Die Troika, aber auch Syriza sparen nicht bei den griechischen Militärausgaben

Seite 2: Deutschland profitiert am meisten von den griechischen Militärausgaben

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Korruption ist in Griechenland ein großes Problem, sie gilt als ein Hauptgrund für die Schuldenkrise. Bestechung von Beamten, Politikern und Polizisten sowie die Versorgung naher Verwandter mit Jobs, Geld oder Aufträgen ist eher die Regel als die Ausnahme.

Die Regierungen Schröder und Merkel interessierten sich nur für die Milliardenaufträge für deutsche Unternehmen; denn es gibt keinen Zweifel: Das Land, das am meisten von Griechenlands hohen Rüstungsausgaben profitiert, ist Deutschland. Nach Schätzungen des Stockholmer Instituts für internationale Friedensforschung (SIPRI) sind Deutschland und Frankreich Griechenlands größte Lieferanten konventioneller Waffen.

Deutschland liefert zirka 15 Prozent seiner Rüstungsexporte nach Griechenland, Frankreich rund 10 Prozent. Druck auf Athen, beim Militär zu sparen, hält die Bundesregierung bislang nicht für geboten. Im Gegenteil: Wenn deutsche Spitzenpolitiker nach Athen reisen, haben sie immer auch große Rüstungspakete im Gepäck.

So gibt Griechenland für das Militär gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) seit Jahrzehnten mehr aus als die meisten europäischen Staaten. Als Anteil des BIP gibt Griechenland für Rüstung doppelt so viel wie jedes andere Mitglied der EU aus. Vier Prozent aller weltweit gehandelten Waffen werden nach Griechenland verkauft.

Gemessen am Bruttoinlandsprodukt zählte Athen in der vergangenen Dekade zu den NATO-Mitgliedstaaten mit den höchsten Verteidigungsausgaben. Zwischen 3,5 Prozent (2003) und 2,4 Prozent (2013) des BIP wurden von Griechenland für den Wehretat jährlich aufgewendet. 2013 reichte es damit für den dritten Platz unter den NATO-Staaten: Nur England und die USA gaben mehr Geld für Armee und Rüstungsprojekte aus.

Griechenland bezieht 31 Prozent seiner Rüstungsgüter von deutschen Unternehmen und ist zweitgrößter Abnehmer deutscher Waffen aus Beständen der Bundeswehr. In den letzten zehn Jahren importierte Griechenland Waffen im Wert von mehr als 11 Milliarden US-Dollar.

Hauptprofiteur ist die Rüstungsindustrie in den USA, Deutschland und Frankreich. Und die will weiter verkaufen. Daran lässt sich unschwer erkennen, weshalb der Rettungsschirm auch für Eurozonenländer wie Deutschland und Frankreich so wichtig ist: Ohne ihn könnte Griechenland nämlich die Rüstungsmilliarden gar nicht zahlen.

Auf eine Wechselbeziehung zwischen griechischen Schulden und deutschen Rüstungsexporten lassen die Zahlen früherer Rüstungsexportberichte der Bundesregierung schließen. Seit dem Beitritt Griechenlands zur Eurozone wurden von 2001 bis 2014 gut 2,5 Prozent der griechischen Rüstungsausgaben allein für deutsche Kriegswaffen und Rüstungsgüter ausgegeben.

Bei den Geschäften deutscher Rüstungskonzerne mit Griechenland wurde in den vergangenen zwei Jahrzehnten kräftig bestochen. Die griechische Regierung geht gegen deutsche Rüstungsfirmen wegen des Verdachts von Schmiergeldzahlungen vor. So wurde beispielsweise einem Milliardendeal zwischen Griechenland, Ferrostaal und Thyssen-Krupp über den Bau von U-Booten zu Beginn der 2000er Jahre nachweislich mit 62 Millionen Euro Schmiergeld nachgeholfen, Ferrostaal musste in Deutschland eine Strafe von 140 Millionen Euro zahlen.

Die Waffenschmiede Rheinmetall verdonnerte die Staatsanwaltschaft in Bremen wegen Bestechung in Griechenland zur Zahlung von 37 Millionen Euro. In Griechenland sagte der ehemalige Spitzenbeamte Antonis Kantas aus, auch von Krauss-Maffei-Wegmann (KMW) 1,7 Millionen Euro für ein Geschäft über die 170 Leopard-2-Panzer für insgesamt 1,7 Milliarden Euro kassiert zu haben. Der Konzern bestreitet das. Kantas, auf dessen Konten Ermittler bis zu 15 Millionen Euro fanden, war für die Ausschreibung des Panzerdeals verantwortlich. Die Skepsis gegen den Kauf der Panzer, die er zunächst als "zu teuer" deklariert habe, habe er sich von KMW abkaufen lassen, so Kantas Aussage.

Dabei stellen die hohen Militärausgaben einen besonders unwirtschaftlichen Kostenfaktor dar, denn sie sind völlig unproduktiv. Das Land verliert mit den Milliarden für das Militär Geld, das es dringend bräuchte, um rentable Industriezweige aufzubauen. Doch die kommen nicht zu Stande.

Reformen zur Verkleinerung der Armee, der Rüstungsindustrie und der Waffenkäufe sind auch nicht vorgesehen. Im Jahr 2000 betrugen die griechischen Militärausgaben 5,921 Milliarden Euro. 2008 lagen sie bereits bei 8,620 Milliarden Euro. Der damalige griechische Ministerpräsident Kostas Simitis rühmte sich, er habe "das größte Aufrüstungsprogramm in der modernen Geschichte Griechenlands in Gang gesetzt". Es sah von 1996 bis 2006 Waffenkäufe von 25 Milliarden Euro vor. Sein Nachfolger Kostas Karamanlis plante für den Zeitraum 2006 bis 2016 sogar Waffenkäufe von 26,7 Milliarden Euro ein.

Zwar stutzte die Regierung unter dem Eindruck der Krise 2011 den Etat für neue Waffenkäufe von 1,5 Milliarden auf 600 Millionen Euro. Die Hochrüstung ist eine der Ursachen für die gewaltige Verschuldung des Landes - nicht die einzige, aber eine gewichtige. Hohe Militärausgaben, Korruption und fehlende Strukturen sind die anderen Ursachen für den Niedergang Griechenlands.

40 Milliarden Euro ist die Summe, die allein in diesem Jahrzehnt hätte eingespart werden können, hätte Griechenland lediglich denselben Anteil seiner Wirtschaftsleistung für Militär und Rüstung aufgewendet wie Deutschland. 40 Milliarden Euro entsprechen etwa zehn Prozent der gesamten griechischen Staatsschulden. Die Zinszahlungen für diese Summe belaufen sich bei den hohen Zinsen, die Griechenland zahlen muss, auf fast zwei Milliarden Euro pro Jahr.

Allein an diesen Zahlen wird erkennbar, wie verlogen die von Bundesregierung und interessierten Medien betriebene Schuldzuweisung der griechischen Misere ist. Die exorbitanten Rüstungsausgaben lagen ganz im Sinne der NATO-Strategie und im Interesse der Kassen der Rüstungswirtschaft.

Bei seinem letzten Besuch in Griechenland 2013 bestand der damalige Außenminister Guido Westerwelle nachdrücklich darauf, dass die beim deutschen Staat und Unternehmen aus Deutschland aufgelaufenen Schulden zuerst zu bedienen sind und dass Griechenland an den vereinbarten Rüstungseinkäufen festhalten müsse.

Die Troika richtete damals außerdem ein Sonderkonto für griechische Staatseinnahmen, auf das zuerst die Gläubiger Zugriff haben sollen - und unter anderen deutsche Waffenlieferanten. Der Bankrott Griechenlands wurde in Kauf genommen, damit unter anderen die deutsche Industrie und die Banken nicht weiter ins Trudeln geraten.