Die Domino-Rezession?
Die Zeichen stehen nicht nur in den USA auf Rezession, die Berichte zur Lage der Weltwirtschaft sind alles andere als optimistisch
Der Global Risk Report 2008, an dessen Erstellung führende Finanzunternehmen teilgenommen haben, kommt zu der Einschätzung, dass in den USA, der größten Einzelwirtschaft, eine Rezession droht. Die Risiken wurden auf Grundlage einer Befragung von etwa 100 führenden Unternehmern, Politikern und Wissenschaftlern auf einer Fünf-Punkte-Skala bewertet. Die größten Risiken drohten demnach durch die Krise des Finanzsystems, durch weitere Preissteigerungen für Lebensmittel, die Empfindlichkeit der globalen Lieferwege und die immer teurer werdenden Energieträger. Diese vier Risikokomplexe dienen als Grundlage für das diesjährige Treffen des Weltwirtschaftsforums in Davos dient.
Die politische und wirtschaftliche Unsicherheit bewege sich auf dem höchsten Niveau seit einem Jahrzehnt, weshalb sich 2008 zum Krisenjahr weltweit entwickeln könnte. Es gilt als wahrscheinlich, dass die Preise für Immobilien in den USA weiter fallen. Das treffe aber auch für Großbritannien und andere europäische Staaten zu, in denen sich Spekulationsblasen am Immobilienmarkt entwickelt haben. Es drohe ein allgemeiner Konsumrückgang und eine Rezession, heißt es im Bericht. Mit 3,5 Punkten wurde die Wahrscheinlichkeit eines Rückgangs des BIP-Wachstums in China prognostiziert, der die Weltwirtschaft 0,25 Prozentpunkte und bis zu einer Billion Dollar kosten könne.
Die gleiche Wahrscheinlichkeit sehen die Experten in einem "schlagartigen und ernsthaften Verfall des Dollar-Kurses mit entsprechenden Folgen für das (globale) Finanzsystem". Die Schwächung der US-Wirtschaft könnte auch Russland beeinträchtigen, weil der schwache Dollar sich auch auf die Rohstoffpreise auswirke. Die sich abschwächende chinesische Wirtschaft könne ebenfalls der Wirtschaft Russlands zusetzen.
Der Bericht warnt auch vor einem ernsthaften Lebensmittelmangel, der als eine der größten Risiken des 21. Jahrhunderts bewertet wird. Verantwortlich wird dafür die wachsende Weltbevölkerung, steigender Lebensstandard, Anstieg der Produktion von so genanntem Biosprit und der Klimawandel gemacht. Bei Unternehmen wie die US-Bank Citigroup oder dem Schweizer Rückversicherer Swiss Re, die an dem Bericht mitgewirkt haben, hat sich der Zwangsoptimismus offenbar mit den eigenen hohen Abschreibungen verflüchtigt.
Gerade musste die größte US-Bank wieder 18 Milliarden Dollar abschreiben, weshalb sie nun einen Quartalsverlust von 9,83 Milliarden Dollar ausweist. Da es die erste US-Bank war, die Zahlen für das vierte Quartal 2007 vorgelegt hat, dürften weitere Horrormeldungen folgen. Bei der Citigroup schlagen nun auch Zahlungsausfälle bei US-Konsumentenkrediten mit 4,1 Mrd. Dollar zu Buche, dazu seien die Einnahmen um 70 % eingebrochen. Diese Zahlen lassen die Citigroup die Rezession erwarten. Die Finanzkrise hat also wie erwartet den Subprime Markt längst hinter sich gelassen und setzt dem privaten Kreditkartenmarkt zu. Banken haben ihre Rückstellungen erhöht, nachdem die Ausfälle in dem Geschäft schon bis Ende September um ein Drittel gestiegen sind. Es dreht sich um einen Markt mit geschätzten 900 Milliarden Dollar und das trifft den Nerv der US-Konsumkultur. Im zweiten und dritten Quartal werde die Wirtschaftsleistung in den USA auf das Jahr hochgerechnet um jeweils ein Prozent schrumpfen, sagen die Spezialisten von Goldman Sachs eine Rezession voraus. Davon wird gesprochen, wenn die Wirtschaftsleistung – gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) – in zwei aufeinander folgenden Quartalen sinkt. Für den ehemaligen US-Notenbankchef Alan Greenspan, der schon im letzten Jahr frühzeitig vor dem Szenario warnte, steht die Rezession schon vor der Tür, wenn die USA nicht längst darin verwickelt sind. „Die Symptome sind alle deutlich sichtbar“, sagte er in einem Interview. Schon zuvor hatte er auch auf das Schreckgespenst einer Stagflation hingewiesen. Goldmann Sachs sieht zudem eine Rezessionsgefahr für Japan, womit die zweitgrößte Ökonomie betroffen wäre. Die Wahrscheinlichkeit dafür liege bei rund 50 Prozent, teilten die Experten am vergangenen Donnerstag in Tokio mit.
Krise in Großbritannien und Spanien?
Auch in Großbritannien und Spanien, wo sich gefährliche Immobilienblasen in den vergangenen Jahren entwickelt haben, drohen Gefahren. In beiden Ländern fallen die Immobilienpreise. Während die Preise in Spanien noch langsam sinken, sind sie in Großbritannien stark ins Rutschen gekommen und haben das tiefste Niveau seit der Rezession Anfang der 90er Jahre erreicht.
Auch hier brechen die Probleme am Hypothekenmarkt schon auf den Kreditkartensektor durch. Im Königreich ist das Volumen der Immobilienkredite auf mehr als eine Billion Pfund gestiegen, die Verschuldung der Briten ist im Schnitt etwa doppelt so hoch wie im Euroraum. Es wird sich zeigen, wie lange die Zentralbank dem Ruf nach Zinssenkungen noch standhält. Das Zinsniveau liegt mit 5,5 Prozent deutlich über dem Niveau im Euroraum, aber bisher weigert sich die Zentralbank, anders als die Europäische Zentralbank (EZB), Konjunkturpolitik zu machen. Sie begründet ihre Politik damit, dass die Inflation deutlich über den angestrebten 2 % liegt, dabei lag sie im Jahresdurchschnitt niedriger als die 3,1 Prozent im Euroraum.
Ihren Zwangsoptimismus haben die Experten nun auch für Spanien aufgegeben. So zeichnet die ebenfalls durch die US-Kreditkrise gebeutelte Schweizer UBS ein düsteres Bild für die Lage dort. Auch Merrill Lynch und andere sagen, dass die Krise das Land schon im Würgegriff hat. Wenngleich die Regierung das vor den Wahlen im März nicht zugeben will.
Große Sorgen macht die Inflationsrate von 4,2 Prozent im Jahresdurchschnitt 2007. Seit Monaten steigen die Arbeitslosenzahlen wieder, weil der Bausektor angesichts der hohen Verschuldung und der hohen Zinsen kollabiert. Nun hat sogar die Regierung eingeräumt, im Bauwesen gingen 350.000 Stellen verloren, was als sehr optimistische Einschätzung gewertet werden darf
Weltweite Rezession
Die Vereinten Nationen sehen schon Zeichen für eine Rezession im Weltmaßstab. Es gebe klare und bereits gegenwärtige Anzeichen dafür, dass das Wachstum der Weltwirtschaft nahezu zum Erliegen komme, heißt es im Jahresbericht der UN zur globalen Wirtschaftsentwicklung. Der Bericht nennt ähnliche Risiken wie der Global Risk Report. „Das weltweite Wachstum wird sich signifikant reduzieren, wenn sich diese Risiken materialisieren und dann wird die Krise an den Immobilien und Hypothekenmärkten deutlich gravierender ausfallen, die zudem von einem schnellen und tiefen Fall des Dollars begleitet wäre.“ Das würde zum Einbruch des weltweiten Wachstums um 1,6 Prozent für 2008 führen.
Dass sich die Märkte auf derlei Gefahren einstellen, kann am hohen Goldpreis festgestellt werden, weil die Anleger in sichere Werte fliehen. Der Goldpreis hat am Wochenbeginn einen neuen Rekord aufgestellt. Die Feinunze (31,10 Gramm) kostete in London 911,10 Dollar. Am Freitag war der Goldpreis erstmals in der Geschichte über die Marke von 900 Dollar geklettert. Silber und Platin werden ebenfalls sehr hoch bewertet. Die Angst der Anleger kann auch bei der Flucht in sicherere Staatsanleihen beobachtet werden.