Die Systemfrage als Überlebensfrage

Seite 3: Eine alternative Produktionsweise: Das Internet wäre endlich zu etwas Vernünftigem gut!

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Der gesellschaftliche Prozess, in dem die - zivilisatorisch überlebensnotwendigen - Systemalternativen zum kapitalistischen Dauerchaos gesucht werden können, ist der eines breiten, öffentlichen Diskurses (dies ist eine notwendige, aber angesichts der gegebenen Realitäten nicht wahrscheinliche Voraussetzung). In einem öffentlichen Verständigungsprozess würden nicht nur die Grundlagen einer postkapitalistischen Gesellschaft kontrovers diskutiert, dieser Diskurs würde auch als Keimform einer solchen alternative Produktionsweise fungieren.

Der unbewusste gesamtgesellschaftliche Reproduktionsprozess mittels der fetischistischen Verwertungsbewegung des Kapitals würde der bewussten gesellschaftlichen Reproduktion weichen. An die Stelle der Produktion durch isolierte Marktsubjekte träte der Prozess einer bewussten, egalitären Verständigung der Gesellschaftsmitglieder über Form und Inhalt der gesellschaftlichen Reproduktion.

In einem gesamtgesellschaftlichen - über das Internet organisierten - Diskurs würden die Menschen sich über das verständigen, was produziert wird und wie es produziert wird. Das Internet, das derzeit nur als Marktplatz von Wahnideen und Bühne für Eitelkeiten dient, wäre endlich zu etwas Vernünftigem gut!

Die Tätigkeitsform der Gesellschaftsmitglieder würde sich somit im Postkapitalismus radikal wandeln: Die Lohnarbeit würde in der Tendenz absterben, während die kollektive Diskussion über die Ausgestaltung und das Organisieren des weitestgehend automatisierten Produktionsprozesses mehr Zeit in Anspruch nähme.

Dies wäre eine bewusste - durchaus nicht spannungsfreie! - Organisation der gesellschaftlichen Reproduktion, die im Gegensatz zum Fetischismus einer entfesselten, destruktiven Kapitaldynamik stünde. Letztendlich käme dies einem Abschluss des Zivilisationsprozesses gleich, bei dem der unbewusst, fetischistisch ablaufende Reproduktionsprozess der Gesellschaft deren bewusster Gestaltung weichen würde. Dies wäre somit der Ausgang aus der "Vorgeschichte der Menschheit" (Marx).

Ein rationaler gesamtgesellschaftlicher Diskurs über Systemalternativen wäre auch ein rationales Gegengift zum Populismus und zum irrationalen Identitätswahn, der in Krisenzeiten um sich greift. Die Absurdität ist eigentlich evident: während der Spätkapitalismus in der Krise versinkt, diskutiert eine Öffentlichkeit über Kopftuch und Lederhose.