Die Black Bag Jobs des Richard Nixon

Seite 3: Die fünf Tage des Condor

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Tricky Dick Nixon erkannte, dass er sich mit Unterzeichnung des klar erkennbar verfassungswidrigen Huston-Plans angreifbar machte. Man überlegte noch, ein Treffen zwischen dem Präsidenten und dem FBI-Chef zu arrangieren, um Hoover umzustimmen. Stattdessen gab man intern jedoch einfach die Order aus, der Präsident habe den Plan akzeptiert. Als Hoover erfuhr, dass man seinen Schachzug umgangen hatte, sandte er sofort den Huston-Plan an den bislang hiervon nicht informierten Generalstaatsanwalt John N. Mitchell. Der Jurist suchte umgehend das Oval Office auf und führte Nixon vor Augen, dass Hoover den Präsidenten in der Hand hatte. Hoover müsste den Huston-Plan nur an die Presse leaken, um Nixons Administration zu beenden.

Mitchell untersagte den anderen Geheimdienstchefs, den Plan umzusetzen. CIA-Direktor Helms sandte daraufhin noch am selben Tag seine Ausfertigung des Dokuments zurück, seine Kollegen taten es ihm gleich. Das Weiße Haus zog den Plan "zur Überarbeitung" zurück und beerdigte ihn auf diese Weise. Nach fünf Tagen Lebensdauer war der Huston-Plan Geheimdienst-Geschichte und füllte einmal mehr Hoovers Dossiers mit Kompromat.

Hitzkopf Huston wurde im Weißen Haus fortan mit Unwichtigem befasst, sodass er bereits im Herbst 1970 den prominenten Arbeitsplatz räumte und sich in seiner Heimat Indiana als Anwalt niederließ. Sullivan überwarf sich mit Hoover und wechselte zum neuen gegen Drogenhandel aufgstellten Geheimdienst ONNI. Dem Schattenmann wurden keine ausländischen Verschwörer oder Drogendealer zum Verhängnis, sondern ein befreundeter Jäger, der ihn 1975 mit einem Hirsch verwechselte.

"The Citizens Commission to Investigate the FBI"

Der Mathematiker und Friedensaktivist Prof. Dr. William Davidon hatte inzwischen erkannt, dass die US-Geheimdienste (auch ohne den Huston-Plan) systematisch gegen die Bürgerrechtsbewegung vorgingen. Um seine "Verschwörungstheorie" zu beweisen, organisierte er 1971 während des "Kampf des Jahrhunderts" einen Einbruch in ein FBI-Gebäude, um dort vermutete Akten zu erbeuten. Das Ausmaß der verfassungswidrigen Aktivitäten überstieg alle Vorstellungen. Davidon leakte das Material an die Presse, der Skandal führte schließlich zur Einrichtung von Geheimdienst-Untersuchungsausschüssen (Vier Jahrzehnte vor Snowden: "The Citizens Commission to Investigate the FBI").

Nixons Schwarzer Sack

Auf offizieller Basis des abgesagten Huston-Plans erfolgten keine Operationen - inoffiziell allerdings durchaus. CIA und NSA ließen ihre bisherigen illegalen Programme zur Post- und Telegrammkontrolle weiterlaufen und baten 1971 Mitchell vergeblich, seine Haltung zu überdenken. Die NSA weitete ihre Liste an zu überwachenden US-Amerikanern aus, auch das FBI spähte nun jede schwarze Studentengruppe ohne Anlass aus und rekrutierte hierzu nun sogar Minderjährige als Spitzel.

Nixon erwähnte bei manchen seiner Aktionen sogar ausdrücklich den Huston-Plan, der zu implementieren sei. Da Nixon das Vertrauen in seine offiziellen Geheimdienste verloren hatte, die CIA gar als die "Clowns aus Langley" verspottete, suchte er sich nun andere Prätorianer. Insbesondere wollte Nixon herausfinden, wer Informationen aus dem Weißen Haus nach außen durchstach. Daher heuerte der Präsident informell ehemalige CIA-Leute an, die als "Klempner" die Lecks finden und abdichten sollten. An deren Loyalität hatte er keine Zweifel, hatte man doch mit dem ganzen Bay-of-Pigs-Thing gemeinsame Leichen im Keller.

Berühmte Black Bag Jobs der Klempner waren der Einbruch beim Psychiater von Whistleblower Daniel Ellsberg, der die Täuschungen über den Vietnamkrieg aufgedeckt hatte, und 1972 der Einbruch ins Watergate Hotel, um dort die Wahlkampfzentrale zu verwanzen. Hoover war kurz vor dem Watergate-Einbruch unter mysteriösen Umständen verstorben. Wie man heute weiß, lancierte FBI-Vize Mark Felt alias "Deepthroat" Informationen an die Presse, die Nixon in Bedrängnis brachten. Der Versuch des strauchelnden Präsidenten, seinem Rechtsberater John Dean die Verantwortung zuzuschustern, bewegte diesen zum Frontwechsel. Bevor der schließlich gefeuerte Dean sein Büro im Weißen Haus räumte, ließ er noch einen Stapel an Dokumenten mitgehen - darunter eine Kopie des Huston-Plans. Von dessen Existenz erfuhr die Öffentlichkeit erstmals im Mai 1973 aus der Presse.

Watergate

Der Watergate-Skandal kostete Nixon das Amt und ruinierte das Ansehen der Geheimdienste. Deren Chefs machten keinerlei Anstalten, Ermittlungen gegen Nixon zu blockieren. Ironischerweise hatte sich ausgerechnet der Präsident selbst überwachen lassen, da er wie seine Vorgänger die Gespräche in den eigenen Räumen im Weißen Haus durch versteckte Mikrophone mitschneiden ließ. Erstmals erfuhr die Öffentlichkeit von den geheimen Methoden der CIA und dem Ausmaß verdeckter Staatsstreiche.

Nunmehr untersuchte eine Kommission auch die Attentate auf die Kennedys und Martin Luther King, bremste aber immer dann, wenn es wirklich interessant wurde. Im Church-Ausschuss wurde jene berüchtigte CIA-Pistole herumgereicht, mit der Gift in gefrorenem Eis verschossen werden konnte, um Spuren eines verdeckten Mords zu vermeiden. Rechtsaußen Barry Goldwater erlaubte sich den Spaß, mit der Pistole auf anwesende Demokraten zu zielen.

Huston musste ebenfalls vor dem Church-Ausschuss aussagen. Er blieb der Politik treu und begeisterte etwa Mike Pence für die Partei. Der konservative Haudegen ist heute ein treuer Fan des republikanischen Präsidenten Trump, den er ironischerweise vor dem tiefen Staat warnt.

Black Panthers

Neu an den nunmehr freigegebenen Dokumenten sind konkrete, allerdings kaum überraschende Ziele der illegalen Überwachung wie studentische Protestgruppen, Aktivisten der Kriegsgegner, militante "Neue Linke" (bezeichnet als "New Left Terrorist Groups"), ein sogenanntes "Black Extremist Movement", namentlich die Black Panthers, die Communist Party of the United States, die Socialist Workers Party und Nationalisten aus Puerto Rico. Beunruhigend ist, dass man in Washington noch immer Anlass sieht, 5 % des Dokuments zu schwärzen. Offenbar gibt es auch nach einem halben Jahrhundert noch Delikates zu verbergen.

Anders als Nixon benötigt der aktuelle Präsident jedoch keine geheimdienstlichen Informationen über innenpolitische Gegner, vielmehr bezieht Trump solche über Twitter oder saugt sie sich aus den Fingern.

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