Mehr als nur ein Symbol des guten Willens?
Der neu einberufene Verwaltungsrat im Irak
Gestern war das konstituierende Treffen und schon heute sollen die 25 Mitglieder des neuen Verwaltungsrates (new governing council) im Irak konferieren, um einen modus operandi auszuarbeiten. Es soll also jetzt doch nach anfänglichem Zögern zügig vorangehen mit der Demokratisierung im Irak zu Zeiten, in denen die Besatzungsmacht täglich immer neuen Angriffen ausgesetzt ist, die Soldaten müde werden und der US-amerikanischen Führung langsam dämmert, dass sie Verbündete braucht, um Last und Verantwortung abzuwälzen.
Der Verwaltungsrat soll künftige Minister benennen und nötigenfalls abberufen, aber vor allem die "Richtung der Politik" vorgeben. So sollen die 25 Mitglieder den Haushalt für 2004 verabschieden und darüber hinaus Vorläufer einer größeren Versammlung sein, die binnen eines Jahres eine neue Verfassung ausarbeiten soll.
13 Schiiten, 5 Sunniten, 5 Kurden, ein Christ und ein Turkmene, 22 Männer und drei Frauen - "wahrscheinlich die erste repräsentative Regierung in der Geschichte des Irak", so der Guardian - sind nach zwei Monaten zäher Verhandlungen von den Besatzungsmächten dazu bestimmt worden, den ersten Schritt zur Übergabe der Macht von den Alliierten auf das irakische Volk einzuläuten.
Prominente Ratsmitglieder (die vollständige Liste der Mitglieder mit Kurzbeschreibung hier) sind: der Führer des irakischen Nationalkongresses (INC) Ahmed Tschalabi (siehe Wer kommt nach Saddam?), die beiden Kurdenführer Massud Barsani und Dschalal Talabani (siehe Die Stunde der Kurden), der frühere irakische Außenminister Adnan Patschatschi (siehe Iraqi Opposition, go home !) und der SCIRI-Führer Abdel Asis Hakim (siehe Die Mullahs und das Bündnis mit dem Satan).
Hakim und Tschalabi repräsentieren die gegensätzliche Pole im Rat am deutlichsten: Während Asis al-Hakim die Amerikaner als Besatzer bezeichnet und bei seiner Forderung bleibt, dass die Truppen das Land möglichst bald verlassen, sieht Tschalabi die Amerikaner, mit deren Unterstützung der Exiliraker ins Land zurückgekommen war, als Befreier.
Für Hakim ist die Einberufung des Verwaltungsrates auch nur ein erster Schritt, die Macht des Rates zu beschränkt. Auch wenn der Sprecher des Rates, der schiitische Kleriker Muhammed Bahr Al-Ulum, der als gemäßigt gilt demgegenüber insistierte, dass dem Rat "echte Macht und eine enorme Verantwortung" zugeteilt worden sei - das letzte Wort haben nach wie vor Bremer und seine provisorische Regierung, die "Coalition Provisional Authority" (CPA); sie kann gegen jede Entscheidung des Rates ein Veto einlegen.
Als erste Amtshandlung beschloss der neue Rat die Einführung eines neuen Feiertags: der 9.April, Tag der Befreiung des Irak, soll ein nationaler Gedenktag werden.
Washington hofft, dass die Angriffe auf die amerikanischen Truppen vor allem im schiitischen Zentralirak nachlassen werden, wenn die Iraker "spüren", dass die Alliierten dazu bereit sind, die Führung des Landes auf irakische Führer zu übertragen.
Die Skepsis gegen Motive und Art der derzeitigen Verwaltungsregierung unter Bremer in der irakischen Bevölkerung ist allerdings groß. Dass es den Amerikanern nicht gelungen ist, Sicherheit und notwendige Versorgung der Bevölkerung mit Strom und Wasser zu garantieren, nährt die Zweifel. Es wird für die USA und neuen irakischen Verwaltungsrat nicht leicht sein, sich gegen den oft geäußerten Verdacht zu behaupten, dass es sich hier nur um eine von den Besatzungsmächten eingesetzte Marionettenregierung handelt.
Obendrein haben die beiden Saddam Hussein Tonbänder, die letzte Woche ausgestrahlt und vom CIA mit der üblichen Vorsicht als "wahrscheinlich authentisch" bezeichnet wurden, die Unsicherheit in der Bevölkerung und in der US-Administration verstärkt.
Die Besatzungstruppen gehen derzeit mit Großrazzien, Code-Name: "Operation Ivy serpent", gegen Baathisten und Fedajinkämpfer in Städten nördlich von Bagdad vor. Geheimdienste, so die BBC, warnen seit einiger Zeit vor weiteren Anschlägen, die für den 16.Juli, dem Jahrestag der Machtübernahme Saddam Husseins (1979), und dem 17.Juli, dem Jahrestag der baathistischen Revolution (1968), angekündigt wurden (Nach dem schnellen Erfolg beginnen die Schwierigkeiten).