Die Automatisierung der Web-Überwachung
Die Suchmaschine INTERMiT soll Strafverfolgern bei der Verbrecherjagd im Netz helfen
Das Bundesinnenministerium setzt im Kampf gegen Extremisten und Päderasten auf ein neues "Internet-Ermittlungstool" (INTERMiT), das das Web automatisch auf strafbare Inhalte hin scannen soll. Den Prototyp der Suchmaschine hat das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) jetzt vorgestellt. Die Idee der Maschinenpatrouille durchs Netz stammt von Schilys Vorgänger Manfred Kanther, der den Auftrag für die Web-Waschanlage bereits im Sommer 1998 erteilt hatte. Die technische Umsetzung gestaltete sich allerdings schwieriger als geplant.
Bundesinnenminister Otto Schily hat in den vergangenen Monaten großen Einfallsreichtum gezeigt, wenn es um die Bekämpfung demokratie- und gesellschaftsgefährdender Inhalte im Internet ging. So schlug er etwa vor, die Provider neonazistischer Propaganda durch "technische Maßnahmen" wie Denial-of-Service-Attacken lahmzulegen (Und er hat es doch gesagt ...). Doch sein neuester Vorstoß gegen Extremismus und Kinderpornographie im Web ist vergleichsweise ein alter Hut: Das Internet-Ermittlungstools INTERMiT ist ein Vermächtnis des Ex-Innenministers Manfred Kanther, der ansonsten vor allem durch seine harte Linie in der Kryptopolitik bei den Netzbürgern von sich reden machte.
Nach knapp drei Jahren Entwicklungszeit konnte Claus-Henning Schapper, Staatssekretär im Bundesinnenministerium, den Prototyp von INTERMiT nun Mitte vergangener Woche bei der Eröffnung des 7. Deutschen IT-Sicherheitskongress des BSI in Bonn endlich vorstellen. Das Werkzeug, hinter der sich laut Angaben des Ministeriums eine Meta-Suchmaschine verbirgt, soll den Polizeien und Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder inklusive des Verfassungsschutzes "das Streifegehen im Netz erleichtern". Der Testlauf, so Schapper weiter, werde "in Kürze beginnen". Die Strafverfolger sollen damit ein Ermittlungswerkzeug erhalten, "mit dem sie weitgehend automatisiert und systematisch das Internet nach verbotenen Inhalten wie etwa rechtsextremistischen oder kinderpornografischen Seiten durchsuchen können".
Dass INTERMiT so lange brauchte, um auch nur in den Status eines Prototypen zu gelangen, liegt nach Informationen von Telepolis an der Firma Siemens, bei der das BSI zunächst die Umsetzung des Projekts in Auftrag gegeben hatte. Obwohl beileibe keine Klitsche, konnten die Münchner die gewünschten Suchfunktionen nicht implementieren. Der neue Auftrag ist wieder an eine "etablierte Firma" gegangen, wie aus dem BSI zu hören ist.
Open Source bringt Adaptionsmöglichkeiten
Die Programmierer stützen sich dieses Mal auf Open-Source-Elemente, um die Software leichter überprüfbar zu halten. Ein weiterer Vorteil des offenen Quellcodes liege in der besseren Anpassbarkeit an die Bedürfnisse der jeweiligen Strafverfolgungsbehörde, so BSI-Sprecher Michael Dickopf. Während dem Bundeskriminalamt (BKA) vor allem daran gelegen sei, verbrecherische Pornographie aufzuspüren, gehe es dem Verfassungsschutz eher um extremistische Inhalte. Die Bots der Suchmaschine sind im Gegensatz zu dem im BKA-Umfeld entstandenen "Pornoscanner" Perkeo nicht auf die Analyse von Bildern, sondern auf Wörter und Begriffe fixiert. Treffer werden in einer umfangreichen Unix-Datenbank abgelegt. INTERMiT beschränkt seine Suche laut Dickopf auf das Web. Email- oder Chatkommunikation werde nicht gescannt.
Die Automatisierung der Polizeistreifen im Web ist trotz dieser Einschränkung keineswegs unumstritten. Für Schapper ist das Werkzeug zwar ein wichtiger Schritt, "um das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürgern in das Internet zu stärken." Sie hätten "online wie offline" Anspruch darauf, dass der "Staat auf die Einhaltung der Gesetze achtet." Es gehe darum, "neue Formen der Kriminalität im Internet" zu bekämpfen.
Kinderporno und Rassismus als Standardrechtfertigung für die Überwachung öffentlicher Netzräume
Als Kanther seine Pläne für das autonome Ermittlungswerkzeug das erste Mal präsentierte, bemängelte der sich damals noch in der Opposition befindliche SPD-Netzexperte Jörg Tauss, dass "die Bundesregierung den Eindruck erweckt, dass Pornographie mit Kindern vorwiegend ein Internet-Problem sei." (Kanthers neue Suchmaschine). Letztlich sei sie aber genauso wie der Rechtsextremismus ein Gesellschaftsproblem. Tony Bunyan von der Bürgerrechtsorganisation Statewatch wirft den Strafverfolgern sogar "offenen Zynismus" vor, da sie "Kinderpornographie" und "Rassismus" permanent als Standardrechtfertigung für die Ausweitung ihrer allgemeinen Kontrollbefugnisse verwenden.
Heftige Kritik an der Ausdehnung der Webüberwachung übt auch Sierk Hamann, einer der Gründer der Initiative Freedom for Links (Maschinenstürmer im Bundesinnenministerium?). Dem Richter drängt sich "rechtlich und politisch sich die Frage auf, ob der Einsatz technischer Mittel bei der Online-Streife nicht mit dem Einsatz technischer Mittel bei der Offline-Streife wie zum Beispiel mit Hilfe von Videokameras in Fußgängerzonen vergleichbar ist." In diesem Falle der Überwachung "öffentlicher Räume" müsse das Bundesinnenministerium zunächst eine ausführliche Ermächtigungsgrundlage vorweisen.
Hamann setzt sogar eine Ebene tiefer an und bezeichnet auch die bisherigen Polizeistreifen des BKA und einiger Landeskriminalämter im Netz als bedenklich. Dass die Beamten "anlassunabhängig", also ohne strafprozessualen Anfangsverdacht ermitteln, sei mit den Grundrechten der Bürger nicht in Einklang zu bringen. "Zu viel Überwachung", merkte auch jüngst der Bundesdatenschutzbeauftragte Joachim Jacob an, schade jeder Demokratie ( "Spürbare Sanktionen" bei Datenschutz-Verstößen gefordert).
Eine besondere Brisanz erhält die Meta-Suchmaschine des BSI, wenn man sie mit den Plänen der Enfopol-Arbeitsgruppe des Rats der Europäischen Union zusammenbringt, Verbindungsdaten der gesamten Telekommunikation einschließlich Internet über Jahre hinweg zu archivieren (Europäische Strafverfolger fordern die totale Telekommunikations-Überwachung). Denn zur Erschließung der unvorstellbaren Datenberge sind neben großen Speicherplatten natürlich funktionsreiche und adaptionsfähige Software-Hilfsmittel dringend erforderlich.