Die Unendlichkeit des Samplens

Éric Truffaz lässt sich remixen

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Wenn andere ihre Hand an die eigene Musik legen, dann kann das gut für die eigene Reputation sein. Nicht allein deshalb hat das Remix-Wesen längst die Grenzen der elektronischen Musik gesprengt und auf andere Sparten des Geschäfts übergegriffen. Doch für viele ist das fremde Spiel mit dem eigenen Material von grundlegender musikalischer Bedeutung, und wenn der französische Trompeter Éric Truffaz, wie auf seiner neuen Platte 'Revisité' (Blue Note Records/EMI) geschehen, Kollegen um Bearbeitung bittet, dann bekommt dieses Spiel eine besondere Wendung.

Schließlich hatte doch der Jazzer auf seinen letzten beiden Alben ('The Dawn' und 'Bending New Corners', beide Blue Note Records/EMI) versucht, die Konzepte elektronischer Musik in einen akustischen Kontext umzusetzen. Geschah dies zwar auch durch eine klangliche Annäherung an die Sounds von von Jungle, Acid und TripHop, indem vor allem Truffaz' Pianist, Peter Muller seine Fender Rhodes entsprechende Klänge zu entlocken versuchte, so arbeiteten Truffaz und seine Band in erster Linie aber mit rhythmischen Strukturen, aus denen sie ihre Tracks flechteten. In den besten Momenten ihrer Aufnahmen gelang es ihnen dabei, mittels des Kontrastes von Elektronik und Akustik eine gehörige Portion Spannung zu erzeugen.

Es überrascht daher auf 'Revisité', dass die meisten Remixe versuchen, diese Spannung aufrecht zu erhalten und die Musik nicht zu ihrem vermeintlich elektronischen Ursprung zurück zu führen. So halten sich die meisten Remixer zurück, setzten ihre Technik subtil ein und bewahren auf diese Weise den akustischen Charakter des Originals. Das geht soweit, dass Pierre Henry in seiner Version von 'More', auf den Einsatz seines Sampling-Equipments verzichtet und bei seiner zwölf Minuten langen Suite allein mit den Klängen arbeitet, die ihm die Original-Aufnahme bot.

Dennoch zeigt sich auf 'Revisité' eine eindeutige Akzentverschiebung. Die Klänge werden ihres harmonischen Korsetts entkleidet, reduziert zumeist auf ihre rhythmische Funktion. Wiederholung als Prinzip, selten entstehen füllige oder überbordende Klangkonzepte. Und wenn das wie in DJ Goos Version von 'Siegfried' geschieht, dann kann der Kontrast nicht größer sein, kommt doch 'Revisité' erheblich gelassener und entspannter als die Originale daher. Von dieser Grundstimmung aber profitiert vor allem einer: Eric Truffaz mit seinem kühlen, an Miles Davis erinnernden Trompetenton.