Die Nation soll unter Gott einig bleiben

Die US-Regierung zieht vor den Obersten Gerichtshof, um die religiöse Verankerung im Pledge of Alliance zu sichern, den die Schulkinder jeden Morgen zu Beginn des Unterrichts aufsagen müssen

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Die USA sind bedroht. So scheint dies die US-Regierung zu verstehen. Mitten im Krieg gegen den internationalen Terrorismus und die Schurkenstaaten, den "God's own country" für die Welt und als von Gott beauftragte Führungsmacht der guten Staaten führt, ist an der Heimatfront eine neue Gefahr von innen aufgetreten. Ein kalifornisches Berufungsgericht hatte aufgrund der Klage eines Vaters entschieden, dass im Treueschwur (Pledge of Allegiance) die Hinzufügung "under God" wegen der Trennung von Kirche und Staat verfassungswidrig sei und daher in kalifornischen Schulen bei der alltäglichen nationalen Einschwörung nicht aufgesagt werden dürfe. Das aber will die US-Regierung, allen voran vertreten durch Präsident Bush und Justizminister Ashcroft nicht hinnehmen, weswegen man nun vor den Supreme Court zieht.

Die Kinder in den öffentlichen Grundschulen von der Hälfte der US-Bundesstaaten werden in den USA mit dem Pledge of Allegiance auf das Vaterland und natürlich die unabkömmliche Nationalflagge eingeschworen, die nirgendwo und daher auch nicht im Klassenzimmer fehlen darf. Der Flagge, die die Nation repräsentiert und die besonders seit dem 11.9. zu neuem und allgegenwärtigem Ansehen gekommen ist, wird der Treueschwur dargebracht:

"I pledge allegiance to the flag of the United States of America
And to the Republic for which it stands
One nation, under God, indivisible
With liberty and justice for all."

Aber dass jetzt die eine Nation nicht mehr unter Gott unteilbar vereint sein soll, das kann einfach nicht sein (Die aufschlussreiche Geschichte des Pledge of Allegiance). Der oberste Gerichtshof hatte schon früher entschieden, dass Schüler, deren Eltern nicht wollen, dass sie den Treueschwur sagen, dazu nicht gezwungen werden dürfen. Sie können also zuhören, während die anderen "One nation, under God" aufsagen.

Präsident Bush am Nationalen Tag des Gebets (1.5.2003)

Die von den einzelnen Bundesstaaten verlangten "patriotischen Exerzitien", denen auch in Kalifornien die Schüler staatlicher Schulen unterzogen werden müssen, können durch das Rezitieren des Treueschwurs zur Flagge und damit zur Nation eingelöst werden. Bei der Klage des atheistische Vaters aus Kalifornien ging es darum, dass auch der Zwang zum Zuhören der täglichen Aufführung an öffentlichen Schulen gegen die Verfassung verstoße, die eine Trennung von Religion und Staat fordert. Wird der Pledge of Allegiance vom jeweiligen Bundesstaat für die Schulen vorgeschrieben, so äußere sich darin die Förderung einer Religion durch den Staat. Dem stimmte auch das Berufungsgericht zu: "Der von der Politik ausgehende Zwang wird hier besonders im Kontext der Schule hervorgehoben, wenn man vom Alter und der Beeindruckbarkeit der Schuldkinder und deren Verständnis ausgeht. Dass sie den Normen, die von ihrer Schule, ihrem Lehrer und ihren Mitschülern vorgegeben werden, Folge leisten sollen."

Die Formulierung "under God" kam erst in den Zeiten des Kalten Kriegs in den Treueschwur, um die Amerikaner gegenüber den damals Bösen, die gottlosen, materialistischen Kommunisten, einzuschwören. Seit dieser Zeit wird auch "In God We Trust" auf Dollarscheinen gedruckt. Allerdings wurde der Pledge of Alliance auch erst 1942 in Weltkriegszeiten offiziell in den USA eingeführt - aber noch ohne Gott. Noch viel wichtiger ist die Ableitung der Politik von Gott und damit der Gottesstaat, wenn man sich auf dem Kreuzzug gegen das Böse wähnt, das vornehmlich in den Köpfen von fehlgeleiteten religiösen Fundamentalisten haust, die ihrerseits ihre Politik von der Religion direkt ableiten. Der "Schmelztiegel" USA soll nach den Neokonservativen kapitalistisch, weiß, englischsprachig und christlich orientiert bleiben, was auch heißt, nicht nur am Sonntag in die Kirche zu gehen und täglich in der Bibel zu lesen, sondern für die Ehe einzutreten, vorehelichen Sex und Verhütungsmittel zu verpönen und auch abweichende Sexualorientierungen abzulehnen.

Justizminister Ashcroft, der auch gerne mal ein religiöses Lied im Ministerium singt, meinte zur Begründung des Einspruchs: "Unser religiöses Erbe wurde Jahrhunderte lang im nationalen Motto ('In God we trust'), in der Nationalhymne, in der Unabhängigkeitserklärung und der Gettysburg Adress anerkannt und gefeiert. Wie das Gericht immer wieder entschieden hat, können unsere Regierung und die Menschen die wichtige Rolle anerkennen, die die Religion in der Gründung, der Geschichte und dem Wesen Amerikas gespielt hat." Das Justizministerium werde hart für die Verteidigung des nationalen Erbes und der Möglichkeit eintreten, dass die Kinder den Treueschwur aufsagen können.

Bei dem jetzt anstehenden Verfahren geht es nicht nur darum, ob die Meinungs- und Religionsfreiheit des ersten Verfassungszusatzes durch die Aufnahme von "under God" verletzt wird, sondern auch, ob ein nicht erziehungsberechtigter Vater, der noch dazu nicht mit der Mutter des Kindes verheiratet war, irgendeinen Einfluss auf die schulische Ausbildung des Kindes haben kann, für die sich die Mutter entschieden hat.

Nach Theodore Olson, dem Generalstaatsanwalt, ist "under God" im Pledge of Allegiance keine gegen die Verfassung verstoßende staatliche Förderung von Religion. Die Präzedenzfälle des Obersten Gerichtshofs hätten gezeigt, dass die Verfassung der Regierung nicht verbiete, "offiziell das religiöse Erbe, die religiöse Gründung und den religiösen Charakter dieser Nation anzuerkennen". Das eben mache der Treueschwur, weswegen er auch verfassungsgemäß sei. Und überdies drohe, wenn in manchen Teilen der Nation Gott nicht im Treueschwur erwähnt werden dürfe, in anderen aber schon, die Einheit der Nation zu zerfallen:

"Der Treueschwur kann seinen Zweck nicht erfüllen, die nationale Identität zu vereinen und gemeinsam zu zelebrieren, wenn es nicht ein Gelöbnis mit demselben Inhalt für alle Bürger zu allen Zeiten ihres Lebens ist. Es besteht kein Grund, in den Schulen dieser Nation eine solche Störung und Disharmonie zu dulden."