Die Illusion von einer De-Globalisierung der Halbleiterproduktion zerbröselt

Seite 2: Die Errichtung einer europäischen Halbleiterfertigung kostet beachtliche Summen

Aus der Angst, nach der Abhängigkeit von russischen Energieträgern bald einer Abhängigkeit von chinesischen Halbleitern gegenüberzustehen, haben sowohl die USA als auch die EU Maßnahmen geplant oder schon umgesetzt, um einerseits eine Abhängigkeit bei der Produktion zu verhindern und andererseits es China zu verunmöglichen, mit aktueller Fertigungstechnologie in kleinsten Strukturgrößen aufzuschließen.

Dass Anlagenherstellern wie der niederländischen ASML nun der chinesische Markt nicht nur für die aktuelle Technik, sondern auch für ältere Fertigungstechnologien versperrt werden soll, wird den Absatzmarkt für europäische Technik einengen und China in seiner Entwicklung nur für etwa fünf Jahre zurückwerfen.

Die EU will im Bereich der Halbleiter weniger mit eigenen Sanktionen arbeiten, sondern Anstrengungen unternehmen, wieder mehr Fertigungskapazitäten innerhalb der EU bereitzustellen. Wie herausfordernd das ist, sieht man, wenn man berücksichtigt, dass der weltweite Halbleitermarkt jährlich um ca. 7–8 Prozent wächst und im Bereich der Elektromobilität sogar von einem Wachstum in Höhe von 25 Prozent pro Jahr auszugehen ist.

Wie rasant die Entwicklung verlaufen ist, sieht man an der Tatsache, dass Europa zur Jahrtausendwende fast 25 Prozent der weltweiten Chips produziert hatte und heute über alle Strukturgrößen nur noch auf einen Fertigungsanteil von 8 Prozent kommt.

Die Angst vor einer Chip-Abhängigkeit von China sollte nicht übersehen, dass heute zwar fast jeder vierte Chip in der Volksrepublik produziert wird, aber nur 5 Prozent der Fertigungskapazität chinesischen Firmen gehört. Fünfzig Prozent der weltweiten Produktion erfolgt durch bzw. im Auftrag von US-Halbleiter-Unternehmen.

Die Europäische Union hat sich mit dem europäischen Chip-Gesetz das politische Ziel gesetzt, den Anteil Europas an der weltweiten Chipproduktion von unter 10 auf 20 Prozent zu steigern. Dafür will man 43 Milliarden Euro an öffentlichen und privaten Investitionen mobilisieren, was jedoch nicht gleichzusetzen ist mit einem entsprechenden zusätzlichen Fördervolumen, sondern eher mit einer Umschichtung.

Zudem stellt sich die Frage, ob damit die europäische Industrie gefördert wird oder eher die US-Hersteller.

Die Milliarden dürften vor allem die ausländischen Chip-Giganten anlocken, in Europa zu produzieren. So plant Intel den Bau von zwei Fabriken in Europa für 20 Milliarden Dollar, falls die Konditionen stimmen. Soll heißen: Falls genügend Subventionen fließen. Denn der Bau von Chipfabriken in Europa ist bislang 30 bis 40 Prozent teurer als in Asien, sagt Intel-Chef Pat Gelsinger.

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Europa steht hier nicht nur im Subventionswettbewerb mit den USA, die mit dem "Chips for America Act" deutlich größere Summen für den Ausbau der Halbleiterfertigung zur Verfügung stellen als die EU, sondern hinsichtlich der Fördervolumina auch im Wettstreit mit der Volksrepublik China und Südkorea.

China stellt für die nächsten Jahre über eine Billion Dollar in Förderprogramme für Technologien im Bereich der Halbleiterindustrie zur Verfügung und Südkorea bietet bis 2030 den Chipbauern steuerliche Anreize von 450 Milliarden Dollar.

Die geplanten EU-Fördersummen zeigen sich im globalen Zusammenhang eher unscheinbar. Zudem fördern die Wettbewerber nicht nur die Ansiedlung von Arbeitsschritten, sondern auch den laufenden Betrieb.

Was bei dem Vorgehen der EU außerdem unberücksichtigt bleibt, ist die Tatsache, dass es für viele Halbleiter in Europa gar nicht genug Anwender gibt, die diese Produkte verbauen könnten.

Die weltweite Spezialisierung auf einzelne Arbeitsschritte wird sich jetzt auch mit der Brüsseler Idee von einer Europäisierung der Halbleiterproduktion nicht aufheben lassen.