Die Stunde der Rüstungs- und Kriegslobbyisten

Seite 2: USA: Die Pro-Bono-Lobbyisten für die Ukraine

In den USA ist Lobbyismus im Rüstungssektor noch tiefer verankert in Politik und Gesellschaft. Das liegt auch an den Summen und der Macht des militärisch-industriellen Komplexes. Letztlich geht es um die Verteilung eines gigantischen Wehretats von heute weit über 800 Milliarden Dollar. Die Hälfte davon, rund 400 Milliarden, gingen letztes Jahr direkt an Rüstungsfirmen.

Nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine kam Unterstützung für das Land aus scheinbar jeder Branche in den Vereinigten Staaten. Doch einer der wichtigsten Sektoren, der der Ukraine zu Hilfe kam, ist die mächtige Lobbyindustrie in Washington, wie Eli Clifton und Ben Freeman vom Quincy Institute auf Responsible Statecraft berichten.

Die russische Invasion habe einige der größten Lobbyisten dazu veranlasst, das Undenkbare zu tun – Lobbyarbeit pro bono, also umsonst, für die Ukraine zu betreiben. Einige der Firmen haben dabei durchaus finanzielle Anreize: Sie streichen Millionenhonorare der Auftragnehmer des Pentagons ein, die wiederum große Gewinne durch den andauernden Krieg in der Ukraine generieren können.

Die Pro-Bono-Lobbyisten für die Ukraine profitieren also indirekt, im Stillen, von ihren Lobby-Kunden aus der Rüstungsindustrie. Sie arbeiten einerseits daran, die US-Politik auf die Beschaffung von mehr Waffen für Kiew zu lenken, vertreten andererseits aber zugleich auch Waffenhersteller.

Gemäß dem Foreign Agents Registration Act (FARA) müssen in den USA jene, die ausländische Organisationen und Personen in den USA repräsentieren, offiziell registriert werden. Seit der russischen Invasion trugen sich 25 Personen in die FARA-Liste ein und erklärten, ukrainische Interessen pro bono zu vertreten. Ein enormer Anstieg.

Viele dieser neuen, ehrenamtlichen Ukraine-Lobbyisten drängen mit ihrer Lobbyarbeit auf eine stärkere militärische Unterstützung der USA für das ukrainische Militär. Hinter den Personen stehen Rechtsanwaltskanzleien wie Hogan Lovells, Lobbying- und Kommunikationsfirmen wie BGR Government Affairs, das PR- und Strategieberatungsbüro von Mercury Public Affairs, der Kommunikationsstratege Navigators Global oder die Werbe- und PR-Agentur Ogilvy.

Zum Teil über angeheuerte ehemalige Politiker wie den republikanischen Senator Norm Coleman, der nun für Hogan Lovells unterwegs ist, werden Lobbyevents für die Ukraine in Washington D.C. organisiert und Kontakt zu Parteien, Abgeordneten und Senatoren aufgebaut, um für mehr Unterstützung für die Ukraine zu werben.

Wie schon erwähnt: Diese Meinungspflege wird von den US-Agenturen für ihre ukrainischen Kunden betrieben, ohne Geld dafür zu verlangen. BGR stellt seine Dienste kostenlos dem ukrainischen Parlamentsabgeordneten Vadym Ivchenk und der Beraterin des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, Elena Lipkivska Ergul, zur Verfügung.

Norm Coleman von Hogan Lovells agiert als Umsonst-Lobbyist für eine vom ukrainischen Oligarchen Victor Pinchuk kontrollierte Stiftung. Navigators Global vertritt vertraglich den Ausschuss für nationale Sicherheit, Verteidigung und Nachrichtendienste des ukrainischen Parlaments. Ebenfalls pro bono.

Ogilvy arbeitet für das Ministerium für Kultur und Informationspolitik der Ukraine. Mercury ließ sogar seinen langjährigen russischen Kunden fallen, der drei Millionen für die Agentur einspielte, um einen neuen in der Ukraine zu finden.

Was allerdings von den Firmen nicht an die große Glocke gehangen wird: Sie erhalten zugleich viel Geld von Waffenherstellern. So erhielt BGR im Jahr 2022 eine halbe Million Dollar von Rüstungskonzernen, für die man Lobbying betrieb, um vom Pentagon Milliardengeschäfte in Bezug auf den Ukraine-Krieg zu erhalten. Navigators Global erhielt im letzten Jahr 830.000 Dollar von Pentagon-Vertragspartnern. Auch die anderen Firmen verdienen gut an Waffengeschäften, angefeuert vom Ukraine-Krieg.

Es ist in gewisser Weise ein fataler, sich verstärkender Waffen-Lobbying-Kreislauf, der die USA und den Westen immer tiefer in den Krieg ziehen könnte. Eli Clifton und Ben Freeman warnen daher:

Die Geldflut für Waffenfirmen und ihre Ausgaben für Lobbyisten werden immer weiter zunehmen. Für viele Lobbying-Firmen können diese Einnahmen einen wachsenden finanziellen Anreiz schaffen, die US-Politik in eine Richtung zu lenken, die Synergien mit den Interessen ihrer bezahlten Kunden erzeugt.