Die Wandlungsfähigkeit des deutschen Berufsbildungssystems

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Die aktuelle Debatte um Migranten betrifft auch die Ausbildung. Wenn ein Migrant hierzulande eine Ausbildung absolvieren möchte, dann stehen sowohl er als auch sein potentieller Ausbildungsbetrieb einem schier unübersehbaren Wirrwarr an bürokratischen Vorschriften und ihren Anwendungen gegenüber. Und wer mit einer Ausbildung nach Deutschland kommt, muss feststellen, dass viele ausländische Abschlüsse nicht anerkannt werden.

Seit längerem werden Vorschläge zum Wandel und zur Anpassung des Systems diskutiert: Schon seit etwa vier Jahren soll ein "Anerkennungsgesetz" die Verfahren zur Bewertung ausländischer Berufsqualifikationen vereinfachen und für bisher nicht anspruchsberechtigte Zielgruppen öffnen. Doch viele Antragsteller haben kaum Chancen auf Begleichung der Kosten und erreichen deshalb keine Anerkennung ihrer Qualifikation. Andere Vorschläge sollen Migranten und Unternehmen dahingehend unterstützen, dass hierzulande eine Ausbildung absolviert werden kann - etwa durch eine Verkürzung der Ausbildungszeiten.

Gemeinsam ist vielen Vorschlägen, dass sie machtlos sind gegenüber dem bürokratischen Chaos. Dabei kann das deutsche Berufsbildungssystem auf eine lange Tradition des Wandels zurückblicken.1 Die Regeln des dualen Ausbildungssystems wurden über 100 Jahre hinweg immer wieder angepasst:

Im Jahr 1897 verabschiedete eine autoritäre Regierung das Handwerkerschutzgesetz. Das sollte Handwerksmeister mit wenigen Beschäftigten, stärken, damit diese als "politisches Bollwerk gegen die rasch immer mächtiger werdende und radikale Arbeiterbewegung dienen konnte."2 Dies Gesetz wurde die zentrale Innovation, um die herum das duale System schließlich aufgebaut wurde.

Wirkung und Beständigkeit waren erstaunlich, denn eigentlich richtete es sich ans Handwerk und nicht an die Industrie; außerdem überlebte es mit zwei Weltkriegen und staatlichen Umwälzungen extreme Umbrüche. Es überdauerte demnach aufgrund dreier Umstände: positives Feedback, Trägheit - und Prozesse institutioneller Anpassung mit dem Ziel, einflussreiche neue Akteure einzubinden und sich neuen ökonomischen und politischen Herausforderungen zu stellen.

Fortlaufende Neuaushandlungen von Form und Umfang der Berufsbildungsinstitutionen haben sich im Lauf der Zeit so kumuliert, dass sie schließlich zu ihrer politischen und funktionalen Transformation führten:3 Ursprünglich reaktionär, repräsentiert und stabilisiert das Handwerkerschutzgesetz heute die Macht der Arbeitnehmervertretung in der Politischen Ökonomie.4

Das System wandelt sich weiter, und diese Transformation ist seit Ende der 1990er Jahre durch besonders zwei Entwicklungen stark geprägt: Zunächst durch die Europäisierung, denn inzwischen wird die Ausbildung in den EU-Mitgliedstaaten auch durch die EU beeinflusst. Die zweite Entwicklung lief in Deutschland ab, man kann sie beschreiben als Segmentalismus und Dualismus.5

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