Die Insektenroboter kommen …
Während die Arbeit an der Fabrikation von einsatzfähigen und fernsteuerbaren Cyborg-Insekten noch ziemlich am Anfang steht, beginnen die ersten Roboterdrohnen in Insektengröße schon zu fliegen
Das Pentagon allein verfügt bereits über 100 verschiedene unbemannte oder Roboterflugzeuge, deren Größe zwischen der eines normalen Flugzeugs bis zu der von kleinen Vögeln reicht. Emsig wird auch in anderen Ländern an der Fortentwicklung von Drohnen oder anderen Robotern gearbeitet, die ferngesteuert oder autonom, einzeln oder in Schwärmen ihrer Aufklärungs-, aber mehr und mehr auch Tötungsarbeit nachgehen. Eingesetzt werden sie in Konfliktgebieten, aber auch dort werden bereits so viele verwendet, dass der Luftraum wie gegenwärtig etwa im Irak unübersichtlich und gefährlich zu werden droht, zumal große Drohnen wie die Predator immer einmal auch wieder abstürzen.
Der nächste Schritt ist für das Militär und die Sicherheitsbehörden wie das US-Heimatschutzministerium die Entwicklung von Roboterflugzeugen in Insektengröße. Daran wird mit viel Geld gearbeitet, unbekannt ist, wie weit die Forschung schon gediehen ist. Die Washington Post berichtet, dass Menschen glauben, sie hätten bei Demonstrationen in Washington oder New York bereits Drohnen in der Form von winzigen Hubschraubern oder Libellen gesichtet. Aber das ist wahrscheinlich (noch) nur Ausdruck einer Paranoia, die dem gegenwärtigen Angst- und Sicherheitsdiskurs und dem Schwall an neuen Überwachungstechniken entspricht, die über die Gesellschaften hereinbrechen.
Allerdings hatte die CIA bereits vor 30 Jahren einen Hubschrauber in Insektengröße entwickelt. Der einer Libelle nachgebaute Insectothopter schlug mit den Flügeln und konnte auch fliegen, aber es haperte mit der Steuerung. Gleichwohl demonstrierte er schon 30 Jahren, dass der Bau von winzigen Drohnen, mit denen sich Personen heimlich beobachten und selbst in Gebäuden verfolgen ließen, prinzipiell machbar sind. Die CIA und andere Sicherheitsbehörden gaben der New York Times aber keine Auskunft darüber, wie es derzeit um die Entwicklung oder gar die Existenz von Insektendrohnen steht. Nur das FBI teilte mit, nichts Derartiges zu besitzen.
Bekannt ist, dass die Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA), die Forschungsbehörde des Pentagon, immer wieder Projekte gefördert hat, um fernsteuerbare Insektencyborgs mit implantierten mikroelektromechanischen Systemen (MEMS) zu entwickeln. Es wurden zwar bereits Ratten oder Küchenschaben mit elektronischen Schnittstellen ausgestattet, aber diese waren zu schwer und zu groß, die Tiere meist nach den Operationen auch zu geschwächt, um eingesetzt werden zu können. Im Augenblick wird gerade das Projekt Hybrid-Insect MEMS. In der Ausschreibung hieß es letzten Jahr, dass man an innovativen Konzepten für fest integrierte "bio-elektromechanischen Schnittstellen" zur motorischen Fernlenkung interessiert ist.
Gesucht wird nach einer Möglichkeit, Chips bereits in der Larven- oder Puppenphase zu implantieren, so dass die Schnittstelle bei den ausgewachsenen Insekten eingewachsen ist. Nach der Realisierung einer solchen Insektencyborg-Plattform müssen diese mit weiteren Sensoren wie Mikrofonen oder Kameras ausgestattet werden. Wie die Bewegungssteuerung funktionieren soll, ließ man offen. Denkbar wäre eine elektrische Stimulation der Muskeln oder von Neuronen, die Verwendung von Pheromonen, eine elektromechanische Stimulation der sensorischen Zellen oder auch visuelle Stimuli. Ziel des Forschungsprojekts ist, dass ein solches Insektencyborg fliegend, hüpfend oder schwimmend mehrere hundert Meter entferntes Ziel über Fernsteuerung oder GPS-basierte Steuerung bis mindestens in einen Umkreis von 5 m erreicht und Informationen, die von den mitgeführten Sensoren aufgenommen werden, zurück sendet.
Forschungsaufträge wurden an die University of Michigan, das MIT und das Boyce Thompson Institute vergeben. "Michigan konzentriert sich auf gehörnte Käfer, während das MIT und Boyce Thompson mit großen Motten arbeiten", berichtet Jan Walker, der Sprecher von Darpa. Schon im Januar 2008 ist der Abschluss der ersten Phase vorgesehen, bei der kontrollierte Flüge der Insekten demonstriert werden sollen. Bislang haben die Teams offenbar erfolgreich MEMS-Chips in Puppen implantieren können, so dass sie sich bei den ausgewachsenen Tieren fest im Körper befinden. Das ist zwar ein wichtiger, aber nur ein erster Schritt.
Schwieriger ist nun, die weiteren Teile wie Sensoren, Muskelstimulatoren und einen Transceiver zu integrieren. Aber es geht auch darum, die Chips möglichst leicht zu machen und es zu erreichen, dass sie an der richtigen Stelle einwachsen. Zudem muss dafür gesorgt werden, dass genügend Strom für alle Geräte durch die Bewegung der Insekten generiert wird. Es dürfte also noch einige Zeit dauern, bis Insektenschwärme die Umgebung auskundschaften oder Menschen ausspionieren werden. Der Traum der Darpa freilich ist, wie R. Colin Johnson in der EETimes schreibt, dass die Insektencyborgs auch chemische Substanzen mit sich führen können. So könnte man Bienen oder Wespen auch zu Waffen machen, wenn bei einem Stich Gift oder Betäubungsmittel verabreicht werden könnten. Und letztendliche träume man davon, irgendwann die Insekten so zu "hacken", dass man keine Kameras und Mikrofone mehr benötigt, sondern durch die Insektenaugen schauen kann. Das könnte allerdings schwierig werden, wenn man die Bilder der Facettenaugen in Bilder übersetzen muss, die Menschen lesen können.
Im Gegensatz zu den Insektencyborgs geht die Entwicklung von Mini-Roboterdrohnen rasant voran. Das Team von Robert Wood von der Harvard University hat kürzlich eine 60 Milligramm wiegende Minidrohne in der Größe einer Fliege mit einer Flügelspannweite von nur 3 cm vorgestellt, die auch ihre ersten Flugversuche hinter sich gebracht hat. Auch dieses Projekt wird von der Darpa gefördert. Ebenfalls mit Darpa-Geldern entwickelt Lockheed den Prototypen eines Nano Air Vehicle (Bitte noch kleiner!). In Form eines Ahornsamens, der mit seinem Blatt als Flügel langsam zum Boden rotiert, soll das maximal 8 Gramm schwere NAV, das eine Ladung mit zusätzlich 2 Gramm transportieren soll, beim Fliegen, angetrieben von einem winzigen Raketentriebwerk, rotieren, dabei eine Geschwindigkeit bis zu 10 m/s erreichen und eine Entfernung bis zu 1000 m zurücklegen. Eine Kamera im Flügel sendet in Echtzeit Bilder zurück, die trotz der Rotationsbewegung stabil die nach vorne gerichtete Perspektive zeigen. Gedacht ist daran, solche NAVs, wenn sie ausgereift sind, in Schwärmen fliegen zu lassen.
Auf der Konferenz über fliegende Insekten und Roboter, die im August im schweizerischen Monte Verita stattfand, wurden weitere Entwicklungen präsentiert. Zum Beispiel der autonom fliegende Quadrocopter vom Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik, der mit den Flügeln schlagende DelFly II von David Lentink, oder die grazile, insektenähnliche Mikrodrohne von Y. Kawamura. Sie hat ein Gewicht von 2,3 Gramm, vier Flügel und eine Spannweite von 10 cm. Mikro-Drohnen werden auch mit einer anderen Stromversorgung als mit Batterien entwickelt. Der von Robert Michelson am Georgia Tech Research Institute gebaute Entomopter beispielsweise erzeugt den Strom für den Flügelschlag aus einer chemischen Quelle.
Vermutlich dürften solche Mini-Drohnen in Insektengrößen noch nicht einsatzreif sein. Unter realen Bedingungen im Außenbereich gäbe es für die Winzlinge wohl auch große Probleme. Man muss ja nicht gleich daran denken, dass sie zur Beute von Vögeln werden könnten. Es würden schon leichte Winde reichen, um sie aus der Bahn zu werden oder abstürzen zu lassen. Auch Regen dürfte ungünstig sein. Wenn also nicht gerade windstilles und schönes Wetter herrscht, werden auch Kriegsgegner oder andere Demonstranten in den USA mit anderen Mitteln beobachtet oder auch belauscht werden. Sicherheitshalber aber überprüft Bürgerrechtsgruppe Partnership for Civil Justice schon einmal Zeugenberichte und hat Gesuche im Rahmen des Informationsfreiheitsgesetzes bei verschiedenen Behörden eingereicht, wie Mara Verheyden-Hilliard der Washington Post berichtete, um herauszufinden, ob solche Mittel schon benutzt worden sind. Ronald Fearing, Robotikprofessor an der Universität Berkeley und einer der führenden Forscher im Bereich der Mikrorobotik, sieht noch viel Arbeit vor sich und rät zur Gelassenheit: "Ich will nicht, dass die Menschen paranoid werden, aber was kann ich sagen? Handykameras sind heute bereits überall da und es macht keinen so großen Unterschied."
I