Die Nato und die Konstruktion des russischen Informationskriegs

Seite 2: "Russland sieht Europa als Beute …"

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Russische Autoren, deren Gewicht für die Militärdoktrin nicht erwähnt wird, würden zwischen "Informationskonfrontationen" im Frieden und im Krieg unterscheiden, wird aber dann doch gesagt. Im Frieden ginge es um verdeckte Operationen, Spionage oder Vorteile im Informationsraum, im Krieg um die "Diskreditierung der Führerschaft, die Einschüchterung des Militärs und der Zivilisten, die Fälschung von Ereignissen, Desinformation, Hackerangriffe und so weiter", hauptsächlich um die "Beeinflussung der Führung und der öffentlichen Meinung ausländischer Staaten", woraus der Autor schließt, dass sich danach Russland "bereits im Kriegszustand sehen" müsste.

Der Autor betreibt in seinem von der Nato veröffentlichten "Handbuch" immer wieder ein Verwirrspiel. So muss er wieder darauf verweisen, als es um die Beeinflussung von ausländischen Parteien durch Russland geht, dass die russischen Autoren umgekehrt eigentlich Kampagnen beschreiben, die der Westen gegen Russland ausführt. Und er muss natürlich auch sagen, dass die Finanzierung von politischen Parteien und anderen Organisationen zur Verbreitung einer bestimmten Agenda "kaum als russische Erfindung bezeichnet" werden kann. Russland habe hier aber vom Westen gelernt, um aber gleich zu sagen, dass die Schwächung von konkurrierenden Gesellschaften ein russischer Ansatz sei, der weit über die Sowjetunion hinaus zurückgeht, wobei er einen Franzosen aus dem Jahr 1839 zitiert: "Russland sieht Europa als Beute …" Der Erkenntniswert des Handbuchs, das sich eher als antirussische Propagandaschrift des "Nato Defense College" erweist, geht so gegen Null.

Russland, so heißt es weiter, habe zur Abwehr der Informationsflüsse von außen, die Informationskontrolle im Inland verstärkt. Hier wird dann Klartext gesprochen, weil dies die strategische Kommunikation der Nato erschwere, die "russische Desinformation über die Rolle, das Wesen und die Aktivitäten in der russischen Bevölkerung zu kontern". Zudem erleichtere dies den russischen Medien, einseitige oder irreführende Nachrichten zu verbreiten. Damit würde die Bevölkerung "von dem wahren Bild der Außenwelt und in ihren eigenen Land" isoliert und die Vorstellung erleichtert, dass Russland von "einem aggressiven, expansionistischen Westen" bedroht sei. Daher werde der russische Staat unterstützt und würde die russische Führung ihre eigene Propaganda glauben.

So ist denn aus der Sicht der Nato, die gerade versucht, die russischen Desinformationskampagnen und den russischen Informationskrieg abzuwehren und die den Westen von der "russischen Aggression" bedroht sieht, nicht nur die russische Bevölkerung durch die Schließung des Informationsraums von der Wahrheit abgeschnitten, sondern auch die russische Regierung selbst, die irgendwie berauscht oder narkotisiert der eigenen Propaganda anheimfällt. Der Autor schließt ein Kapitel seines "Handbuchs" mit der bemerkenswerten Einsicht ab: "Die gefährlichste Folge dessen, dass die russische Führung an das glaubt, was sie ihren Untertanen erzählt, ist die Möglichkeit , dass sie dann auch aufgrund dieses Glaubens handelt." Ist das jetzt ein Narrativ im Sinne des Informationskriegs oder nur der Versuch eines Menschen, der von der Wahrheit der eigenen Weltsicht und der von ihm vertretenen Nato so überzeugt ist, sich zu erklären, warum überhaupt jemand eine andere Weltsicht haben kann als die eigene, von der man offensichtlich selbst betäubt ist.

Muss man am Schluss darauf hinweisen, dass die russische Regierung natürlich versucht, mittels staatlicher Medien wie RT oder Sputnik, auf die öffentliche Meinung einzuwirken und einseitige Wahrheiten zu verbreiten, oder mit anderen Mitteln, vielleicht auch mit der Weitergabe von gehackten Daten oder der Unterstützung von Organisationen, Parteien und Politikern im Ausland Vorteile zu erreichen? Oder dass der Kreml alles daran setzt, die Opposition klein zu halten, um einen Maidan oder einen Arabischen Frühling zu verhindern und das System stabil zu halten? Wahrscheinlich in diesen Zeiten schon, wenn man auf strategische Kommunikation, PsyOps oder Desinformation aus dem "Westen" hinweist. Bei all den Wahrheitspropagandisten auch in den Medien, die angeblich die Lügen und Fake News der anderen bloßlegen, fehlt es zunehmend an Aufklärung, also am Ausgang von der selbstverschuldeten Unmündigkeit.

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