Die Erfolgsgeschichte und der Dollar-Opportunist

Präsident Bush verkündet das Ende des Regimes, aber auch nach der Liquidierung der Saddam-Söhne muss der Widerstand gegen die Besatzungsmacht keineswegs beendet sein

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Um den Schwung auszunutzen, der möglicherweise von den getöteten Söhnen Husseins ausgeht, hat US-Präsident Bush die Gunst der Stunde genutzt, um den Irak-Krieg rechtfertigen und die Besatzung wieder einmal als Erfolg darstellen zu können. Damit sei das Ende des Regimes gekommen. Auch der gebeutelte Tony Blair versucht sich über den Erfolg zu retten und preist den "großen Tag für einen neuen Irak" an. Ob es allerdings wirklich der erhoffte "Wendepunkt" ist, muss offen bleiben.

Präsident Bush verkündet das Ende des Regimes, aber lässt auf der Pressekonferenz wie so oft keine Fragen zu

Nachdem nun das Regime von Saddam Hussein für immer verschwunden sei, so US-Präsident Bush, der im Verein mit Verteidigungsminister Rumsfeld, Zivilverwalter Bremer und Stabschef Myers auftrat, versuchen nur noch "ein paar verbleibende Widerstandsnester die Ankunft von Ordnung und Freiheit zu verhindern". Man werde gegen diese Mörder und Feinde des irakischen Volkes weiterhin entschlossen vorgehen und ein freies und souveränes Irak schaffen, das die USA und die Welt nicht mehr mit "illegalen Waffen" bedrohen, kein Trainingsort mehr für Terroristen oder Waffenlieferant an diese sein wird.

Bemerkenswerterweise sprach Bush in diesem Zusammenhang nicht mehr von Massenvernichtungswaffen, nur noch von "illegalen Waffen". Der befreite Irak wird wieder als Beispiel und Vorbild für die ganze Region angepriesen. Die Freiheit ersetze "Hass, Vorurteile und Terror im Nahen Osten", wodurch die USA sicherer würden. Stolz preist Bush auch an, dass bald 13.000 Soldaten von 19 Ländern zur Unterstützung kommen werden, sagt aber lieber nichts davon, auf welche Weise sie kommen und dass viele Versuche gescheitert sind, weitere Hilfe zu erhalten (Das Neue Europa im Neuen Irak). Immerhin verspricht Bush, die Macht "möglichst schnell" an die Iraker zu übergeben, aber das ist ein dehnbarer Begriff und weit entfernt etwa von der Forderung des UN-Generalsekretärs nach einem genauen Zeitplan (Suche nach Hilfe).

Mit der Ernennung des Irakischen Regierungsrates (Mehr als nur ein Symbol des guten Willens?), der auch vom Sicherheitsrat anerkannt werde - hier sprach man von einem "wichtigen Schritt", aber auch von der Notwendigkeit einer gewählten Regierung - habe man einen wichtigen Erfolg erzielt, weswegen nun die "Länder der Erde" endlich "militärische und finanzielle Hilfen" zur Verfügung stellen sollen, um die "Vision" der Resolution 1483 von "einem freien und sicheren Irak" zu erfüllen. Bush will also weiterhin möglichst vermeiden, dass es zu Diskussionen über eine neue Resolution und damit über ein UN-Mandat kommt.

Enthauptung durch eine symbolische Medienaktion muss nicht die Lösung sein

Doch der Erfolg, den Bush schon einmal nach der Verkündigung der Kampfhandlungen für seinen Krieg in Anspruch genommen hat, könnte auch dieses Mal nicht so gut ausfallen, wie man sich das im Weißen Haus wünschen würde. Dort scheint man eher auf medienwirksam spektakuläre oder symbolische Aktionen fixiert zu sein, nicht aber auf langfristig angelegte und überlegte Operationen. Auch wenn Hussein, seine Söhne oder andere hohe Regime-Mitglieder möglicherweise mit viel Geld - angeblich 500 US-Dollar für einen erschossenen US-Soldaten - und verbliebebenen Verbindungen für manche Anschläge und Sabotageakten verantwortlich gewesen sein mögen, so gab es doch auch nicht nur zahlreiche Proteste gegen die Besatzer, sondern auch bewaffneten Widerstand in schiitischen Gebieten. Zudem gibt es noch eine ganze Reihe von Ausländern, die zum Teil schon vor dem Krieg ins Land gekommen sind, um dieses im Sinne des bewaffneten Dschihad gegen die Angreifer zu verteidigen, ohne deswegen Hussein-Anhänger sein zu müssen.

Vom Pentagon gezeigtes Dia

Auch andere, vom Hussein-Regime unterdrückte muslimische Bewegungen könnten, ausgestattet mit reichlich Waffen und getragen von Unmut angesichts der schleppenden Wiederherstellung des gesellschaftlichen Lebens, den einen oder anderen Anschlag ausgeführt haben. Manches rücksichtslose, wenn auch vielleicht aus der Perspektive der nicht gerade als "Peacekeeper" ausgebildeten Soldaten verständliche Verhalten dürfte den Zorn geschürt haben, der vielleicht auch auf nationalistischen Gefühle aufbaut, die so irrational nicht sind, wenn eine Diktatur einer Militärherrschaft einer fremden Macht weicht. Dazu kommen arbeitslose Angehörige der Ba'ath-Partei oder des Militärs, deren Zukunft nicht rosig aussieht. Und vielleicht auch eher jugendliche Abenteuerlust, die sich nun als Befreiungsbewegung maskiert. Schließlich ist in Teilen der arabischen Welt eine Nähe zum Dschihad und ein Antiamerikanismus verbreitet, der neue Nahrung findet, zumal wenn die Anschläge erfolgreich sind und die wegen ihrer technischen Überlegenheit unbezwinglich erscheinenden Amerikaner sich am Boden doch als verletzlich erweisen.

Kurz, nicht nur von wirklichen Anhängern des Hussein-Regimes und der Angst der Menschen vor einer Wiederkehr des grausamen Regimes dürfte die Gefahr ausgehen, selbst wenn in Mossul nach der Tötung der Hussein-Söhne Hunderte oder auch Tausende gegen die Amerikaner demonstriert haben sollen. Wenige dürften den Tod der beiden Brüder beklagen, viele sich freuen, was aber nicht unbedingt schon bedeuten muss, dass dadurch die Besatzungsmacht positiver aufgenommen wird. Vermutlich setzt die Bush-Regierung auf das Modell, auf das sie bereits bei der Bekämpfung von al-Qaida oder zu Beginn des Irak-Krieges gesetzt hatte: Wenn man die Führungsspitze, die die Anhänger manipuliert, ausmerzt oder die Organisation bzw. das Regime "enthauptet", dann bricht auch die Opposition zusammen.

Auf Medienwirkung und symbolische Aktion setzende Politik: Ist der Widerstand verschwunden, wenn alle Bösen des Kartenspiels ausgeschaltet sind?

Aber schon allein der Umstand, dass offenbar viele Iraker den Amerikanern noch keinen Glauben schenken, dass sie wirklich die Saddam-Söhne getötet haben, weist auf ein tiefsitzendes Misstrauen gegenüber der Aufrichtigkeit der Besatzungsmacht hin. Unverständlich ist daher, dass das Pentagon erst einmal keine Bilder der Getöteten zeigen wollte. "Es gibt ein Problem, wenn die Amerikaner Fotos zeigen", sagte General Sanchez ein wenig geheimnisvoll, der aber angeblich einige Journalisten kurz Bilder der Toten zeigte. Vielleicht sind sie aber derart schrecklich zugerichtet, dass man womöglich dann eine negative Reaktion befürchtet. Wolfowitz schob allerdings das herrschende Misstrauen ganz auf das gewohnte Leben unter einer grausamen Diktatur: "Der Grad des Misstrauens und der Paranoia ist unglaublich." Allerdings hat nun Donald Rumsfeld gesagt, dass man doch Fotos der Toten veröffentlichen werde.

Die US-Medien machen aus der Eroberung des Hauses auch eine militärische Erfolgsstory - nach Foxnews "die erfolgreichste amerikanische Operation nach dem Ende der großen Kampfhandlungen", die wie üblich mit einer überwältigenden Übermacht gegen die vier Insassen des Hauses, darunter einem Jugendlichen, vermutlich dem Sohn von Kussei, vorgegangen sind. Detailliert wird berichtet, wie die Soldaten vorgegangen, mit welchen Waffen sie geschossen haben oder welche Flugzeuge eingesetzt wurden.

Der gar nicht so wundersame Verrat

Die Information über den Aufenthaltsort der beiden Saddam-Söhne hatten die Amerikaner vom irakischen Hausbesitzer Nawaf Zaidan Nasiri erhalten. Der ist nicht, wie es anfangs hieß, ein Verwandter Husseins, sondern nur ein ehemaliger Regimemitläufer, dem es damit offenbar gut gegangen ist. Plötzlich seien, so berichtet die Washington Post, die Saddam-Söhne vor einem Monat vor seiner Türe gestanden und hätten gefragt, ob sie bei ihm bleiben könnten. Da sei ihm nichts anderes übrig geblieben, als sie aufzunehmen. Dass gleich Beide - und für so lange Zeit - nichts besseres als einen unsicheren Kandidaten finden konnten, der schon einmal gemaßregelt wurde, weil er sich fälschlicherweise als Verwandter der Husseins ausgab, ist schon seltsam. Nach dem Krieg soll Nawaf schnell die kurdische Flagge gehisst haben, um seine Villa, die er dem Hussein-Regime verdankt, vor Plünderern zu bewahren.

Als Opportunist schildert ein anderer Iraker Nawaf. Und das scheint den Nagel auf den Kopf zu treffen (und wahrscheinlich für viele im Irak zu gelten, wie dies so oft nach dem plötzlichen Sturz eines autoritären Regimes der Fall ist, mit dem sich die Wendehälse zu ihrem Vorteil arrangiert haben, um sich dann schnell den anderen Bedingungen anzupassen). Die Amerikaner haben zwar nicht gesagt, wer den Tipp gegeben hat, aber vermutlich dürfte es Nawaf gewesen sein. Klar scheint zu sein, dass die US-Regierung die ausgesetzte Belohnung von an sich jeweils 15 Millionen US-Dollar an den Informanten auszahlen wird. Das dürfte eine Versuchung zumal für einen Opportunisten sein, der man kaum widerstehen kann. Die Chancen also dürften, wenn das Kopfgeld tatsächlich ausgezahlt wird und es sich bei den Toten tatsächlich um die Saddam-Brüder handelt, groß sein, bald auch Informationen über Saddam Hussein selbst zu erhalten. Auf den wurden sogar 25 Millionen Dollar Kopfgeld ausgesetzt. Allerdings wurden auf Bin Ladin und andere hohe al-Qaida-Mitglieder ebenfalls 25 Millionen ausgesetzt - bislang ohne Erfolg.

Sicherheitshalber wurden die beiden Brüder liquidiert. Die Frage ist, ob überhaupt Interesse bestand, sie lebendig gefangen zu nehmen. Mit ihrem Tod hat sich das US-Militär der Chance beraubt, möglicherweise Informationen über den Aufenthalt von Saddam Hussein und den von Hussein-Treuen organisierten Widerstand zu erhalten. Tot müssen sie freilich auch nicht vor ein Gericht gestellt werden und können auch nicht als Helden gefeiert werden.