Die Militärparade der Dschihadisten
Irak: Anschlag auf den Askari-Schrein, eines der wichtigsten Heiligtümer der schiitischen Muslime
Wenige Tage nach Ausrufung des Kalifats mit Ibrahim al-Badri aka Al-Baghdadi an der Spitze verweisen Kommentatoren auf die Fallhöhe zwischen imperialen Anspruch der Fanatiker und der Realität. Die Muslimbrüder in Ägypten seien weitaus wichtiger als der Islamische Staat eines Serienmörders, der Kinder vor Eisdielen töten läßt, al-Baghdadis Protzertum sei zum Scheitern verurteilt, kommentiert beispielsweise US-Geschichtsprofessor Juan Cole.
Der britische Experte für die Milizen in Syrien, Charles Lister (Syrien: Und die Good Guys?), weist darauf hin, dass die bedeutenderen islamistischen Gruppierungen in Syrien den Aufruf zur Gefolgschaft durch Kalif Ibrahim rundweg abgelehnt haben. Laut Statuten des Kalifats sind sie damit Todfeinde.
Darüberhinaus mokiert sich Lister über die Militärparade, die der "Islamische Staat" gestern auf seinem syrischen Stützpunkt Raqqa abgehalten hat. Die Fotos, die er auf seiner Twitter-Seite präsentiert (mehr hier), sollen bestätigen, dass der Anspruch des Kalifats von der Wirklichkeit nicht gedeckt wird: nur einige wenige Zuschauer bei der Parade und Angeber-Waffen, die nicht funktionieren.
Auch sein Fachkollege Aron Lund nimmt Bilder aus Raqqa zum Anlass für die Bemerkung, dass das Kalifat in ernsthaften Schwierigkeiten stecke, wenn dies die größte Menge an Anhängerschaft sei, die es in seiner "Haupstadt" mobilisieren kann.
Allerdings ist auch bekannt, dass Bilder nur selten für handfeste Beweise taugen. Und bei Lister selbst ist eine unglaubliche Zahl nachzulesen, die dokumentiert, welches Gewaltpotential den IS-Dschihadisten zukommt. 2013 soll ISIL nach Recherchen Listers 10.000 Operationen im Irak durchgeführt haben.
Die UN-Unterstützungsmission für den Irak (Unami) macht darauf aufmerksam, dass im abgelaufenen Monat Juni 2.417 Iraker getötet wurden, 1531 Zivilisten und 886 Angehörige von Armee und Polizei - das sei die höchste Opferzahl seit der Eskalation des sunnitisch-schiitischen Konflikts im Jahr 2007.
Aus diesem Zusammenhang erklärt sich die Bedeutung einer kleinen Meldung, die heute in US - und in arabischen Publikationen zu lesen war.
Darin geht es um einen Anschlag, mutmaßlich von "sunnitischen Extremisten" begangen, auf den Askari-Schrein in Samarra. Sechs Menschen sollen vom Granatenbeschuss getötet worden sein, das Heiligtum wurde beschädigt, berichtete das irakische Fernsehen.
Als 2006 die goldene Kuppel des Schreins zerstört wurde, war dies einer der entscheidenden Auslöser der von der UN genannten Eskalation des sunnitisch-schiitischen Konflikts, in den darauf folgenden beiden Jahren kamen zehntausende ums Leben. Der heilige Monat Ramadan, der gerade begonnen hat, war in der Vergangenheit häufig Anlass, um solche Spannungen anzuheizen.