Herausforderungen in globaler Hinsicht"

Ende vergangener Woche wurde zudem bekannt, dass die Regierungskoalition beabsichtigt, für 1,5 Milliarden Euro fünf neue Korvetten anzuschaffen und damit den derzeitigen Bestand zu verdoppeln. Begründet wird dieser Schritt vage mit "neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen im Ostseeraum, im Mittelmeer und in globaler Hinsicht".

Kritiker merken an, es handle sich dabei wohl auch um ein Subventionsprogramm für die heimische Werftenindustrie, zumal die beiden Bundestagsabgeordneten, die diesen Plan gemeinsam öffentlich verkündeten - Johannes Kahrs (SPD) und Eckhardt Rehberg (CDU) - ihre Wahlkreise in den Werftenstandorten Hamburg bzw. Mecklenburg-Vorpommern hätten.

Das "Zwei-Prozent-Ziel" der Nato kann man wohl generell auch als Industriepolitik für den Rüstungssektor lesen, der auf ständige weltweite Konflikte so angewiesen ist, wie kaum jemand sonst. Selbst ein ausgewiesener Amerikafreund und transatlantisches Urgestein wie Theo Sommer von der "Zeit" kommentierte das "Zwei-Prozent-Ziel" 2014 kritisch. Das US-Militärbudget sei "heller Wahnsinn" und "jedenfalls nicht nachahmenswert".

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