Die Probleme der Ukraine mit der atomaren Sicherheit
Seite 2: Turtschinow: "Alle uns zur Verfügung stehenden Ressourcen nutzen"
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Die ukrainischen Nationalisten haben ganz andere Probleme. Sie träumen davon, die Ukraine wieder atomar zu bewaffnen. Das Land am Dnjepr hatte seine Atomwaffen 1994 an Russland abgegeben. Im Budapester Memorandum war zwischen der Ukraine, den USA, Russland und Großbritannien vereinbart worden, dass die Ukraine im Gegenzug zur Abgabe der Atomwaffen von den USA, Großbritannien und Russland Garantien für seine Unabhängigkeit und Souveränität bekommt.
Die Ukraine mit Atomwaffen, diese Vorstellung ist auch für den ehemaligen Nato-Generalsekretär, George Robertson, ein Gedankenspiel wert. Gegenüber dem Herald Scotland erklärte er im Februar 2015: "Would Crimea have been grabbed and Eastern Ukraine occupied if the Ukrainians had kept some of their nukes?"
Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hat sich zwar im Dezember 2014 gegen eine Atombewaffnung seines Landes ausgesprochen. Aber der Chef des ukrainischen Sicherheitsrates und frühere Interims-Präsident, Aleksandr Turtschinow, erklärte im April: "Für den Schutz werden wir alle uns zur Verfügung stehenden Ressourcen nutzen, auch für die Schaffung effektiver Waffen." Das Wichtigste sei, "dass die Waffe effektiv ist, um was für eine Waffe es sich handelt - 'schmutzig' oder 'rein' - das ist eine gesonderte technische Frage." Man werde "nicht-öffentliche militärtechnische Programme" realisieren. Die ukrainische Industrie sei ausreichend leistungsstark,um "moderne, effektive Waffen eigener Produktion" herzustellen.
Moskau: Ukraine würde zum "Schurkenstaat"
Das russische Außenministerium erklärte nach dieser Äußerung, Turtschinow spreche offenbar vom Bau einer "schmutzigen Bombe, einer Art Atombombe". Man hoffe, dass derartige Pläne nur in den "entzündeten Vorstellungen von Herrn Turtschinow" existieren. Die Verwirklichung derartiger Pläne würden die Ukraine zu "einem Schurkenstaat" machen und entsprechende Maßnahmen der UNO zur Folge haben.
Die Drohung von Turtschinow, notfalls auch "schmutzige" Waffen einzusetzen, könnte der Versuch sein, gegenüber Russland Stärke zu demonstrieren, die man eigentlich nicht hat. So sagte der Direktor des ukrainischen Nationalen Instituts für strategische Forschungen, Präsidentenberater Wladimir Gorbulin, die Ukraine habe für den Bau von Atomwaffen nicht die "industrielle Basis". In der Ukraine gäbe es "keine nuklear-chemische Industrie". Es gäbe weder die nötigen Experten für die Entwicklung noch Testmöglichkeiten für derartige Waffen.
Ähnlich äußerte sich auch der erste nachsowjetische Präsident der Ukraine, Leonid Krawtschuk, der erklärte, die Ukraine solle nicht über eine Rückkehr zu einem Land mit Atomwaffen nachdenken. Falls die Ukraine diesen Schritt gehe, verletze man den Vertrag über die Nichtverbreitung von Atomwaffen, den die Ukraine unterschrieben habe. Man könne "Wege suchen", das Problem mit den Atomwaffen "schnell zu lösen". Aber nach Berechnungen von 1995 bräuchte man dafür 55 Milliarden Dollar. Heute werde das "doppelt so viel kosten". Krawtschuk forderte von den Staaten, welche der Ukraine 1994 Schutz versprochen hatten, jetzt "Position zu beziehen".
In russischen Internetmedien hält man es nicht für ausgeschlossen, dass die Ukraine eine Atomrakete bauen könnte. Zu Zeiten der Sowjetunion seien in den ukrainischen Städten Dnjepropetrowsk, Kiew und Charkow Raketen und die dazugehörige Ausrüstung gebaut worden, schreibt das Internet-Portal Argumenty.ru. Die Ukraine sei heute in der Lage, eine einstufige ballistische Rakete mit einer Reichweite von bis zu 5.000 Kilometern zu bauen. Als Sprengkopf wäre ein "schmutzige Bombe" mit Abfällen aus einem Atomkraftwerk vorstellbar.
Vermutlich wird von russischen und ukrainischen Internetmedien mit dem Begriff "schmutzige Bombe" absichtlich spekuliert. Das gehört offenbar zu einem medial geführten Krieg. Auffällig ist allerdings, dass Spekulationen über "schmutzige Bomben" der Ukraine bisher nur in russischen Internetmedien, nicht aber in russischen Zeitungen auftauchen. Auch russische Politiker meiden das Thema.