Die New York Times über den "russischen Informationsangriff"
Seite 2: Gewebe aus Vermutungen und Behauptungen
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Dass ein russisches Unternehmen Hunderte von Facebook-Accounts auf Facebook eingerichtet und - eigentlich lächerliche - 100.000 US-Dollar im Verhältnis zu den 1,4 Milliarden US-Dollar und nahezu einer Milliarde, die in Clintons und Trumps Wahlkampf flossen, für Online-Werbung ausgegeben haben, kann ebenso zutreffen wie Berichte über Trolle, die von russischen Unternehmen ins Internet geschickt werden. Die Unterstellung, dass sie mit dem Kreml verbunden sind und daher nur dessen Aufträge ausführen, ließe sich auch auf viele amerikanische Stiftungen und Thinktanks übertragen, zumal wenn sie mit Staatsgeldern unterstützt werden.
Der Sinn der Sache scheint zu sein, schon jetzt einmal vor Beeinflussungskampagnen in den Wahlen 2018 und 2020 zu warnen und Facebook und Twitter zu kritisieren, zu wenig gegen automatisierte Bots, gefälschte Accounts und Manipulation zu unternehmen. Facebook wird zitiert, dass höchstens ein Zehnter von einem Prozent der Inhalte, die zu den Wahlen gepostet wurden, von "Informationsoperationen" stammen. Das wäre dann tatsächlich vernachlässigbar. Die NYT springt schnell zu einem Befund von FireEye, nach dem "verdächtige russische Bots" manchmal in der Lage gewesen seien, Trends zu erzeugen, beispielsweise mit dem Hashtag #HillaryDown. Falls es sich wirklich um russische Bots gehandelt haben sollte, wäre nun die Frage, welche Auswirkungen das gehabt haben kann. Darüber liest man nichts.
Wladimir Putin hat abgestritten, dass der Kreml sich in die Wahlen eingemischt oder Hacker beauftragt hat. In Eigenauftrag handelnde Hacker könnten IP-Adressen fälschen und falsche Spuren legen, sagte er. Das mittlerweile banale Wissen, dass sich nur sehr schwer Angriffe auf die wirklichen Täter zurückführen lassen, wird Putin dann angelastet: Damit habe er "eine überraschende Vertrautheit damit gezeigt, wie Cyberangreifer ihre Spuren verbergen können". Tatsächlich müssen auch die amerikanischen Geheimdienste einräumen, so die NYT, dass Angriffe kaum zurückzuverfolgen sind, weswegen es dann heißt, dass Russland "absichtlich seine Rolle bei Beeinflussungsoperationen verschleiert". So kann man den Verdacht und das Misstrauen weiter hegen, ohne Nachweise liefern zu müssen.
Wirkliche Aufklärung oder gar investigativer Journalismus sieht anders aus. Solche Artikel schüren das Misstrauen in Medien und sind selbst Teil der Polarisierung, die der anderen Seite vorgeworfen wird. Aufklärung würde darin bestehen, das mitunter schmutzige Spiel beider Seiten aufzudecken und ins Verhältnis zu setzen, aber davon scheint man sich in den USA ähnlich wie in der Türkei immer weiter zu entfernen. Die NYT macht sich mit dem Artikel eben zu der Maschine der Täuschung und der Propaganda, die sie eigentlich aufdecken will.