Und er hat es doch gesagt ...

Wahrscheinlich ist es eine Auslegungsfrage, was Schily wirklich zum Thema Hacker-Angriffe im Dienste des Staates gesagt - oder gemeint - hatte

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Allmählich gerät das Spiel von Behauptungen und Dementis zu einer Posse, die aus dem deutschen Innenministerium kommt. Forsch trat Dirk Inger, Sprecher von Schily, zunächst auf und bekannte gegenüber Spiegel Online am letzten Wochenende, dass etwa DoS-Angriffe auf Neonazi-Websites nicht "im Unrechtsbereich anzusiedeln" seien. Das Innenministerium korrigierte zwar nicht diese Äußerungen, ließ aber verlauten, dass niemals geplant gewesen sei, mit Hacker-Angriffen gegen Neonazi-Sites vorzugehen.

Natürlich hatte Inger nicht gesagt, dass Angriffe tatsächlich geplant seien, aber es klagt doch so, als wäre man nicht abgeneigt, wenn alle anderen Möglichkeiten scheitern, zu ebensolchen Mitteln zu greifen. Zumindest versuchte Inger staatliche Angriffe von anderen Hackerangriffen abzuheben: Hinter den Angriffen im Auftrag des Staates stehe nämlich "der Gedanke der Verteidigung unserer Rechtsordnung gegen rechtswidrige Angriffe unter bewusster Ausnutzung der Internationalität des Mediums Internet" (DoS-Angriffe aus dem deutschen Innenministerium auf Websites im Ausland?).

Ministeriumssprecher Dirk Inger scheint erst einmal Erklärungen zu scheuen. Das Ministerium dementierte: "Es ist schlichtweg Unsinn zu behaupten, der Bundesinnenminister habe Hacker-Angriffe gegen rechtsextremistische Websites in die Diskussion gebracht. Davon war nie die Rede." Betont aber wird gleichzeitig, dass man hier "keine rechtlich oder auch technisch zulässige Möglichkeit außer Acht" lassen darf, was möglicherweise darauf hindeuten könnte, dass just die Definition des Zulässigen im Innenministerium umstritten sein könnte.

Frank Patalong von Spiegel Online will sich nun - es ist doch eine zu schöne Geschichte - mit dem Dementi nicht zufrieden geben. Schließlich sprach nicht nur Inger von Angriffen auf Websites, die nicht im Unrechtsbereich liegen, sondern auch Schily hatte Ende des letzten Jahres bereits weitergehende Schritte angedeutet, nachdem der Bundesgerichtshof entschieden hatte, dass Internet-Veröffentlichungen im Sinne der Volksverhetzung auch dann bestraft werden können, wenn sie im Ausland begangen wurden. Die deutsche Regierung habe, so Schily gegenüber der Washington Post, die Grenzen internationaler Handlungsfähigkeit erkannt und suche auch nach anderen Wegen, Menschen, die neonazistische und nach Deutschland gerichtete Webseiten ins Netz stellen, vor amerikanische Gerichte zu bringen. Man überlege überdies, so Schily weiter, neonazistische Sites von Deutschland aus durch Überflutung mit Anfragen zu schließen.

Gegenüber Spiegel Online versicherte der Autor des Artikels in der Washington Post, Peter Finn, dass Schily diese Äußerungen nicht nur wörtlich ihm gegenüber gemacht habe, sondern dass sie auch damals von seinem Pressesprecher "als sachlich richtig bestätigt und zur Veröffentlichung freigegeben" wurden. Sowohl Spamming als auch DoS-Angriffe würden zu Schilys Überlegungen passen, eine "Website niederzuzwingen, in dem man sie mit massenhaftem Verkehr" überschwemmt.

Da Finn die vermeintlichen Äußerungen damals nicht als Zitat wiedergegeben hat, sondern nur in indirekter Rede, lässt jetzt natürlich viel offen - ebenso wie die Frage, was nun das Innenministerium als "Hacker-Methoden" bezeichnen will, die Schily nicht in die Diskussion gebracht habe. Möglicherweise ist durch diese Diskussion und die vielleicht unbedachten Rechtfertigungsversuche des Sprechers im Ministerium erst klar geworden, dass man sich auch mit Spam-Überschwemmungen im "Unrechtsbereich" bewegt, zumindest dann, wenn man gegen sie anderen Orts vorgehen will.