Die 100.000-Dollar-Frage
Seite 2: Keine Planwirtschaft 2.0
Klar ist: eine Planwirtschaft, in der eine Planbehörde festsetzen würde, was in einer Planperiode zu von der Planbehörde festzusetzenden Preisen produziert werden soll, wird niemals funktionieren können, auch wenn die gigantischsten Cluster von Superrechnern dazu in Betrieb genommen werden könnten, diesen Plan in vielen nächtlichen Iterationen auszuspucken.
Die Information, was die Menschen eines Wirtschaftsraumes in einem Planungshorizont, sagen wir ein Jahr, konsumieren wollen, kann nämlich niemand haben, weil die Menschen das selber noch gar nicht wissen. Sie wissen erst dann, was sie wollen, wenn sie es sehen. Und damit sie es sehen, muss es jemand mal einfach erfinden und ihnen vor Augen führen, und dann kaufen sie es vielleicht, oder sie kaufen es nicht, und er hat Pech gehabt. So funktioniert Marktwirtschaft, und das war und ist nicht unbedingt das Schlechteste daran. Wenn man das ändern wollte, lässt es sich kaum vermeiden, in der DDR zu landen, wie Heiner Flassbeck vor nicht langer Zeit meinte, oder auch im Nirwana.
Gesellschaftliche Entscheidungsfindung über Technik?
Was kann man also tun? Wenn man nun noch die Institution des Privateigentums zur Debatte stellte, oder die Technologien "zum Gegenstand gesellschaftlicher Entscheidungsfindungen" macht, in denen über die "Konvivialität der Technik" zu entscheiden ist, oder einen "umfassenden zivilgesellschaftlichen Bewertungsprozess vor die Einführung neuer Technologien" schalten will, und noch ein "Moratorium für Risikotechnologien und einen Stopp aller Subventionen für ökologisch und sozial destruktive Technikentwicklung", wie Fabian Scheidler dies fordert, würde die Aufgabe der visible hand schnell über alle Maßen groß.
Wir haben erlebt, dass die Politik den Begehrlichkeiten des globalisierten Kapitals seit Einbruch des "neoliberalen Rollback", wie Scheidler sagt, wenig entgegenzusetzen vermochte; kann man dann Derartiges erwarten? Nun könnte man auf dem Standpunkt stehen, es sei nur eine Frage des politischen Willens, der aufzubringen wäre, und dann wäre die visible hand, die Politik zu Derartigem imstande.
Aber ist denn wirklich klar, was damit gemeint ist: Technologien zum "Gegenstand gesellschaftlicher Entscheidungsfindung" machen? Wie sollte das aussehen, etwa mit Technikbewertungskommissionen, von denen jeder Betrieb dann seine geplanten Investitionen genehmigen lassen muss? Oder jede Universität ihre technischen Innovationen danach beurteilen, ob sie auch konvivial sind? Das riecht, mit Verlaub, ein wenig nach Inquisition und jakobinischer Revolutionsregierung; jedenfalls dürfte es weit jenseits dessen liegen, was man den Institutionen in einer liberalen Demokratie mit ihren aufgeklärten Rechtstraditionen in Rahmen einer Debatte um die "normativen und institutionellen Grundfragen" der Ökonomik zumuten möchte.
Worauf könnte man aber dann seine Hoffnungen setzen? Für Schumpeter war die Technologie genauso der Totengräber des Kapitalismus, wie der Geburtshelfer dessen, was ihm als institutionelle Ordnung nachfolgen könnte. Und diese sah er nur dadurch charakterisiert, dass in ihr die wirtschaftlichen Belange in der Sphäre der Öffentlichkeit angesiedelt sind. Wie könnte die Technologie hierzu einen Beitrag leisten?
Scheidler kritisiert Autoren wir Rifkin und Mason dafür, dass sie "von Erfindungen wie dem 3D-Drucker eine quasi vollautomatische Weltrevolution (...) erwarten", denn das sei "ein Symptom für den Realitätsverlust einer technokratisch geprägten Gesellschaft, die sich angesichts des Chaos der stotternden Megamaschine in magisches Denken flüchtet." Möglicherweise erwarten diese beiden Autoren von dem 3D-Drucker tatsächlich mehr, als dieser leisten kann. Aber was kann die digitale Fabrikationstechnologie leisten, von der für Scheidler und die von ihm kritisierten Autoren offenbar nur der 3D-Druck ins Blickfeld geraten ist?
Keine vollautomatische Weltrevolution, sondern wissenschaftsgestützte Transformation
Sicher nicht eine "vollautomatische Weltrevolution", aber sie kann die Grundlage dafür sein, die 100.000-Dollar-Frage zu lösen. Und die lautet: Wie können wir eine nicht-dynamische Ökonomie konstruieren, die dennoch pareto-optimal ist? Die stabil, nachhaltig und sozial ist, aber doch nicht statisch im Sinne einer erhaltenen qualitativen Wachstumsfähigkeit? Die also nicht wachstumsabhängig ist und deren Ressourcenverbrauch auf einem nachhaltigen Niveau bleibt, die dennoch genügend innovative Ressourcen freisetzen kann, um Wachstum im Sinne von Prozess- und Produktinnovationen zu erhalten?
Was wollen wir also? Eine Ökonomie, die stagnationsstabil ist, die also nicht umkippt, wenn sie nicht bewegt wird; dann wollen wir eine, die nicht von den Massen des globalisierten Kapitals beherrscht ist; und wir wollen eine, in der die gewählten Regierungen nicht wie die Marionetten an den Fäden des organisierten Großkapitals hängen. Und eine Ökonomie, die Wohlstand und gleichzeitig Freiheit gewährleistet, also auch die Freiheit, mit dem, was man hat, zufrieden zu sein, und sich anderen Dingen zu widmen als solchen, in denen das eigentlich zweitrangige Ziel des Gelderwerbs gleich an erster Stelle steht.
Was kann die Technologie dazu beitragen? Sie kann dazu beitragen, dass die Wertschöpfung, der Prozess, aus dem die werttragenden Dinge hervorgehen, in die Öffentlichkeit verlagert wird, in die Sphäre der Öffentlichkeit, und raus aus der Sphäre der Privatwirtschaft. Ulrike Hermann hat in ihren Büchern schön deutlich machen können, dass es die Dinge sind, die den Reichtum des Kapitalismus ausmachen, nicht das Geld. Die Dinge kommen aus den Fabriken, aus der Produktion, und die ist folglich die Quelle des Reichtums; eine unter Ökonomen weitgehend unbestrittene Erkenntnis. Und wenn es nun der 3D-Drucker ist, der die Quelle des Reichtums ist?
Dann ist der Reichtum nicht sehr groß, aber er hat - das ist nicht unerheblich - seine Natur gewandelt: Er ist nämlich dann zum Gebrauchswert geworden, zum "wirklichen Reichtum", wie Karl Marx sagte. Er kann direkt aus der Quelle in den Besitz des Konsumenten kommen, und nicht erst als Ware, über den Markt, wo er erst zu Geld werden musste. Das ist der große qualitative Sprung der digitalen Technologien, der wohl erst beim zweiten Hinsehen deutlich wird, wohl weil der Reichtum noch so klein ist. Nicht einmal Mason und Rifkin haben das klar erkannt. Es ist die Universalität dieser Maschine, die sie wert macht, am Ort des Konsums ihr einen Platz einzuräumen, und nicht in der Werkstatt eines Warenproduzenten, der mit ihr Rendite erzielen will.
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