Die Produktion von Unerreichbarkeit
Imagetransfers zwischen Sternen: Luxus, Idole und Tourismus im Weltall
UFO-Aufnahmen, unheimliche Begegnungen der dritten Art oder Sonnenerscheinungen im Universum - die Vorstellung eines blendend hellen Lichtphänomens bekommt mit der Nachricht, dass Paris Hilton demnächst im Weltraum Urlaub machen wird, eine neue Qualität: Als ob es nicht reichen würde, dass im Sternenhimmel Luxus-Hotels gebaut werden, jetzt werden die mit Tausend Sternen garnierten All-Edelherbergen auch noch von glamourösen Society-Stars frequentiert. Hier bahnt sich ein galaktischer Imagetransfer an, der alle bisherigen Crossmarketing-Effekte sprichwörtlich in den Schatten stellen wird.
Unsere Begehrlichkeiten werden stets durch das Unerreichbare stimuliert. Wunschmaschinen, wie Hollywood und Tourismus, haben sich in dieser Hinsicht als besonders produktiv erwiesen, insbesondere, wenn sie im gegenseitigen Austauschverhältnis gestanden haben. So konnten etwa die technologischen Utopien des Massentourismus selten ohne die Aura des Stars auskommen: Von den ersten Werbungen für die Luftfahrt, die mit Charles Lindbergh ein Vergnügen für Abenteurer der Luxus-Klasse in Aussicht stellten, über die erste große Boom-Phase des Fliegens in den 1960er Jahren, als selbst das Bordpersonal der neuen Boeings, Star-Qualitäten entfaltete, bis hin zu den heutigen Anzeigen der Airline-Industrie, die sich großenteils über Anpreisungen der Ersten Klasse definiert, also über den Luxus und Glamour, für den Stars gemeinhin stehen.
Kurz, in der Geschichte des Fliegens als Kultur der Massen wurden unsere (touristischen) Fantasien stets durch eine enge Verbindung mit der Wunschökonomie Hollywoods beflügelt. Hollywood ist bei diesem Imagetransfer nicht passiv geblieben. Das zeigt allein der Blick auf die gegenwärtige Spielwiese der Stars, die auf unterschiedliche Weise mit der Ikonographie des Tourismus verknüpft ist: Nach dem 11. September hieß es beispielsweise, dass immer mehr vielfliegende Hollywood-Stars auf einen Privatjet umsteigen, um die Unabhängigkeit über den Wolken durch drohende Terrorattacken nicht einzubüßen. Für John Travolta musste es gleich eine Privat-Airline und ein Privat-Flughafen vor der eigenen Haustür in Jumbolair in Florida sein. Passend dazu werden Medienmythen über die Karibik-Insel Mustique in Umlauf gebracht, die in Sachen Exklusivität wohl nur mit einer schwimmenden [i]Gated Community[i] der Stars und Superreichen zu vergleichen ist.
Zu den neueren Trends gehört, dass Stars wie Pierce "007" Brosnan ihre Villen an Touristen vermieten, während Reportagen über Dreharbeiten von Filmen als Urlaubsgeschichten präsentiert werden. Beispielhaft dafür wäre eine Titelstory der Illustrierten "Gala", die die Dreharbeiten von "Ocean's Twelve" zum Thema hatte. Neben Fotos von Filmstars, die wilde Partys feiern, im Salto rückwärts von Luxus-Yachten springen und die Sonne des Mittelmeers genießen, wurde eine Karte abgebildet, die die Reiseroute der Dreharbeiten des Films nachzeichnete: Amsterdam, Cannes, Monte Carlo, Portofino, Paris, Rom und Comer See. Man konnte mit seinem Finger über die eingezeichnete Route fahren und die Stationen im Kopf nachvollziehen. Bilder von den einzelnen Orten unterfütterten diesen mentalen Reisevorgang, während ein Bericht mit dem Titel "Wilde Kerle" näher brachte, wie George Clooney, Brad Pitt und Matt Damon auf diesen Stationen die Arbeit zum Urlaub machten.
Wenn es uns an Orte verschlägt, an denen Hollywood-Stars weilen oder gearbeitet haben, so verblassen die vorgefundenen Reiseziele vor jenen Kulissen, die in der Fantasie Gestalt angenommen haben, eigentlich immer. Liegt es allein daran, dass reale Orte meistens enttäuschen? Wenn ja, warum werden unsere Erwartungen enttäuscht? Wenn wir Clooney, Pitt und Damon gedanklich gefolgt sind, dann immer auch als Konstrukteure von eigenen Räumen und Orten. Was man über Literatur sagt, kann auch über den Hollywood-Tourismus Komplex gesagt werden: Die Schauplätze der Handlung entstehen erst richtiggehend in der Vorstellung des Lesenden. Im Gegensatz zum Buch, wird im Hollywood-Tourismus Komplex der interaktive Moment allerdings niemals nur über ein Medium erreicht. Ein Film ist erst dann wirklich stimulierend, wenn er vernetzt wird mit den Verwertungszusammenhängen des Tourismus, sowie dem "realen" Leben der Stars im Spiegel der Massenmedien. Das zeigt sich auch am Weltraumtourismus.
Der Hollywood-Weltraumtourismus Komplex
Seit Dekaden reisen Normalsterbliche vor unseren Augen ins All. Durch [i]Serials[i] wie "Flash Gordon" und "Buck Rogers" etablierte sich bereits in den 1930er Jahren eine Mischform aus Science Fiction und klassischen Abenteuer-Geschichten. Mit "Odyssee im Weltraum" (1968) wurde die Space Opera schließlich in Kunst überführt und erzählte dabei ganz nebenbei, wie selbstverständlich die Geschichte der touristischen Expansion im Universum voranschreitet. Dann kamen die Weltraum-Robinsonanden: Filme von der Zivilisationsflucht auf Raumschiffe ("Lost in Space" 1998), oder ferne Planeten ("Mission to Mars",1999). Wenn man sich weiter in der Kinogeschichte umschaut, stolpert man noch auf weitere Residuen der touristischen Ikonographie im Science Fiction-Film: Von "Total Recall" (1990) bis "Star Trek"-Spielfilmen, wie etwa "The Final Frontier" (1989), wo bereits in der Eröffnungssequenz der Blick des Zuschauers durch ein Fernglas auf das eindrucksvolle Naturpanorama des Yosemite Valley gelenkt wird: Dort hangelt Captain Kirk als cooler Freeclimber an einer steilen Felswand.
Im "Star Trek"-Universum lässt sich aber noch wesentlich mehr finden. So wimmelt es darin nur so von Verweisen auf die utopische Trägertechnologie des nächsten großen Schritts im Tourismus: Die Raumfahrt im Allgemeinen, NASA im Speziellen. Der erste "Star Trek"-Film beispielsweise erzählt von einer Begegnung zwischen der [i]Enterprise[i] und einem Maschinenplaneten, der in Richtung Erde aufgebrochen ist, um seinen Erschaffer zu finden. Dieser Planet ist allerdings so gigantisch groß, dass er die Erde durch seine Annäherung zu zerstören droht. Die "Star Trek"-Crew entdeckt gerade noch rechtzeitig, dass das Herz dieses Planeten die [i]Voyager[i] ist, ein Satellit, den die NASA im Jahre 1977 entsendet hatte und der jetzt samt fremdartigen Auswüchsen und eigens entwickelter künstlicher Intelligenz aus den Untiefen des Weltalls zurückkehrt. Der sieben Jahre danach produzierte "Star Trek IV" (1986) war wiederum den Opfern der Challenger-Katastrophe gewidmet, während ein Raumgleiter in "Star Trek: The Next Generation" (1994) nach Ellison Onizuka von der Challenger-Crew benannt wurde. Unvergesslich bleibt wohl auch, dass Mae Jemison, nachdem sie ihren NASA-Job an den Nagel gehängt hatte, in einer Episode von "The Next Generation" aufgetaucht ist.
Umgekehrt hat das US-Raumfahrtprogramm nichts unversucht gelassen, um Verbindungen zu dem globalen Pop-Phänomen herzustellen. Die computerisierten Kontrollsysteme werden Scotty oder Uhura genannt, während der Bordcomputer der [i]Space Shuttle[i] Spock tituliert worden ist. Viele Astronauten geben vor, von "Star Trek" inspiriert worden zu sein. Mae Jemison, die als erste Afro-Amerikanerin im Welltall in die Geschichte eingehen sollte, hat mal gesagt, dass es "Star Trek"-Schauspielerin Nichelle Nichols in ihrer Rolle der Lt. Uhra gewesen sei, die ihren Wunsch, in den Weltraum zu reisen, geweckt habe. Später wurde Nichols tatsächlich für eine Rekrutierungskampagne der NASA angeheuert: Sie sollte Frauen und Minderheiten für das Raumfahrtprogramm der USA gewinnen helfen. Die 1970er Jahre brachten weitere Imagewaschgänge mit sich, die am "Star Trek"-Universum orientiert waren. So ist die Shuttle von [i]Constitution[i] in [i]Enterprise[i] umbenannt worden, deren Präsentation auf der Edwards Air Force Base durch die Anwesenheit von vielen "Star Trek"-Schauspielern und der Titelmusik von Alexander Courage zeremoniell in Szene gesetzt wurde. Ein weiterer Coup konnte der NASA noch gelingen, als der "Star Trek"-Erfinder Gene Roddenberry 1991 starb und die Behörde seine Asche ins Weltall transportieren ließ.
Die Helligkeitszunahme einer Supernova
Heute sollen Hollywood-Stars den nächsten großen Schritt des Weltraum-Tourismus katalysieren. Nachdem das Versprechen vom Massentourismus im All vor mehr als 30 Jahren gemacht wurde, soll die Raumfahrt nun endlich in den Dienst der Massen gestellt werden: Unternehmen wie "Bristol Spaceplanes Limited" locken ins All, Virgin-Boss Branson stellt Billigflüge ins Universum in Aussicht. Wartelisten, die sich wie Credits von Allstar-Filmen lesen, bewerben das Unternehmen. Standen in der Geburtsstunde des Raumflugs Namen wie Ronald Reagen ganz oben auf der Passagierliste, so sind es heute Stars wie Brad Pitt und Tom Cruise. Sie haben das nötige Kleingeld und 2008 noch nichts besseres vor, als einen kleinen Abstecher ins Weltall zu machen. Es heißt, Paris Hilton werde sie begleiten. Das von ihrem Vater erbaute Hotelimperium war bereits in "Odyssee im Weltraum" von einem irdischem, zu einem galaktischen Unternehmen mutiert, nun scheint die Hotelerbin die Fantasie Realität werden zu lassen.
Ein Imagetransfer zwischen Hotels, die in 450 Kilometer Höhe alle vier bis fünf Stunden die Erde umkreisen, und Show-Größen, die darin abschalten, das ist ein Imagetransfer der Superlative. Multiplikatoren des Glanzes treffen an einem Ort aufeinander, der nicht nur durch seine utopische, sowie physikalische Strahlkraft wie geschaffen ist für einen wunschökonomischen Licht-Effekt. Sondern der auch deshalb so besonders geeignet scheint für diese Begegnung, weil dort beide an ihren eigentlichen Bestimmungsort zurückkehren. Wer beispielsweise von Mustique spricht, betont immer, dass es sich bei dieser Star-Insel um das [i]irdische[i] Paradies handelt, und sagt, sie sei [i]wie[i] der Himmel auf Erden. Im Weltall müssen solche Vergleiche nicht gemacht machen, man findet das Paradies dort vor, wo es eigentlich angesiedelt ist: Im Himmel. Die Stars selbst sind dort ebenfalls im eigentlichen Sinn zu Hause: Als Sterne sind sie nur künstlich durch die Gewichte der Gesellschaft an den Planeten gebunden, ihr natürlicher Aggregatzustand ist der freie Flug im All. Außer wenn sie versagen und abstürzen.
Die Wunschökonomie unserer Gesellschaft will es nun mal nicht anders: Der Star und das Paradies gehören ins All. Über diese Entfernung stellen sie eine Unerreichbarkeit sicher, die sie über alle Maßen begehrenswert macht. Wenn es dieser Tage am Nachthimmel manchmal so blendend hell leuchtet, dann nicht weil Paparazzis ihre Blitzgeräte heiß laufen lassen. Sondern weil dort ein Imagetransfer der Superlative die Helligkeitszunahme einer Supernova hervorbringt. Ein Effekt mit hoher Anziehungskraft, aber auch akuter Verglühgefahr.