Die Ukraine und die "Büchse der Pandora"

Seite 2: Berufung auf das Minsker Abkommen, aber nur wenn es passt

Stattdessen baute die Nato das Bild auf, Russland destabilisiere die Ukraine, übe dort Gewalt aus und verletze mit bewaffneten Kräften aggressiv und die Souveränität des Landes.

Dabei erfolgt auch wiederholt der Appell, Russland möge sich an die Vorschriften des Minsker Abkommens halten, das Russland und die Ukraine unter Vermittlung von Deutschland und Frankreich unterzeichnet hatten. Dieses völkerrechtlich relevante Abkommen zur Beendigung der Gewalt beinhaltet allerdings in Punkt 9 die Vorschrift, dass die Regierung in Kiew einen Dialog mit Vertretern der russischsprachigen Regionen in der Ostukraine Modalitäten für neue Wahlen aushandeln sollte. Dazu kam es jedoch nie.

Dem einseitigen und somit unzutreffenden Bild, dass ausschließlich die russische Seite Rechtsverletzungen begangen habe, entspricht die Propaganda der Nato und ihrer Unterstützer, der Westen müsse wegen der russischen Gefahr immer noch weiter aufrüsten. Dies behaupten sie, obwohl allein schon mit Frankreich und Deutschland zwei der Nato-Staaten deutlich mehr fürs Militär ausgeben als Russland.

Im Zusammenhang mit der Propaganda der Nato hat dieses Militärbündnis die Stimmung dafür gemacht, dass immer mehr osteuropäische Länder zu Nato-Staaten wurden, um sich den "Schutz" gegen Russland zu sichern. Dieser vermeintliche Schutz umfasst auch das atomare Arsenal der Nato, das die USA aktuell weiter entwickeln, sodass es "nutzbarer" wird, wie ein US-General bekundet.

Den Beschluss über die Stationierung dieser Angriffswaffen, die die Schwelle zum Atomkrieg senken, fällte die Nato auf ihrem Chicago-Gipfel bereits zwei Jahre vor der Krim-Krise. Nach dem Ausbruch der Krim-Krise legitimierten Nato-Vertreter und sie unterstützende Kräfte die Modernisierung der Atomwaffenarsenale, deren Stationierung nach Nato-Plänen in dieser Legislaturperiode ansteht, mit der Krim-Krise.

Die Propaganda von der Reaktion auf die Krim-Krise soll die Öffentlichkeit auf die Seite der Nato ziehen, was auch allen Fakten zu Trotz sehr weitgehend erfolgreich geschehen ist und geschieht. Ein Grund ist das Narrativ, die Nato sei ein Bündnis zur Verteidigung der Demokratie, sie werde Russlands Forderung nach Stopp der Osterweiterung nicht zustimmen, da sie die Souveränität der Staaten achte, die dies wollen. Sie verteidige damit auch das Recht.

Verletzung der Rechtsgrundlage für die "Deutsche Einheit"

So wird der Fakt übergangen, dass die Nato-Ostausdehnung bis zur russischen Grenze die Versprechungen negiert, die der damalige Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher und US-Außenminister Baker der Sowjetunion bei den Verhandlungen zur "Deutschen Einheit" nachweisbar gegeben haben. Die Ankündigung, die Nato werde sich keinen Fußbreit nach Osten ausdehnen, war zwar für sich genommen völkerrechtlich nicht bindend.

Aber im "Zwei-plus-Vier-Vertrag" hatten sich die USA, Deutschland, Frankreich, die UdSSR und Großbritannien darauf geeinigt, dass sich das nun größer gewordene Deutschland für eine gesamt-europäische Friedensordnung einzusetzen hat, in der die Sicherheitsinteressen aller Staaten berücksichtigt werden.

Dagegen verstößt die Eskalationspolitik der Nato gegenüber Russland – und solange die deutsche Regierungspolitik sich nicht konsequent für eine solche Friedensordnung einsetzt, statt den Nato-Kurs zu stützen, verletzt sie den Vertrag, auf dessen Grundlage die Bundesrepublik Deutschland in ihren heutigen Grenzen seit 1990 existiert.

Wer am Frieden in Europa interessiert ist, sollte darauf hinwirken, dass das Recht von allen Seiten eingehalten wird und dass Vorkriegs-Rhetorik durch wahrheitsgemäße Aufklärung ersetzt wird. Ehe Kriege "ausbrechen", hat immer zuerst die Wahrheit verloren. Gefragt sind deshalb mehr korrigierende Stimmen – nicht nur aus der klassischen Friedensbewegung, sondern auch aus den ökologischen Bewegungen, die sich gleichermaßen für das Überleben der Menschheit einsetzen.

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