Die Geld-weg-Karte

Die erste sinnvolle Anwendung der Geldkarte erweist sich als echte Geld-Killer-Applikation

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Wie oft ist schon Münzgeld im Automaten penetrant immer wieder durchgefallen oder gar stecken geblieben? Ärgerlich, wenn man es eilig hat, weil man beispielsweise zum Zug will. Wie gut, dass man es mit dem Chip der Geldkarte nun immer passend parat hat...oder etwa doch nicht?

Wer kennt es nicht: Die Bahn rauscht schon in die Station - und die Fahrkarte muss noch gekauft werden! 8 Euro 90 ... und genau das letzte 10-Cent-Stück fällt immer wieder durch. Dann schaltet der Automat auch noch nach 2 Minuten ab und das Geld poltert aus dem nicht richtig schließenden Rückgabefach auf den Bahnsteig.

Großer Fortschritt: Automaten, die auch Geldscheine nehmen - wenn sie gerade in der Laune sind, welche zu nehmen, versteht sich. Es gibt vier Möglichkeiten, den Schein einzulegen - die Richtige ist zwar auf dem Automaten aufgedruckt, aber wer schaut da in der Eile schon hin. Dann gibt es Knitterfalten und andere Hindernisse - und manchmal fehlt es dem Automaten auch am Wechselgeld.

Doch die Bundesbahn geht mit der Zeit - die Automaten sind nun auch bargeldlos mit der EC-Card zu füttern. Wahlweise über den Magnetstreifen oder den seit 1996 existenten Geldkartenchip. Theoretisch, denn in der Praxis ist die Abbuchung über Konto und Magnetstreifen stets "zur Zeit nicht möglich" - bleibt also nur der Chip.

"Na immerhin endlich eine sinnvolle Verwendung dieses teuren Elektronikschrotts", denkt sich der Bankkunde, denn allein in den letzten zwei Jahren bekam er insgesamt fünf neue EC-Cards, weil die alte im Automaten kaputt ging, zum Jahreswechsel ablief, die Bank den Namen und deshalb das Corporate Design der Karten wechselte und schließlich gar die Geheimnummer angeblich nicht sicher genug war ("es gab zu viele Geheimnummern mit den Ziffern 1,2 oder 3" - komisch, keine davon kam in der alten, unsicheren Geheimnummer vor - die neue, sichere enthält dagegen ausschließlich diese drei unerwünschten Ziffern...). Also der erste der vielen Miniaturhalbleiter, der einer sinnvollen Verwendung zugeführt werden kann.

Der Chip ist jedoch nicht sicherer als Bargeld. Wer die EC-Karte klaut, hat auch das Geld auf der Geldkarte zur freien Verfügung. Außerdem ist es bei Ausfall oder Zerstörung des Chips erst mal weg. Den Maximalbetrag von 200 Euro dürften deshalb nur Spielernaturen auf die Geldkarte laden, auch wenn auf einem Schattenkonto nachweisbar ist, was auf einer zerstörten Karte noch gespeichert war.

Frigide Automaten gibt es auch im bargeldlosem Verkehr

Mit der frisch befüllten Geldkarte am Fahrkartenautomaten bleibt alles beim Alten: Der Chip kann ebenfalls auf vier Arten eingeführt werden, von denen drei falsch sind - es ist nur etwas offensichtlicher. Und der Automat nimmt auch die Geldkarte nur unwillig - mitunter hat er seine Tage und der Kartenschlitz wird unsichtbar verriegelt, sodass die Karte sich gar nicht richtig einschieben lässt, wobei der Kunde außer dem nicht angezeigten EC-Symbol auf dem Automatendisplay keinen Hinweis bekommt. Und oft - vor allem bei kaltem Wetter - lässt der Automat den Chip zwar an sich ran, will ihn aber nicht lesen. Drei Versuche hat man, dann wird der Fahrkartenwunsch annulliert und man kann mit dem Spielchen von vorne anfangen.

Einen Unterschied gibt es jedoch: Wenn ein Geldschein oder eine Münze im Automat verschwindet, aber keine Fahrkarte erscheint, so fällt dies jedem auf. Geld von der Geldkarte verschwindet dagegen lautlos.

So geschehen beim üblichen Morgenspielchen: Fahrkarte wählen, Rückfahrt und Bahncard wählen, EC-Karte einschieben: Lesefehler. EC-Karte raus, langsamer einschieben - es klappt. Zahlung mit Chip wählen, "46 Euro Guthaben" ... doch da: eine neue Meldung: "Ihre Karte hat einen Chipfehler - bitte kontaktieren Sie Ihr Bankinstitut."

Hmpf .. ok, einen Versuch haben wir ja noch - Karte heraus und gaaanz langsam mit viel Gefühl wieder einschieben. Klappt. Zahlung mit Chip wählen: "37 Euro Guthaben - neues Guthaben 28 Euro", blitzt für eine Sekunde auf und dann: "Ihre Fahrkarte wird gedruckt."

Hoppla, neun Euro sind also unsichtbar im Automaten verschwunden, der erst abbucht und dann wegen angeblichem Chipfehler doch keine Fahrkarte lieferte. Die Bank konstatierte einen einwandfreien Chip. Bei der Bahn versprach man nach dem Ausfüllen eines Formulars inklusive An- und Unterschrift die Überweisung des vom Chip verschwundenen Betrags - nachweisen lässt der Vorfall sich im Gegensatz zu einem im Automaten verklemmten Eurostück ja nicht so ohne weiteres. Und wäre der Autor nicht so stur gewesen, es nach der Defektmeldung noch ein drittes Mal zu probieren und in der richtigen Sekunde aufs Display zu sehen, hätte er das Geld auch nicht vermisst. Ja, es gibt Taschen-Geldkartenleser - aber wer hat die schon immer dabei. Zudem sind alle drei vorhandenen Kartenleser seit der Euro-Umstellung ebenso Sondermüll wie die alten EC-Karten. Scheine sind wohl doch einfacher zu zählen...