"Die USA sind zu 90 Prozent für die aktuelle Situation im Irak verantwortlich"

Seite 2: Das Machtvakuum, das durch den Irak-Krieg entstand, wurde nie mehr gefüllt

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Betrachten Sie es als einen Fehler, dass Riad vom Westen aufgerüstet wird?

Robert Baer: Einer der größten Fehler überhaupt. Jetzt erleben wir es doch, dass die Aufrüstung Saudi-Arabiens als Frontstaat gegen den Iran eine totale Fehlkalkulation war. Der Westen und Iran haben einen gemeinsamen Feind, nämlich den militanten sunnitischen Extremismus wahhabitischer Prägung, also das, was man al-Qaida zu nennen pflegt oder heute ISIS.

Eine Kooperation des Westens mit dem Iran, ist momentan der einzige Weg, die Region wieder zu stabilisieren. Das gilt auch für Afghanistan, wo wirklich nichts geregelt ist. Saudi-Arabien ist übrigens einer der großen Verlierer der Entwicklung.

Inwiefern?

Robert Baer:: Um es metaphorisch auszudrücken: Riad wird jetzt die Geister nicht mehr los, die es selbst rief. Jahrzehntelang unterstützen die Saudis den ganzen salafistischen Aufruhr, jetzt beginnen sie ISIS zu fürchten, haben aber auch noch mit der schiitischen Minderheit im eigenen Land zu tun.

George W. Bush wollte nach 2003 einen "Leuchtturm der Demokratie" im Irak errichten. Welche Verantwortung tragen die USA für die aktuelle Krise im Irak?

Robert Baer: Die USA sind zu 90% für die aktuelle Situation im Irak verantwortlich. Ich war absolut gegen Saddam Hussein, aber ich war auch gegen einen einfachen Regime-Change, frei nach dem Motto, wenn der böse Diktator weg ist, dann wird alles gut, ohne Alternativplan. Das waren die naiven Ideen von irgendwelchen unbedarften Menschen, die damals in Washington das Sagen hatten, die von der Region aber keine Ahnung hatten.

Das Machtvakuum, welches damals entstand, wurde doch nie mehr gefüllt. Wo ein Vakuum entsteht, da kommt es auch zu einem Sog. Das gilt auch für politische Prozesse.

Kommen wir noch einmal auf die aktuelle Entwicklung im Irak zu sprechen, auf den Vormarsch von ISIS. Sie erwähnten eben, Sie hätten früher auch mit sunnitischen Stammesführern Kontakt gehabt. Haben Sie heute noch Kontakte dorthin?

Robert Baer: Allerdings, ich habe immer noch viele Freunde unter den sunnitischen Stammesführern in Anbar. Die junge Generation dort revoltiert jetzt gegen das konservative Establishment und gegen die Maliki-Regierung in Bagdad. Eine nicht unerhebliche Anzahl dieser sunnitischen Stämme hat sich der ISIS angeschlossen, zusammen mit ehemaligen Offizieren der BAATH-Partei. Diese Bewegung speist sich auch aus unzufriedenen Sunniten, die von der Regierung angewidert sind, ohne die es für die paar Tausend ISIS Kämpfer unmöglich wäre, den ganzen Nord-Irak zu übernehmen. Ich warnte meine Freunde dort, sich mit der ISIS einzulassen, aber sie hören nicht mehr auf mich, es ist dafür zu spät.

Wie kann es eigentlich angehen, dass der Anführer der ISIS ,Abu Bakr al-Baghdadi, der sich einst in US-Gefangenschaft befand, fast wie aus dem Nichts auftauchte, um seinen Siegeszug anzutreten?

Robert Baer: Das liegt daran, das können Sie mir glauben oder auch nicht, dass die CIA in den letzten Jahren keinen einzigen Mitarbeiter mehr in Syrien hatte. In Syrien entstand das Phänomen ISIS, die Gruppe profitierte von den westlichen Waffenlieferungen gegen Assad.

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