Die Angst vor "den Roten"

Seite 2: Die Fehler der Linken

Man muss jedoch fair bleiben. Trotz eines nie zuvor da gewesen Willens des Spitzenpersonals zum Regieren, tut die Linkspartei selbst eine Menge dafür, immer genug Angriffsfläche zu bieten. Das erratische Abstimmungsverhalten der Linksfraktion im Bundestag zum Mandat für den Rettungseinsatz in Afghanistan kam einer Einladung zur Abgrenzung gleich (vgl. Die Linke und Afghanistan: Friedenspolitik am Pissoir).

Weder Janine Wissler noch Dietmar Bartsch ist es bisher gelungen, diesen Elefanten vom Eis zu ziehen. In der Auswirkung entsteht bei den Wählerinnen und Wählern ein katastrophaler Eindruck, den nicht nur die CDU/CSU mit größter Genugtuung abschöpft. Auch die SPD und die Grünen stehen vor der schwierigen Aufgabe, ein Bündnis mit einer solchen Linken vor einem Teil der Wählerinnen und Wähler zu rechtfertigen.

Dabei mag es richtig sein, dass das Mandat zeitlich zu kurz und in Bezug auf den zu evakuierenden Personenkreis zu ungenau gewesen ist. Darauf hinzuweisen werden Wissler und Bartsch nicht müde. Doch dieser Kritik ausgerechnet mit Enthaltungen (und auch Nein-Stimmen) Ausdruck verleihen zu wollen, zeugt nicht von verantwortungsbewusster Politik, zu der auch immer die Einberechnung der Außenwirkung dazugehört.

Die Möglichkeit hätte bestanden, sich geschlossen hinter das Mandat zu stellen und darüber hinaus weitere Maßnahmen zu fordern. Um die Sache abzukürzen: Die Unterstützung des Mandats hätte ein starkes Signal der Verlässlichkeit sein können.

Vieles deutet darauf hin, dass es der Linken vor allem um die Wahrung einer kohärenten Position nach innen, also gegenüber ihren Mitgliedern gegangen ist. Dem parteiinternen Markenkern der radikalpazifistischen Opposition entspricht man unter Genossen nur allzu gern. Wenn damit die Chancen auf eine politische Umsetzung der eigenen Ziele torpediert werden? Egal. Die eigene Identität ist heilig.

Abgesehen von der Afghanistan-Abstimmung tut sich die Partei sicherlich auch keinen Gefallen, wenn Dietmar Bartsch in der Sendung bei Markus Lanz darauf pocht, dass die einzige linke Kraft im Land die Linkspartei sei. Er wehrt sich damit gegen die Bezeichnung von Rot-Rot-Grün als Linksbündnis. Die Grünen und die SPD würden die Mitte bedienen, so der Standpunkt des linken Spitzenkandidaten.

Abgrenzungsrhetorik und Progressive

Eine solche Abgrenzungsrhetorik gegenüber des erweiterten politisch linken Spektrums ist nur ein weiteres Einfalltor für die Attacken der Union und treibt die möglichen Partner in die Distanz. Dabei stellt sich ganz grundsätzlich die Frage, ob ein solches Einziehen einer Mitte überhaupt für Orientierung sorgt.

Hält man sich die massiven Bedrohungen der Zukunft vor Augen, so läge nichts näher, als sich des Begriffs des "Progressiven" zu bedienen. Unter diesem könnten sich auch außerparlamentarische Kräfte wie Fridays for Future versammeln. Statt einer antagonistischen Abgrenzung wäre eine nachhaltige Ausgangslage für eine gemeinsame Arbeit an der Zukunft eröffnet.

Denn eine progressive Haltung zeichnet sich ja gerade dadurch aus, dass die realen Probleme nüchtern analysiert und neue Lösungen gesucht werden, die zu einer besseren Gesellschaft führen. Mit der Betonung einer strengen und letztlich wahren linken Identität stellt sich die Linkspartei selbst ein Bein.

Über neue Weisen des wirtschaftlichen Handelns nachzudenken, diese Gedankenspiele in der breiten Debatte im Wahlkampf zuzulassen, statt über die Bande einer phantasmagorischen Angst vor einem Linksruck die Diskussion von wirklichen Visionen zu verhindern - darin läge insgesamt die politische Verantwortung aller Parteien.

Nur scheinen letztlich auch SPD, die Grünen und die Linkspartei daran kein großes Interesse zu haben. Jeder müsse zunächst auf sich schauen, das beste Ergebnis holen und dann die Machtchancen ausloten, so schallt es aus allen Parteizentralen.

Bei den Koalitionsverhandlungen sind keine Wähler mehr dabei

Das Problem ist nur, dass die Wählerinnen und Wähler bei den Koalitionsverhandlungen gar nicht mehr wirklich partizipieren. Am Ende gibt es einen Vertrag, der von den Parteien und ihren jeweiligen Führungen (mit Urabstimmung oder nicht) ausgehandelt wurde. Was am Ende von den großen Ideen bleibt, ist fraglich.

Aber um für einen letzten Absatz bei der Angst vor dem "linken Wahnsinn" zu verweilen. In Thüringen hat die Linke bewiesen, dass sie vernünftig und mit Weitsicht regieren kann. Problematische Strömungen gibt es in jeder Partei, siehe Hans-Georg Maaßen aufseiten der Union. Es kommt darauf an, die richtigen Leute für eine gemeinsame Arbeit ins Boot zu holen. Und wenn es um die großen Differenzen Nato und Friedenspolitik geht, da dürfte auch der Linken klar sein, dass diese Projekte nur auf ganz lange Sicht und mit ganz viel Pragmatik realisierbar wären.

Eine rot-rot-grüne Koalition muss es nicht geben. So wie die Dinge derzeit stehen, wird offen verhandelt werden müssen. Eine Chance angesichts der massiven Umbrüche, die uns bevorstehen, wäre ein Linksbündnis allemal. Bis dahin kann man sich nur eine Debatte wünschen, die sich mehr an den Themen abarbeitet, statt Ausflüchte in Diffamierungen und abstrakten Kampagnen zu suchen.

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