Die Einheit der Umma gegen die jüdische Weltmacht
Religionskämpfe I: In seiner Eröffnungsrede zum Gipfeltreffen der Islamischen Konferenz schürte Premierminister Mahathir gefährliche Stimmungen, um die Muslime der Welt zu vereinen und sie für wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Fortschritt zu begeistern
Auf dem Gipfeltreffen der Islamischen Konferenz in Malaysia hat Premierminister Mahathir Mohamad wie schon einige Monate zuvor auf der Tagung der Ulama, der Gemeinschaft der Islamgelehrten, die Muslime der Welt dazu aufgerufen, mit Wissen und Waffen, aber nicht mit Terror die alte Größe des Islam wieder her zu stellen (Wissen und Waffen: Wiederherstellung der alten Größe der islamischen Kultur). Dieses Mal aber versuchte er auch die antijüdische Stimmung unter den Muslims anzusprechen und rief zum Kampf gegen die Juden auf, die die Welt beherrschen würden. Manche hohe Offiziere des US-Militärs sehen sich hingegen im Krieg gegen den Terrorismus in der "Armee Gottes" (Im Krieg mit dem Satan).
Mahathir Mohamad, der bald als Premierminister von Malaysia zurück treten wird, hatte sich während seiner Regierungszeit ein ehrgeiziges Ziel gesetzt, nämlich die Nation möglichst schnell vom Entwicklungsland zu einem Industrieland zu machen, das mit an der Spitze der Welt steht. Dabei setzte er vor allem auf die Informationstechnologie und vorbildliche Projekte im Rahmen des 750 Quadratkilometer großen Multimedia-Superkorridors, in dem auch die neue, vollständig glasfaserverkabelte Hauptstadt Putrajaya liegt, wo die Konferenz statt findet.
Mahathir will den Islam mit Wissenschaft und Technik vereinen. Daher wendet er sich gegen die muslimischen Fundamentalisten, die Wissenschaft und Technik ablehnen. Möglicherweise aber ist die von ihm vorgetragene Version des Kulturkampfes aber auch nicht ganz anders als die Vision der extremistischen Muslims, die von der Einrichtung eines Gottesstaates träumen. Er appelliert an den Stolz der Muslims, wenn er sagt, dass sie keine Menschen zweiter Klasse seien, die notwendig hinter der übrigen Welt zurück liegen, aber schürt auch einen die muslimischen Länder übergreifenden Nationalismus, der doch auf Religion basiert.
Die Muslims könnten und müssten aufholen, indem sie die gemachten Fehler analysieren und sich wirtschaftlich und industriell weiter entwickeln. Der Fehler bestünde vor allem darin, die Religion falsch interpretiert zu haben. Aber er betont auch immer wieder, dass jetzt alle Muslims unterdrückt und gedemütigt seien. Ihre Wut darüber würde sie aber nicht zu einer Lösung führen, sondern höchstens zum blinden Zurückschlagen. Die Muslims der Welt müssten zu einer Einheit finden und ihre Länder stabil machen, ordentlich regieren, industrialisieren sowie wirtschaftlich und technisch voranbringen. Das ist möglicherweise alles gedacht, um die muslimischen Länder tatsächlich in die Moderne zu führen, gleichzeitig aber verbindet er diese Vision mit einem Kampf der Kulturen.
Wir brauchen Gewehre und Raketen, Bomben und Militärflugzeuge, Panzer und Kriegsschiffe zu unserer Verteidigung. Aber weil wir entmutigt wurden, von der Wissenschaft und der Mathematik zu lernen, haben wir nicht die Möglichkeit, unsere Waffen für unsere Verteidigung herzustellen.
Um die Muslims auf sein Bild von einem wieder der Wissenschaft aufgeschlossenen Islam einzuschwören, bemüht er sich offenbar, einen gemeinsamen Feind aufzubauen. Das dürfte nach dem von der Bush-Regierung ausgerufenen Krieg gegen den Terrorismus nicht schwer fallen, schließlich geht es hier gegen muslimische Terroristen, wurden zwei muslimische Länder angegriffen und stets Israel bei allen Aktionen der Rücken gedeckt. Die Feinde des Islam, so Mahathir, "greifen uns an und töten uns, sie dringen in unsere Länder und stürzen unsere Regierungen". Und letztlich seien die muslimischen Länder und Menschen dagegen machtlos und müssten alles mit sich geschehen lassen, was die westlichen Regierungen wollen.
Dann aber greift er noch tief in die Verschwörungskiste, wenn er von einer jüdischen Weltherrschaft spricht, gegen die die muslimische Welt bislang machtlos sei. Gerade der Holocaust wird von ihm zynisch als Ursache für die von ihm beschworene Weltherrschaft verantwortlich gemacht.
Die Europäer töteten 6 Millionen von 12 Millionen Juden, aber heute beherrschen die Juden die Welt durch Stellvertreter. Sie bringen die anderen dazu, für sie zu kämpfen und zu sterben. ... 1,3 Milliarden Muslims können nicht von ein paar Millionen Juden besiegt werden. Es muss eine Lösung geben.
Seine Lösung besteht darin, nicht die Muskeln, sondern den Geist zu beanspruchen und letztlich die Juden nachzuahmen, die durch dessen Gebrauch mächtig geworden seien.
Wir stehen einem Volk gegenüber, das denkt. Sie überlebten 2000 Jahre an Pogromen nicht dadurch, dass sie zurück schlugen, sondern dass sie nachdachten. Sie erfanden den Sozialismus, den Kommunismus, die Menschenrechte und die Demokratie, so dass die Verfolgung von ihnen falsch erscheinen musste, so dass die dieselben Rechte wie andere erhielten. Damit haben sie nun die Kontrolle in den mächtigsten Ländern erlangt und sind, als diese winzige Gemeinschaft, zu einer Weltmacht geworden.
Jetzt allerdings seien sie wegen ihrer Macht und ihrem Erfolg hochmütig geworden. Wie wütende Menschen - also die Araber - würden aber auch hochmütige Menschen Fehler begehen, weil sie nicht mehr denken. Die Juden hätten schon Fehler gemacht, die Muslime müssten jetzt die Gelegenheit ergreifen. Matathir bläst nicht zum Angriff, er plädiert, auch im Fall von Palästina, für eine friedliche Lösung. Durch den Kampf habe man in 50 Jahren für Palästina kein Ergebnis erzielt, sondern die Situation nur verschlimmert. Der Koran sage, dass man dann, wenn eine Partei nach Frieden suche, darauf positiv reagieren müsse. Auch wenn der vorgeschlagene "Vertrag" nicht vorteilhaft sei, könne man immer noch verhandeln.
Doch neben der Beschwörung der Einheit der Muslime und der Forderung nach einem Ruck zum wirtschaftlichen und technischen Fortschritt, bleiben die Vorstellungen Mahathirs zweideutig. Und es beunruhigt auch, dass Ausführungen zur politischen Freiheit, zum Verhältnis von Staat und Religion oder zu den Menschenrechten nebensächlich erscheinen. Mahathir behauptet gar, dass neben den Nationalstaaten, die nach dem Kolonialismus entstanden sind, die Einführung der Demokratie die Einheit der Muslims, die Umma, zerstört habe, weil es seitdem unterschiedliche, miteinander konkurrierende Parteien gibt.