Die Kernspintomografie ist 30 Jahre alt

Alternative zum Röntgen für Ganzkörperuntersuchungen

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Kernspin- oder Magnetresonanz-Tomografen gelten heute als das Nonplusultra in der medizinischen Diagnostik, die Geräte und damit die Untersuchungen haben noch ihren Preis, doch die Strahlenbelastung des Durchleuchtens mit Röntgenstrahlen entfällt, innere Organe sind deutlicher zu erkennen und es sind 3D-Bilder möglich.

Die entscheidenden Grundlagen der Kernspintomografie lieferte der Amerikaner Paul Lauterbur bereits vor 30 Jahren, 2003 erhielt er dafür zusammen mit Sir Peter Mansfield aus England den Medizin-Nobelpreis. Doch oft vergehen Jahrzehnte, bis wegweisende wissenschaftliche Erkenntnisse in nutzbare Produkte umgesetzt sind: Der erste Prototyp entstand bei Philips erst fünf Jahre später vor 25 Jahren und weitere fünf Jahre später waren die ersten Seriengeräte für den klinischen Einsatz verfügbar.

Eines der ersten Geräte von 1983, der Gyroscan R. (Bild: Philips)

Anfangs war die Untersuchung im Kernspin-Tomografen sehr beklemmend: Man wurde von dem Gerät umgeben und hatte das Gefühl, in einen Sarg einzufahren, außerdem war für bessere Bildqualität bei bestimmten Messungen, speziell am Herzen, 20 bis 30 Sekunden lang die Luft anzuhalten wie bei Röntgenaufnahmen, was aber eben durch die Beengtheit und die Zeitdauer als deutlich unangenehmer empfunden wird als bei der Röntgenaufnahme, bei der man normal stehen kann und die nur etwa eine Sekunde belichtet wird. Die ersten Prototypen hatten sogar noch Messzeiten von mehreren Stunden. Heute können jedoch auch bewegte Organe wie das Herz bei freier Atmung untersucht werden und die Geräte umschließen den Patienten nicht mehr komplett.

"Einsargen" ist heute nicht mehr notwendig

Die Kernspin-Tomografie bietet ohne Strahlenbelastung einen Blick ins Körperinnere. Die per Magnet-Resonanz erzeugten dreidimensionalen Bilder machen krankhafte Veränderungen wie Tumore schon in einem sehr frühen Stadium klar sichtbar – in der Regel besser als mit allen anderen Untersuchungsverfahren. Die Magnetresonanz-Tomografie hilft auch bei der Planung von Tumoroperationen und lässt erkennen, wo im Gehirn das Sprachzentrum liegt oder ob die Herzkranzgefäße verengt sind.

Die Wurzeln der Kernspin-Tomografie reichen zurück bis in die 40er Jahre. Damals wurde bereits experimentell nachgewiesen, dass sich Elektronen- und Kernspins in einem Magnetfeld neu orientieren und dass man mit Hilfe eines künstlich erzeugten Hochfrequenzfeldes einen Resonanzeffekt erzielen kann, die so genannte Kernspinresonanz, wissenschaftlich exakt "Nuclear Magnetic Resonance" (NMR).

Von praktischen Anwendungen in der Medizin war man allerdings noch weit entfernt. Erst in den sechziger Jahren erkannten Wissenschaftler, dass die NMR sich dazu eignet, Strukturen von organischen Molekülen aufzuklären. Das wies den Weg, Kernspin auch für die biochemische Charakterisierung von Gewebe und damit für die medizinische Diagnostik zu nutzen. Den entscheidenden Durchbruch erzielte Anfang der siebziger Jahre dann der bereits erwähnte amerikanische Chemiker Paul Lauterbur.

Wie funktioniert ein Kernspin-Tomograf?

Er nutzt den Umstand, dass viele Atomkerne, so auch die zahlreichen Wasserstoff-Kerne im menschlichen Körper, gewissermaßen winzige Magneten darstellen. Der Tomograf erzeugt nun um den Körper ein hohes magnetisches Feld, in dem sich die Miniatur-Magneten wie Kompassnadeln ausrichten – und zwar umso mehr, je stärker das äußere Magnetfeld ist. Mit einem Radiowellen-Impuls im UKW-Bereich werden die "Kompassnadeln" in Bewegung gesetzt und aus ihrer Position gebracht. Wird der Radiowellen-Impuls abgeschaltet, richten sie sich wieder mit dem Magnetfeld aus.

Bei dieser Umorientierung, die stoff- bzw. gewebsspezifisch ist, strahlen die Atomkerne eine Art Echosignal aus. Dies wird von den sensiblen Hochfrequenzempfängern des Tomografen gemessen und aus den Messdaten kann nun ein dreidimensionales Bild des Körperinneren rekonstruiert werden. Je höher das äußere Magnetfeld, desto genauer die Messdaten. Die supraleitenden Magnetspulen der neuesten Tomographen können ein Feld von bis zu sieben Tesla erzeugen. Tesla ist eine Maßeinheit für die magnetische Feldstärke, die nach dem Erfinder des Wechselstromsystems, des Physikers Nikola Tesla, benannt ist.

Dem Chemiker Paul Lauterbur gebührt der Verdienst, als erster Wissenschaftler mit Hilfe der Magnet-Resonanz dreidimensionale Informationen erzeugt zu haben. Das gelang ihm mit dem Konzept des "Feldgradienten", einer Verknüpfung von Resonanzfrequenz und Magnetflussdichte, sowie zeitlich versetzten Schaltungen und Messungen in wechselnden Richtungen – zunächst aus dem Inneren einer Paprika, dann aus dem Körper einer Maus.

Wenig später entwickelten seine Mitarbeiter ein einfaches Verfahren, mit dem die Messdaten in ein zeilenweise aufgebautes Bild transformiert werden konnten. Das war das Startsignal, das die Magnet-Resonanz auch für die industrielle Forschung interessant machte.

Neue Anwendungen

Eine der ersten Kliniken, die ein Gerät mit einer Magnetflussdichte von drei Tesla (statt der bislang verbreiteten 1,5 Tesla) in Betrieb genommen haben, ist die Radiologische Klinik der Universität Bonn. Dort erhofft man sich nicht nur die Verbesserung bestehender Untersuchungstechniken, sondern auch die Realisierung fundamental neuer diagnostischer Ansätze. Das gilt für den klinischen Bereich wie die Früherkennung von Krebserkrankungen, eines drohenden Herzinfarktes oder von neurologischen Erkrankungen wie Schlaganfall oder Multipler Sklerose. Es betrifft aber auch die medizinische Grundlagenforschung, etwa die Untersuchung der Funktionsweise des Gehirns zur Verbesserung der Epilepsie- und Schlaganfallbehandlung.

Ein weiterer wesentlicher Forschungsbereich, der mit der neuen Technologie erstmals zugänglich wird, ist das "Molecular Imaging". Dabei markieren die Wissenschaftler pharmakologisch wirksame Moleküle und verfolgen ihre Verteilung direkt im lebenden Organismus, also nicht nur wie bisher in Zellkulturen. Wichtig sind derartige Methoden beispielsweise für die Stammzellforschung, da die Forscher so kontrollieren können, ob die implantierten Stammzellen auch wirklich in das gewünschte Gewebe einwandern und dort gegebenenfalls kranke Zellen ersetzen. Das nur mit Hochfeld-Magnetresonanz-Systemen mögliche "Molecular Imaging" kann somit dazu beitragen, die klinische Anwendung der Gentherapie sicherer zu machen und eine Gefährdung oder unnötige Belastung von Patienten zu vermeiden.

Moderner MR-Tomograph Achieva, Baujahr 2003 (Bild: Philips).

Die Anwendungsbereiche für Kernspin- und Magnetresonanz-Untersuchungen sind in den letzten Jahren immer größer geworden. Ganz oben auf der Indikationsliste stehen Untersuchungen des Gehirns. Auch aus der Orthopädie ist diese Diagnose-Technik heute nicht mehr wegzudenken. Zunehmende Bedeutung gewinnen Untersuchungen des Bauchraumes mit hochauflösenden Darstellungen wie zum Beispiel von Leber, Gallenwegen, Bauchspeicheldrüse oder Nieren. Auch in der Kardiologie und bei der Darstellung des arteriellen Gefäßsystems hat die Methode inzwischen ihren festen Platz.

Die für Kernspin-Tomografen typischen Klopfgeräusche, die als unangenehm empfunden werden, konnten bei den neuesten Geräten so reduziert werden, dass der Schallpegel 80 Prozent leiser wahrgenommen wird.