Die Freiheit Deutschlands in der Sahelzone verteidigen?
In Frankreich spricht der Chef des Generalstabes von einem Krieg, der im Süden Libyens nötig sein könnte. In Deutschland mahnen der Außenminister und die Verteidigungsministerin zu "mehr Verantwortung" und meinen Militäreinsätze in Afrika
Geht es nach dem aktuellen ARD-DeutschlandTrend, so ist die Haltung der Bevölkerung mehrheitlich deutlich gegen eine Politik ausgerichtet, die mehr Bundeswehr-Auslandseinsätze fordert. 61 Prozent der Befragten sprachen sich demnach gegen einen Ausbau solcher Einsätze in internationalen Krisengebieten aus. Nur 30 Prozent, so die Umfrage, würden das "Vorhaben" der Verteidigungsministerin von der Leyen befürworten.
Der zentrale rhetorische Begriff zum Vorhaben lautet "Verantwortung". Dem Fernsehsender gegenüber erklärte sie kürzlich, wie eine selbstbewusste Sicherheitspolitik aussieht:
Ich finde wichtig, dass Deutschland innerhalb unserer Bündnisse - das heißt innerhalb des europäischen Bündnisses und innerhalb der NATO - mehr Verantwortung übernimmt.
Die Bundeswehr wird neu ausgerichtet, nicht nur des besseren Images wegen, um den Soldatenberuf attraktiver zu machen (Es geht doch nicht um harte Typen, die schießen und mit dem Panzer fahren), sondern außenpolitisch. Sowohl die Verteidigungsministerin wie der Außenminister meinen mit "mehr Verantwortung" eine aktivere Rolle des deutschen Militärs.
Steinmeier ändert die Grundlinie, wie er in einem Interviewerläutert:
Es wird zu Recht von uns erwartet, dass wir uns einmischen.
Man könne nicht länger erwarten, dass die Amerikaner die Konflikte für uns richten, sagte der Außenminister der SZ im Vorfeld der heute in München beginnenden Sicherheitskonferenz. Amerika könne und wolle nicht mehr überall sein, das verlagere die Verantwortung für Sicherheit in Europa. Für den Einsatz von Militär bedeute das, dass man neu darüber nachdenken müsse, den "Instrumentenkasten von Diplomatie" angemessen auszustatten und einzusetzen.
Ein stärkeres Engagement in Afrika
Konkret haben beide Politiker, wenn sie von mehr Verantwortung sprechen, ein stärkeres Engagement in Afrika vor Augen. Der Fokus liegt darauf, die französischen Einsätze zu unterstützen, im Rahmen von EU-Missionen. Europa könne Frankreich bei seinen "Bemühungen um Frieden in Mali und der Zentralafrikanischen Republik nicht alleine lassen", wird Steinmeier zitiert.
Aber auch von Libyen ist die Rede, worauf Steinmeier im Interview mit der SZ besonders eingeht:
Wie es mit Libyen weitergeht, hat große Auswirkungen auf ganz Nordafrika, übrigens auch auf uns in Europa. Waffen aus Libyen schaffen auch große Destabilisierungsgefahren für das Nachbarland Tunesien, das mutig um seine demokratische Zukunft ringt. Was tun wir? Wollen wir in Libyen Waffenlager räumen, sichern oder vernichten? Wie geht das am besten? Wie und mit wem können wir Informationsgewinnung, technischen Sachverstand und politische Kontakte nach Tripolis so bündeln, dass das auch funktioniert.
In Frankreich spricht der Chef des Generalstabes, Edouard Guillaud, vor Fachjournalisten bereits davon, dass in Libyen möglicherweise ein neuer Krieg nötig ist, "im Rahmen einer internationalen Operation in Abstimmung mit der libyschen Regierung". Die Situation im Süden des Landes sei alarmierend, Guillaud bezeichnete die Region als "neuen Schwerpunkt des Terrorismus". Auch in Mali geht es bekanntlich um den Kampf gegen Terrorismus, die Erfolgsbilanz bisher ist nicht eindeutig, der Konflikt dauert an, ein konkretes Ende ist nicht in Sicht.
Erfolgsaussichten?
Wird die Freiheit Deutschlands künftig an der Sahelzone verteidigt (vgl. "Die Sicherheit Deutschlands wird auch am Hindukusch verteidigt")? Im Gegensatz zum Einsatz am Hindukush haben es die Regierungspolitiker diesmal leichter der Bevölkerung zu erklären, weshalb: Es geht schließlich auch um die Flüchtlinge, die aus Afrika nach Europa wollen. Die Tragödie von Lampedusa ist vielen nahegegangen.
Die Skepis ist groß, dass die europäischen Einsätze in Afrika dazu da sind, die Abwehr gegen Flüchtlinge möglichst weit außerhalb von Europa zu verlagern, was sich in der Grenzpolitik schon längst zeigt. Was den Kampf gegen Terroristen betrifft, so sind die Ergebnisse der großen Militäreinsätze der letzten Jahre, in Afghanistan und im Irak, als Misserfolge zu bewerten, wie sich auch an dem Konflikt in Syrien zeigt. Besonders skeptisch stimmt, dass über die militärischen Vorgänge etwa in Mali kaum etwas an die Öffentlichkeit dringt.
Das hängt zu einen damit zusammen, dass sich die Öffentlichkeit selbst in Frankreich anscheinend wenig dafür interessiert, was in Afrika genau passiert, zum anderen vor allem damit, dass es der Militärführung in Frankreich offensichtlich gelungen ist, die Operationen hinter einer Art Tarnvorhang zu halten. Ob sich das ändert, wenn sich Deutschland zu "mehr Verantwortung" bekennt?