Die Menschenrechte kommen auf der EXPO zu kurz
Expertenrunde ist mit der Präsentation unzufrieden
Man kann nicht behaupten, dass das Thema Menschenrechte auf der EXPO nicht dargestellt wurde, und amnesty international freut sich sogar über die ersten Erfolge auf Grund der Fax-Aktion im Themenpark "Mensch". Doch viele Länder haben dieses Thema in ihren Pavillons schlicht ausgeklammert. Wer lässt auch schon gern die Kritiker zu Wort kommen? Eine Expertenrunde diskutierte im Deutschen Pavillon über die Art der Nationenpräsentation auf der Weltausstellung.
Ganz schnell und überraschend wurden im Juli 2000 die Inhalte der amnesty-Aktion (EXPO2000 macht Zensur rückgängig, entschuldigt sich aber nicht) auf der EXPO geändert. Sofort schlug amnesty Alarm, denn die Vermutung lag nahe, dass die Türkei sich massiv bei der EXPO-Gesellschaft beschwert hatte, um den Ausstellungsbeitrag über die Menschenrechtsverletzungen in der Türkei entfernen zu lassen. Es gab wohl auch einen Brief an die EXPO, so der stellvertretende EXPO-Generalkommissar Norbert Bargmann, doch könne man nicht von "Druck ausüben" sprechen. Die Türkei verlangte jedoch, nicht exorbitant hervorgehoben zu werden. Da sowieso Ausstellungsinhalte vertragsgemäß ausgetauscht werden sollten, spricht man immer noch "von einer Verkettung ungünstiger Umstände".
An den Faxstationen im Themenpark Mensch kann man sich über das Schicksal von einzelnen Opfern von Menschenrechtsverletzungen informieren und direkt ein Fax an die Länder schicken, um damit einen Appell an die jeweilige Regierung zu richten. Bislang haben sich 30.000 Besucher an der Faxaktion beteiligt und amnesty konnte inzwischen auch Erfolge dokumentieren. So sind einige Inhaftierte freigelassen, Schutzmaßnahmen angekündigt, aber auch neue Bedrohungen ausgesprochen worden.
Der schöne Schein auf der Weltausstellung trügt Zwei Stunden Gesprächszeit wurde einer Diskussionsrunde über die Menschenrechte im Deutschen Pavillon eingeräumt. Vertreter der Türkei, Chinas oder auch Tunesiens waren der Einladung zur Diskussion nicht gefolgt. Um die Darstellung von Menschenrechten auf der EXPO aufzunehmen und zu bewerten, hatten sich demnach - wie kaum anders zu erwarten - hauptsächlich die kritischen Fachleute zusammengefunden wie Lourdes Castro, eine kolumbianische Rechtsanwältin, Sertac Bucak vom Internationalen Verein für kurdische Menschenrechte und Barbara Lochbihler, die Generalsekretärin der deutschen Sektion von ai. Ebenfalls auf dem Podium saßen Dr. Eckhard Wittulski von der EXPO-Watch, Norbert Bargmann (EXPO 2000) und Markus Diekow (Projektleiter Themenpark) sowie die Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), Heidemarie Wieczorek-Zeul.
Nur wenige Länder haben auch die Problematik der Menschenrechte in ihr Pavillon- oder Standkonzept einfließen lassen. Als bemerkenswerte Ausnahme gilt zum Beispiel die Ausstellungsfläche Albaniens, die der Besucher durch einen runden Bunkereingang betritt. Hier stellt sich ein Land öffentlich seiner Vergangenheit. Armenien rechnet nach Angaben Bargmanns mit der Türkei ab und stellt den Genozid von 1915 in den Vordergrund. Zwischen 1915 und 1923 sind dort eine Millionen Menschen durch türkische Repressionen ums Leben gekommen. China spräche immerhin von Reformen, und Tunesien sowie der Pavillon des Islams würden die Rechte der Frauen in den Vordergrund stellen, so der Projektleiter des Themenparks Markus Diekow.
Schon im Vorfeld der Weltausstellung wurde immer die Situation der Menschenrechte der Länder berücksichtigt und es wurde auch kein Land eingeladen, gegen das die UN Sanktionen verhängt haben. Selbst Themenstatements wurden von den EXPO-Nationen eingeholt, um das Ausstellungsziel in Bezug auf die Agenda 21 zu überprüfen. Eine Verpflichtung zur Darstellung der Menschenrechte in den Ländern wurde den Nationen allerdings nicht vorgeschrieben.
Die Diskussionsteilnehmer nutzten auch die Stunde, um mit den Darstellungen der jeweiligen Länder abzurechnen. Für die kolumbianische Rechtsanwältin Lourdes Castro, die ihr Land selbst vor sechs Jahren verlassen musste, ist es ein Hohn, wenn im Pavillon die einheimische Kultur ausgestellt wird, zuhause dagegen zwei Eingeborenenstämme wegen einer Ölfirma zwangsweise umgesiedelt werden. Man sähe auf der Weltausstellung nur eine "nette Darstellung" der Nationen, meint dann auch Sertac Bucak und nimmt damit den türkischen Pavillon in Augenschein. "So eine Darstellung stimmt nicht mit der Realität überein", sagt er und macht darauf aufmerksam, dass die Türkei zwar nach Westeuropa strebe, aber noch weit von dem Standard der Menschenrechte entfernt sei. Eckhard Wittulski von EXPO-Watch bringt es auf den Punkt: Die Darstellung der Menschenrechtssituation in einzelnen Ländern muss man sich zusammensuchen, wodurch sie ihren wesentlichen Stellenwert verlören. Lediglich um ai käme kaum ein Besucher herum, denn die Fax-Aktion befindet sich direkt am Ausgang des Themenparks "Mensch". Er spricht von "Bückware", die man wie eine ungeliebte Ware erst suchen müsse. Erstaunlich bleibt die Aussage des EXPO-Vertreters Bargmann, dass die Weltausstellung eine unpolitische Veranstaltung sei.
Unsere Bundesministerin holt weit aus, um dann bedeutsam auf die Menschenrechte in Deutschland hinzuweisen. Man müsse auch vor der eigenen Tür kehren, um auf andere zeigen zu können, könnte die Zusammenfassung lauten, doch damit würde man Heidemarie Wieczorek-Zeul unrecht tun. Die SPD-Frau hat sich immer für den Erhalt der Menschenrechte eingesetzt, doch wundert sie sich ebenso wie die anderen Diskussionspartner, dass es immer noch keine klare Aktion oder Aussage im Deutschen Pavillon gegen den wieder aufkeimenden Rechtsextremismus gibt. Menschen werden in Deutschland geschlagen, zusammengetreten und getötet, weil man ihnen kein Wohn- oder Bleiberecht zubilligt. Sie betont aber ausdrücklich, dass die Bundesregierung nun mit ganzer Härte gegen den Rechtsextremismus vorgehen wolle. Beim Abschied fügt sie noch an, dass man sich nun auch im Deutschen Pavillon etwas einfallen lassen werde.
Frau Castro zieht ein leises Resümee: "Man ist ein wenig müde geworden über solche vielen guten Absichten. Globalisiert wurde in den vergangenen Jahren ausschließlich das Geld". Ohne wirklich die sozialen und wirtschaftlichen Strukturen grundlegend zu ändern, wird sich nichts weiter bewegen.
Fotos: Gerald Jörns