Die Niederlage: Wähler bestrafen Macron

Seite 2: "Genug von der Politik, die sich immer nur wiederholt"

Was aber ist mit dem großen Teil der Bevölkerung, wie sehen da die Orientierungen aus? Dazu liefert die Parlamentswahl ein sehr deutliches Signal, das immer wieder verdrängt wird, wenn es um ernsthafte Politik geht, also um Entscheidungen und nicht um schöne Reden: die Abkehr vieler Französinnen und Franzosen von Wahlen, die ja stets als großer, wichtiger Ausweis einer Demokratie herausgestellt werden.

Mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten enthielten sich einer gültigen Stimmabgabe. Die Wahlbeteiligung lag bei 46,2 Prozent; 5,5 Prozent gaben leere Stimmzettel ab, 2,1 Prozent ungültige Stimmzettel. Dokumentiert wird damit das Gefühl, dass man sich von einem Politikwechsel bzw. den angebotenen Alternativen nichts verspricht. Es ist eine Abkehr, die sich schon seit längerem zeigt.

Analysen gibt es seit mehreren Jahren, ein Rezept dagegen wurde noch nicht gefunden oder überhaupt nicht angegangen, weil die etablierten Parteien und ihre politischen Vertreter keine Macht abgeben wollen. Man muss sich dazu nur die Diskussionen über Instrumente der direkten Demokratie anschauen.

Mélenchon beschwört das Ende der Ära der maroden Politik

Wie sich das Wahlergebnis für das Bündnis von Mélenchon auswirken wird, inwieweit es sich in eine konkrete politische Hebelwirkung übersetzen lässt, dazu werden sich die ersten Konturen im Entwicklerbad der nächsten Tage abzeichnen. Macron muss, das wird ihn auch nicht überraschen, mit einer neuen starken Fraktion im Parlament rechnen, die über eine substantielle Unterstützung auf den Straßen, in den Medien und in der Bevölkerung verfügt.

Dass sich solche Bündnisse leicht zerstreiten, wird er sich zunutze machen. Eine Vorlage dafür gibt ihm die polemische Moräne, die die konservative bürgerliche Rechte schon länger in die Landschaft geschoben hat, in dem sie die Politik, die Mélenchon vertritt, mit "linksextrem" oder "popularistisch" etikettiert. Das lässt sich in der Öffentlichkeit opportun verwenden.

Wer sich das genauer anschaut und die politischen Ziele der Nupes mit dem Programm des 1981 gewählten Präsidenten Mitterand vergleicht, der oder die wird schnell darüber staunen, was heute als "linksextrem" bezeichnet wird. Mitterand, damals Kandidat der sozialdemokratischen Linken (PS), war da sehr viel radikaler in seinen politischen Forderungen, wie etwa bei den - erfolglosen -Verstaatlichungen großer Unternehmen zu sehen.

Die Gleichsetzung mit "rechtsextrem", wie sie in der Polemik häufig auftaucht, ist allein schon mit dem Blick auf den Umgang mit Menschenrechten, wie er von Marine Le Pen vertreten wird, nicht zu halten. Auch die "Deutschfeindlichkeit", die Mélenchon hierzulande kampagnenhaft vorgehalten wird, ist ein Kostüm, das man ihm gerne umhängt, wenn es darum geht, seine Kritik an der deutschen Wirtschaftspolitik und ihre Rolle in der EU weg von den Inhalten, über die zu sprechen nötig ist, zu ziehen.

Mélenchon selbst hofft in ersten Reaktionen auf einen neuen politischen Kurs in Frankreich:

Je schwerer es die marode alte Welt, in der wir leben, damit hat, sich politisch zu halten, desto größer ist die Möglichkeit für uns. Je schwerer es der Kapitalismus hat, Schaden anzurichten, desto größer ist die Möglichkeit für den Solidarismus (solidarisme).

Jean-Luc Mélenchon

Auch hier fehlen noch die Inhalte.