"Die Menschen sind Teil eines Systems, das von Denkmaschinen gesteuert wird"

Stefan Aust über die Fallstricke moderner Massenkommunikation

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Durch neue Kommunikationsmittel ist die totale Überwachung möglich und der Alptraum George Orwells wahr geworden - mit dem bedeutenden Unterschied allerdings, dass die Überwachung nicht staatlich-restriktiv durchgeführt wird. Stattdessen vollzieht sie sich (zumindest auf den ersten Blick) freiwillig und über den Konsum. Telepolis sprach darüber mit Stefan Aust, der zusammen mit Thomas Ammann das Buch Digitale Diktatur geschrieben hat.

Herr Aust, Sie schreiben dass ein "neuer militärisch-industrieller Komplex" am Entstehen sei. Was unterscheidet diesen von den früheren?

Stefan Aust: Der frühere militärische industrielle Komplex war durch die Beziehung der Politik zur Rüstungsindustrie gekennzeichnet. In unserem Falle ist es eine Mischung aus Politik, Rüstungsindustrie, Spionage-Apparaten wie der NSA und den großen amerikanischen Internetkonzernen, deren Produkte wir tagaus tagein benutzen. Das heißt, es ist ein militärisch-industrieller und gleichzeitig ein ziviler Komplex, der auf sehr intensive Weise in den Lebensbereich aller Menschen eindringt.

"Jeder Schritt wird überwacht"

Wieso haben die Herrschaftsmöglichkeiten durch die IT-Kommunikation eine neue Qualität erhalten?

Stefan Aust: Weil das, was wir an Kommunikation leisten, hauptsächlich über das Internet geschieht und diese Vorgänge in einem kaum vorstellbaren Ausmaß gespeichert, weitergegeben und genutzt werden. Letzteres nicht nur, um festzustellen, was wir tun, sondern auch, um festzustellen, was wir demnächst tun werden. Das Alles ist so angelegt, dass man damit eine totale Kontrolle der Menschen vornehmen kann - und dergleichen wird ja auch tatsächlich schon durchgeführt.

Im kommerziellen Bereich kann man dies ganz leicht sehen: Wenn man bei Amazon ein Buch bestellt, werden einem innerhalb kürzester Zeit Bücher angeboten, für die man sich vielleicht auch interessieren könnte. Anhand dieser Einkaufskarte wird also relativ schnell festgestellt, welche Waren beständig konsumiert werden und darauf hin wird die Werbung eingestellt.

Das sieht im Konsumbereich zwar noch ziemlich harmlos aus, ist es aber nicht. Sie können davon ausgehen, dass jeder Schritt, den sie tun, so überwacht wird, als wenn hinter ihnen jemand hergeht, der alles notiert.

Stefan Aust. Foto: © privat

Wie treffsicher ist die Auswertung der Daten durch Algorithmen?

Stefan Aust: Ich würde sagen, sie ist hundertprozentig treffsicher. Es kommt nur darauf an, welche Datenbestände ausgewertet werden. Aus dem Verhalten der Leute im Internet kann man im Grunde ganz leicht auf das persönliche Verhalten schließen. Namen von Leuten lassen sich zum Beispiel ganz leicht identifizieren. Das funktioniert so wie ein Navigationssystem, da braucht man auch nur drei verschiedene Anhaltspunkte, um festzustellen, wo jemand ist.

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