Die Sabotage bei Tesla – und warum viele Anwohner schlecht auf die Firma zu sprechen sind
Nach Anschlag auf Strommast ist von Ökoterrorismus die Rede. Allerdings gibt es auch breiten öffentlichen Protest gegen den US-Autobauer. Ein Überblick.
Wer an diesem Dienstagmorgen erste Schlagzeilen über die Evakuierung des Tesla-Werks im brandenburgischen Grünheide aufschnappte, konnte zunächst an eine Panne denken – die erste wäre es nicht gewesen. Im Herbst stand das Unternehmen wegen auffällig vieler Arbeitsunfälle und möglicher Mängel beim Arbeitsschutz in der Kritik von Gewerkschaften.
Lesen Sie auch:
Tesla unter Druck: Behörde hinterfragt Sicherheit des Autopilot-Systems
EU-Strafzölle gegen China: Explodieren jetzt die Preise für Elektroautos?
Chinesen greifen Tesla mit billigen humanoiden Robotern an
Tesla will bald echte humanoide Roboter einsetzen – aber wofür?
Warum Elon Musk mit rechten Politikern kungelt
Doch der morgendliche Blackout war auf Sabotage zurückzuführen – auf einen Strommast in der Nähe des Werks war ein Brandanschlag verübt worden. Davon geht die Brandenburger Polizei aus, weitere Ermittlungen hat der Staatsschutz des Landeskriminalamts übernommen.
Polizei prüft Bekennerschreiben zu Brandanschlag
Auch ein Bekennerschreiben ist inzwischen aufgetaucht. Eine "Vulkangruppe", die bereits 2021 verdächtigt wurde, einen Brandanschlag auf die Stromversorgung der Tesla-Baustelle verübt zu haben, reklamierte auf der Plattform Indymedia auch den heutigen Anschlag für sich und warf Tesla "extreme Ausbeutungsbedingungen" vor. Das Unternehmen sei weder ökologisch noch sozial.
Die Gruppe wird als linksextremistisch bezeichnet. Die Polizei erklärte das Schreiben aber nicht unmittelbar für authentisch: Die Echtheit werde geprüft, sagte ein Sprecher laut einem Bericht der Deutschen Presse-Agentur.
Nach Sabotage auch Privathaushalte in Teilen Berlins ohne Strom
Von den Folgen des Anschlags waren auch Privathaushalte betroffen – dabei lehnen die Anwohnerinnen und Anwohner den Ausbau des Tesla-Werks selbst mehrheitlich ab. Neben dem Tesla-Werk mit rund 12.500 Beschäftigten waren zeitweise die Stadt Erkner und Teile Berlins ohne Strom. Die Boulvardzeitung BZ bezeichnete die noch unbekannten Täter als "Ökoterroristen".
Unabhängig davon gibt es breiten öffentlichen Protest gegen die Erweiterungspläne von Tesla. Eine Waldbesetzung läuft seit Donnerstagabend, organisiert von Umwelt- und Klimabewegten. Erst am Samstag hatten Beteiligte der Aktion nahe der Tesla-Produktionsstätte auf einer Pressekonferenz über ihre Ziele informiert.
Waldbesetzung und Öffentlichkeitsarbeit, um Tesla zu stoppen
Seit Donnerstagnacht halten die Aktivisten ein Forststück nahe dem Tesla-Werk in Grünheide (Oder-Spree) besetzt. Zunächst hatte sich an der Waldbesetzung nur rund ein Dutzend Menschen beteiligt, inzwischen sind es Hunderte, allerdings aus dem gesamten Bundesgebiet. Dutzende Baumhäuser wurden in etwa acht bis zehn Metern Höhe errichtet.
In einer ersten Stellungnahme der Besetzer zu dem Sabotageakt hieß es: "Wir haben heute aus der Presse erfahren, dass es durch einen Brand an einem Strommast zu einem Stromausfall in der Region Erkner sowie auch bei der Tesla Gigafactory kam. Uns liegen keine Informationen darüber vor, wer oder was für diesen Brand verantwortlich ist."
Die Fabrik sei eine Gefahr für die Trinkwassersicherheit der Region, für das Klima und die arbeitende Bevölkerung weltweit. Betont wird aber auch: "Wir bedauern, dass viele Menschen in der Region von dem Stromausfall betroffen waren und sind."
Wochenlanger Protest geplant: Worauf die Polizei sich einstellt
Die Besetzer haben sich auf einen wochenlangen Protest eingerichtet. Je länger die Besetzung dauere, desto besser, hatte eine Sprecherin der Initiative "Tesla stoppen" erklärt. Die Polizei wollte den Protest zunächst bis zum 15. März dulden, stellte sich aber bereits auf langfristige Proteste ein.
Auch Aktivisten der Gruppe "Robin Wood" hatten unter dem Motto "Wald statt Monsterfabrik" eine Holzplattform in einem der Baumwipfel installiert, auf der Kletternde verweilen können.
Einladung an Anwohner und Sympathisanten
Spaziergänger oder Sympathisanten waren eingeladen, sich das Camp anzusehen oder sich dem Protest anzuschließen. Etliche Besucher nahmen bereits an einem Protest-Waldspaziergang am Samstag teil.
Für die Produktion von Millionen Elektroautos will Tesla sein 300 Hektar großes bestehendes Werksgelände um einen Güterbahnhof, Lagerhallen und einen Betriebskindergarten erweitern. Dafür sollen mehr als 100 Hektar Wald gerodet werden. Der geplante massive Eingriff gefährde die Trinkwasserversorgung, schade dem Klima und bremse die Verkehrswende aus, kritisieren Umweltschützer.
Die Initiative "Tesla stoppen" kritisiert vor allem den hohen Wasserverbrauch und befürchten dessen Folgen für Umwelt und Artenschutz. Während einige einen kompletten Betriebstopp fordern, verlange andere lediglich umweltverträgliche Fortbewegungsmittel wie Güterzüge.
Ein weiterer Kritikpunkt sind die Arbeitsbedingungen und hohen Krankenstände bei Tesla. Tesla hingegen sieht Vorteile für die Region, wenn der Bebauungsplan durchkäme. Der Güterverkehr könnte mit dem Werksbahnhof entlastet werden. Zudem gehe es auch um mehr Liefersicherheit mit Lagerflächen, so das Unternehmen.
Sorge um Trinkwasser: Tesla-Standort in extrem trockener Region
Den Besetzern geht es vor allem um das Trinkwasserschutzgebiet. In einer der trockensten Regionen Deutschlands bedeute der geplante Eingriff, die Trinkwasservorräte zu rationieren, neben erhöhter Waldbrandgefahr, erklärt eine Aktivistin in einem Video. Wieder einmal werde deutlich, wie im Kapitalismus knappe Ressourcen verteilt werden, betont ihre Mitstreiterin.
Die Profitinteressen von Elon Musk und dessen Konzern würden über die Interessen aller anderer gestellt. Sie persönlich sei hier, weil sie noch Hoffnung habe, dass man sich nicht alles von Mega-Konzernen gefallen lassen müsse, erklärt Aktivistin Caro Weber.
Die Initiative vertraue nicht darauf, dass die Politik dem Willen der Einwohner folgen werde, da schon das bestehende Werk mit Sondergenehmigungen und vorzeitiger Zulassung gebaut worden sei
Grünheide unterstützt die Proteste gegen Tesla
Auch wenn die Aktion überraschend kam, so verfolgen die Waldbesetzer doch die gleichen Ziele wie die Bürgerinitiative, erklärt deren Sprecher Steffen Schorcht. Die Bürgerinitiative habe all ihre Möglichkeiten genutzt. Man habe die Verfahren begleitet, mit Politikern, Behörden und sogar mit Tesla gesprochen.
Doch getan habe sich nichts. Auch Manu Hoyer, Vorstandschefin des Vereins für Natur und Landschaft in Brandenburg, solidarisiert sich mit den Aktivisten.
Sie freut sich, dass sich so viele junge Menschen für das Wasser und für den Wald einsetzen. Unterdessen rieten die Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB) Tesla zu einer offensiveren Kommunikation und Informationspolitik. Es sei eine ungewöhnliche Strategie, mit niemandem zu sprechen, außer mit den zuständigen Stellen, wundert sich UVB-Geschäftsführer Alexander Schirp.
Mehrheit der Bürger lehnt Tesla-Ausbau ab
Die Initiative will mit der Besetzung des Waldstücks auch das Votum der Bürger von Grünheide unterstützen, die kürzlich in einer Einwohnerbefragung zu knapp zwei Drittel gegen den entsprechenden Bebauungsplan stimmten.
Das Votum ist zwar rechtlich nicht bindend, gilt aber als wichtige Wegmarke. Die Gemeindevertreter müssen darüber noch entscheiden. Glaubt man Bürgermeister Arne Christiani, werden sie sich nicht gegen das Votum der Bürger stellen.
Tesla überschreitet Grenzwerte bei Phosphor und Stickstoff
Dem Wasserverband Strausberg-Erkner (WSE) zufolge überschreitet der US-Elektroautobauer bereits seit zwei Jahren die Abwassergrenzwerte, teilweise sogar um das Sechsfache, vor allem den Wert für refraktären Phosphor, aber auch für Stickstoff.
Vergangenen Freitag wollte der Wasserverband nun beraten, ob die Abwasserentsorgung bei Tesla eingestellt wird. Doch dazu kam es nicht. Denn die Beschlussvorlage von WSE-Verbandsvorsteher Andre Bähler, die Abnahme von Abwasser der Gigafactory in Grünheide zu stoppen, wurden nicht zur Abstimmung gestellt. Stattdessen wurde die Versammlung unterbrochen und vertagt.
Mit einem Stopp seiner Abwasserentsorgung muss Tesla somit vorerst nicht rechnen. Mehrere Aufforderungen und Abmahnungen hierzu blieben ergebnislos.
Tesla-Boss Musk schreibt sich gute Umweltziele zu
Stattdessen reagiert der Investor mit Drohungen: Ein Entsorgungsstopp einer Einleitung der Abwässer werde zu einem Produktionsstopp der Gigafactory führen, warnt Tesla in einem Schreiben des Unternehmens an den WSE. Und: Ein derartiger Beschluss werde einen täglichen Schaden in Millionenhöhe verursachen.
Den Sabotageakt am Dienstagmorgen kommentierte der US-Milliardär und Tesla-Boss Elon Musk auf seiner Plattform X: "Das sind entweder die dümmsten Ökoterroristen der Welt oder sie sind Marionetten derer, die keine guten Umweltziele haben", schrieb Musk. "Die Produktion von Elektrofahrzeugen anstelle von Fahrzeugen mit fossilen Brennstoffen zu stoppen, ist extrem dumm." Dabei schrieb der Tesla-Chef die Wörter "extrem dumm" auf Deutsch.