Die Black Bag Jobs des Richard Nixon

Seite 2: Verschwörung der Verschwörungstheoretiker

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Bereits seit Jahren war die US-Geheimdienst-Community unzufrieden mit den Erkenntnissen über inländische Oppositionsbewegungen, besonders fürchtete man Bürgerunruhen, urbane Aufstände und die Friedensbewegung. Nixon persönlich witterte geheimdienstliche Steuerung solcher Organisationen aus dem Ausland zum Zwecke der Zersetzung (wie es umgekehrt die CIA unverblümt praktizierte). In Verdacht hatte er Sowjetunion, China und Kuba.

Auch der Leiter der Gegenspionage beim FBI, William C. Sullivan, teilte Nixons Wahnvorstellung von einem nennenswerten ausländischen Einfluss auf US-interne Spannungen. Sullivan wandte Spionage- und Zersetzungsmethoden, die eigentlich gegen fremde Geheimdienste gedacht waren, gegen Oppositionelle an. Es handelte sich bei Sullivan um jenen berüchtigten FBI-Mann, der Martin Luther King in einem Brief zum Selbstmord aufgefordert hatte. Das Ausbleiben von Beweisen für die präsidentielle Verschwörungstheorie über ausländische Drahtzieher führte der ultrarechte Sullivan auf zu geringe Überwachungsmaßnahmen zurück. Der Sicherheitsexperte kritisierte, dass FBI-Chef Hoover seine aggressive Inlandsüberwachung inzwischen zurückgefahren hatte.

Die Effizienz der Inlandsüberwachung litt jedoch an der damals ausgeprägten Rivalität der US-Geheimdienste. Die Befindlichkeiten hatten eine gewisse Tradition. Als republikanische Lobbyisten 1947 die Gründung der CIA durchsetzen, gelang dies mit dem Schreckensszenario, dass andernfalls der mächtige Hoover zur Auslandsspionage zuständig sei und das FBI zur geheimen Staatspolizei mutiere. Der Militärgeheimdienst DIA wiederum hasste die zivile CIA, da sich das Militär etwa für paramilitärische Operationen nun einmal für kompetenter hielt. Der Abhörgeheimdienst NSA wusste sein Reich stets abzuschirmen. Nixon bezeichnete den siebzigjährigen Hoover als senil, was dem Schattenmann zu Ohren gekommen war. Aktuell herrschte zwischen FBI und CIA wegen Verstimmungen sogar gänzlich Funkstille, sehr zum Verdruss des paranoiden Leiters der CIA-Gegenspionage James Jesus Angleton, der nach FBI-Informationen gierte.

Die Reibungsverluste rächten sich bei den Ermittlungen gegen den Weather Underground, eine militante Untergrundorganisation von Bürgerrechtlern, die Bombenanschläge gegen Regierungsgebäude verübte (Sarah Palin trifft den Wettermann). Die Spannungen stiegen, als Nixon über Kambodscha den Vietnamkrieg ausweitete und damit Proteste provozierte. An der Kent State University und der Jackson State University erschossen und verletzten im Mai 1970 Sicherheitskräfte mehrere Studenten, was das politische Klima weiter aufheizte.

Interagency Committee on Intelligence

Um die eigene Bevölkerung effizient zu bespitzeln, wollte Nixon seine Geheimdienste befrieden und holte deren Häuptlinge an einen Tisch. Im neuen Interagency Committee on Intelligence saßen J. Edgar Hoover (FBI), Richard Helms (CIA), Admiral Noel Gayler (NSA) und General Donald V. Bennett (DIA). Die Treffen fanden im CIA-Gebäude in Langley statt, den Vorsitz führte FBI-Chef Hoover. CIA-Direktor Helms bestand auf einer geschlossenen Liste der "Bigotten", um die absolute Geheimhaltung der klar verfassungswidrigen Inlandsspionage zu gewährleisten.

Für Nixon nahm dessen ultrarechter Einflüsterer Huston an den Sitzungen teil. Nach der Gründungssitzung vom 5. Juni 1970 arbeiteten Huston und der drei Jahrzehnte ältere Sullivan, die sich bereits gut kannten, konkrete Pläne zur illegalen Überwachung der politischen Linken und insbesondere der Schwarzen-Bewegung aus. In ihrem ersten Dokument beklagten Sullivan und Huston eine massive Herrschaft des Pöbels und Rassenunruhen. Es sei eine Tatsache, dass tausende Staatsfeinde das Regierungssystem zerstören wollten und Unterstützung bei den Feinden im Ausland suchten. Sullivan bat sich aus, dass die Geheimdienste mit einer Stimme zu sprechen hätten.

Die Pläne zur Ausweitung illegaler Inlandsüberwachung stießen bei CIA, NSA und DIA auf großes Interesse. Diese Dienste hatten ohnehin geheime Programme zur Post- und Telefonüberwachung laufen, von denen bisweilen nicht einmal die Präsidenten informiert waren. Besonders die NSA freute sich über eine Ausweitung ihres Repertoires nach Innen mit Black Bag Operations. Seit 1945 zeichnete die NSA alle grenzüberschreitenden Telegramme auf (Operation SHAMROCK) und überwachte auch bestimmte US-Amerikaner (Operation MINARET). Die CIA öffnete seit 1952 heimlich die Post aus China und der Sowjetunion (Operation HT/LINGUAL). Obwohl die CIA nur im Ausland operieren durfte, überwachte der Geheimdienst 300.000 US-Amerikaner, die sich etwa in der Friedensbewegung oder gegen Atomkraft engagierten (Operation CHAOS). Die DIA hielt sich etwas zurück, weil gegen sie gerade Untersuchungen wegen illegale Inlndsüberwachung liefen.

Hoovers Schachzug

Ausgerechnet FBI-Chef Hoover, der wie kein zweiter die Inlandsüberwachung betrieben hatte, reagierte auf die Vorschläge von Huston und Sullivan ungehalten. Seit den 1920er Jahren kontrollierte Hoover die Bundespolizei FBI, die auch für die Spionageabwehr zuständig war, und hatte sie zu einem Inlandsgeheimdienst geformt. Der Intrigant hatte acht Präsidentschaften nicht zuletzt deshalb überlebt, weil er geheime Dossiers mit Kompromat über Politiker und andere Personen des öffentlichen Lebens führte und über Machenschaften in Washington bestens informiert war.

Zwischen 1956 und 1971 operierte das FBI heimlich unter der Code-Bezeichnung COINTELPRO systematisch gegen politische Organisationen wie vor allem die Friedens- und Schwarzen-Bewegung, die es mit V-Leuten durchsetzte. Dabei führte das ausnahmslos mit weißen Ermittlern besetzte FBI Schmutzkampagnen durch, lancierte hierzu Fälschungen und schüchterte Gegner auch mit Gewalt ein. In den letzten Jahren allerdings hatte Hoover Black Bag Jobs untersagt.

Bei einem abschließenden Treffen am 25. Juni 1970 in Hoovers Büro erwarteten die anderen Geheimdienstchefs lediglich ein kurzes Abzeichnen des Plans. Stattdessen jedoch resümierte der FBI-Direktor überraschend, er habe über Jahre hinweg das heimliche Öffnen von Post und andere illegale Bespitzelung gestattet, er sei jedoch gegen eine Ausweitung, schon weil dies die Entdeckungsgefahr erhöhe.

Hoover las in einer Art Zeremonie jeden einzelnen Passus vor, vermerkte in Fußnoten ausdrücklich seine Bedenken und forderte von den anderen Teilnehmern jeweils ausdrückliche Zustimmung zu den Maßnahmen. Der Stratege erklärte trotz seiner Vorbehalte, er sei nicht in der Position, ihm übergeordneten Amtsträgern zu widersprechen. Hoover hatte sich damit abgesichert, dass er für nichts den Kopf hinhalten würde, was nicht der Präsident ausdrücklich angeordnet hatte. Mithin oblag es Nixon, das nun mit Hoovers Fußnoten gespickte Dokument etwa der Black Bag Jobs zu unterzeichnen.

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