"Die USA sind zu 90 Prozent für die aktuelle Situation im Irak verantwortlich"
- "Die USA sind zu 90 Prozent für die aktuelle Situation im Irak verantwortlich"
- Das Machtvakuum, das durch den Irak-Krieg entstand, wurde nie mehr gefüllt
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Ex-CIA-Agent und Nahost-Experte Robert Baer über ISIL und die Lage im Irak
Der scheinbar überraschende Erfolg der einstigen al-Qaida-Gruppe ISIL oder ISIS, die sich nun, nachdem sie ein Kalifat ausgerufen hat, Islamischer Staat nennt, lässt daran zweifeln, wie gut die US-Geheimdienste überhaupt wirkliche Krisen und Gefährder im Visier haben. Offenbar war auch die US-Regierung nicht auf den "Blitzkrieg" der IS im Irak vorbereitet, der die ganze Region durcheinander wirbelt. Allerdings gilt die NSA als der mächtigste Geheimdienst, der weltweit Daten abgreift und dies auch im Irak gemacht hat, aber er scheint mehr über amerikanische oder deutsche Bürger zu wissen als etwa über den IS-Führer al-Baghdadi, auch wenn dieser schon einmal im Irak in US-Haft war. Anlass, einmal bei Robert Baer, einem Ex-Mitarbeiter der CIA (1976-1997) nachzufragen. Er hatte als Agent im Irak gearbeitet und gilt als Experte für den Nahen Osten.
Sie kennen den Irak wie Ihre Westentasche, waren dort während Ihrer Dienstzeit als CIA-Agent operativ tätig. Glauben Sie noch an eine Zukunft des Irak, in den heutigen Grenzen?
Robert Baer: Absolut nicht, das ist vorbei, der Irak zerbricht entlang seiner ethnischen und religiösen Trennlinien, wobei die endgültigen Grenzen noch nicht gezogen sind. Ich wurde Mitte der 1990er Jahre in den Irak geschickt, um eine Opposition gegen Saddam Hussein zu organisieren, man könnte auch sagen, eine Revolte. Schon damals aber realisierte ich, dass der Irak ohne Saddam, ohne sein nationalarabisches BAATH- Regime, nur unter großen Schwierigkeiten erhalten werden könnte.
Sie arbeiteten damals überwiegend mit kurdischen Oppositionsgruppen zusammen.
Robert Baer: Nicht nur, ich war damals, wie Sie anfangs richtig bemerkten, operativ tätig, was beinhaltete, dass ich mit einem großen Radius potentieller Kreise in Kontakt trat. Zu meinen Kontakten zählten auch sunnitische Stammesführer, der schiitische Widerstand selbstverständlich, aber auch die Opposition, innerhalb der herrschenden BAATH -Partei. Aber letztendlich schien der kurdische Widerstand der kompetenteste zu sein, weil es dabei auch um die staatliche Unabhängigkeit ging, die nur ohne Saddam in die Wege geleitet werden konnte, wenn überhaupt.
Wie muss man sich so eine operative Tätigkeit in einem Land wie dem Irak vorstellen?
Robert Baer: Sie haben sicherlich Verständnis dafür, dass ich Ihnen darüber keine Auskunft geben kann. In meinen Büchern habe ich mich ja ansatzweise darüber ausgelassen. Ich kann Ihnen nur so viel sagen: Es ist nicht immer wie bei James Bond, manchmal aber schon. Spionage ist ein riskantes Unternehmen. Einige dieser Risiken führen zu Erfolgen, andere zu Niederlagen.
Halten Sie Spionage heute noch für eine wirksame Waffe?
Robert Baer: Ja. Wenn die USA ihre Augen und Ohren im Nahen Osten verlieren, würden wir uns von anderen Mächten einseitig abhängig machen. Das kann keine Alternative sein.
Dieser kurdische Widerstand im Irak wurde dann ja von der Regierung Clinton links liegengelassen, obwohl Sie sich leidenschaftlich bei Ihrer Dienststelle in Washington dafür einsetzten, diese Bewegung zu unterstützen.
Robert Baer: Richtig, deshalb verließ ich ja auch damals die CIA nach über 20 Jahren, weil ich diese Politik nicht mehr mit meinen Vorstellungen vereinbaren konnte.
Ihre Erfahrungen verarbeiteten Sie dann in Ihrem Buch "Der Niedergang des CIA".
Robert Baer: Exakt. Bevor Sie mich darauf ansprechen, natürlich ist geheimdienstliche Tätigkeit keine saubere Arbeit, auch keine Schule der Menschlichkeit, man macht sich sprichwörtlich die Hände schmutzig, wenn dann aber auch die Strategie keinen Sinn macht, wie damals in diesem Fall, und auch noch danach. Ich wusste aber allerdings, so viel hatte ich vor Ort gelernt, dass uns diese Region noch lange beschäftigen wird. So ist es dann ja auch gekommen, wie wir aktuell sehen können.
Der Gewinner der Krise ist der Iran, der stabilsten Staat in der Region
Sind die Kurden die Gewinner der aktuellen Entwicklung?
Robert Baer: Mit Sicherheit, zumindest die Kurden im Irak. Die Kurden in Syrien wohl eher nicht, sie werden wieder unter die Herrschaft Bagdads oder Damaskus streben. Trotzdem bleiben dabei erhebliche Risiken auf dem Weg zu einer wirklichen Unabhängigkeit. Allerdings nicht von Seiten ISIS, aber natürlich wird die Türkei genau beobachten, was sich dort vollzieht.
Gibt es noch ein Land, welches aufgrund der aktuellen Krise profitiert?
Robert Baer: Der Iran gehört natürlich zu den Gewinnern, weil jetzt in Washington endlich realisiert wird, dass es sich um den stabilsten Staat in der Region handelt. Iran ist eine Nation mit gewaltigem Potential, welches bisher aber nicht ausgeschöpft wird, mit natürlichen Grenzen, kein koloniales Kunstgebilde wie der Irak, mit einem stabilen Staatsaufbau und einer starken Armee. Wenn man in Teheran keine Dummheiten macht, kann es dem Iran gelingen, seine außenpolitische Isolation zu überwinden.
Was aber sicher Verbündete Washingtons wie Saudi-Arabien nicht so einfach akzeptieren würden?
Robert Baer: Saudi-Arabien und Pakistan sind keine zuverlässigen Partner. Die USA benötigen Verbündete mit Durchsetzungskraft, nicht irgendwelche Stämme, die sich langfristig kaum an der Macht halten dürften.
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