Die Wut wächst
Die Fridays for Future-Bewegung und die "Extincton Rebellion" ("Aufstand gegen das Massensterben") üben zivilen Ungehorsam wie vor 30 Jahren die Demonstranten in der alten DDR. Damals "Wir sind das Volk", heute "Wir sind das Klima"
Vor 30 Jahren wurde das alte und unfähige DDR-System von hunderttausenden Bürgern und Bürgerinnen weg demonstriert. "Wir sind das Volk" hieß die Devise und "Keine Gewalt". So kam es zur von der ganzen Welt bestaunten friedlichen Wiedervereinigung Deutschlands.
Eine der Ursachen war die katastrophale Umweltpolitik der alten DDR-Regierung, hautsächlich bei der Braunkohle- und in der Chemie-Industrie. Hinzu kamen die Reise-Verbote in den Westen, die permanenten Menschenrechtsverletzungen in der DDR und die leicht durchschaubaren Wahlmanipulationen, welche die Wut der Menschen auf das DDR-System steigerten. Die Protestbewegung wurde immer mutiger, wütender und größer - bis Hundertausende auf die Straße gingen. Doch die DDR-Regierung war nicht reformfähig.
Werden sich die Protest-Bewegungen radikalisieren?
Eine ähnlich starke Protest-Bewegung entsteht zur Zeit in ganz Deutschland. Die "Fridays-for-Future"-Bewegung und die "Extincton Rebellion" ("Aufstand gegen das Massensterben") üben zivilen Ungehorsam wie vor 30 Jahren die Demonstranten in der alten DDR - und die Berliner Groko zeigt sich gegenüber deren Klima-Forderungen ähnlich ignorant wie damals die DDR-Regierung.
Die neue Klima-Bewegung könnte sich, wenn sich die Regierung weiterhin taub stellt, so radikalisieren wie damals die Demonstranten in Leipzig, Ostberlin und Dresden. Damals "Wir sind das Volk", heute "Wir sind das Klima". Eine reformunfähige DDR-Regierung ist verschwunden. Und heute die reformunfähige Groko?
Ich weiß, dass vielen älteren Bundesbürgern dieser Vergleich suspekt ist. Viele DDR-Genossen haben damals vor den neuen Realitäten auch die Augen und Ohren verschlossen. Den Mund hatten sie sowieso nie aufgemacht. Ich war zur Wendezeit im Herbst 1989 oft bei den Bürgerrechtlern in der DDR und habe über ihre Wut im "Westfernsehen" berichtet. Die damalige Wut gegen die DDR-Obrigkeiten erinnert mich sehr an die heutige Wut vieler Demonstranten gegenüber der Klimablindheit der Groko.
Klimaschutz wird Gesetz?
Mit den derzeitigen Beschlüssen wird die Bundesregierung ihre Klimaziele für 2030 und 2050 ebenso verfehlen, wie sie ihre eigenen Klimaziele für 2020 krachend verfehlen wird. Klimawissenschaftler - auch solche, die die Bundesregierung beraten - nennen die neuesten Klima-Beschlüsse dieser Regierung einen "Witz", die Opposition schüttelt nur noch den Kopf, alle Umweltverbände sind entsetzt und die Wut der Klima-Protestler steigt ins Unermessliche.
Sie spüren wie erfolglos ihre bisherigen Protestformen sind und waren und sie werden sich radikalisieren. Folgt dem DDR-Wende-Herbst des Jahres 1989 bald ein Klima-Wende-Herbst 2019 oder 2020? Diese Frage stellt zum Beispiel Heiko Schwarzburger, der vor 30 Jahren als Jugendlicher zu den Protestlern in der DDR gehörte und heute Chefredakteur der Zeitschrift "Photovoltaik" ist und den "Fridays-for-Future"-Protestlern nahe steht.
Diese Bundesregierung spricht von Klimaschutz und lässt zugleich die Branche der Windenergie vor die Hunde gehen, hier sind in den letzten Jahren 30.000 Arbeitsplätze verloren gegangen - in der Solarbranche sind es bereits 80.000. Und das alles, um 20.000 Kohle-Jobs noch für ein paar Jahre zu retten.
Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist aber das Herzstück der solaren Energiewende. Diese Bundesregierung beschließt einen Ausstieg aus der Braunkohle für das Jahr 2038, obwohl "unser Haus brennt". Doch die Groko diskutiert über den Preis des Löschwassers und bestellt die Feuerwehr zum Jahr 2038. Das alles ist politisch unfassbar - so wie in der alten DDR vieles unfassbar war.
Sind wir nicht fähig, aus der Geschichte zu lernen?
Die vorhersehbaren Folgen des Klimawandels - Waldbrände, Stürme, Klimaflüchtlinge, Dürren und Ernteverluste, Hitzetote, Überschwemmungen und Wassernotstände - werden den Demonstranten recht geben und ihre Wut steigern. Sind wir gar nicht fähig, aus der Geschichte zu lernen? Regierungen, die nichts begreifen, weil das Wohl der alten Konzerne wichtiger ist als das Wohl der Wähler, werden abgewählt. Das Schicksal der alten Kohlepartei SPD und die Umfragewerte der CDU-Vorsitzenden AKK müssten doch den früheren Volksparteien Lehre genug sein. Was muss denn noch passieren bis wirklich Klimaschutz passiert?
1989 haben die alten DDR-Herren die Zeichen der Zeit so wenig erkannt wie heute die Vertreter der Groko in der Klima-Frage. Und weit und breit ist kein Reformer Gorbatschow erkennbar.
Es war Angela Merkel, die 2008 vor den schmelzenden Gletschern in Grönland sagte: "Die Klimafrage ist die Überlebensfrage der Menschheit." Wer "Überlebensfragen" so behandelt wie die Regierenden in Berlin es heute tun, darf sich nicht wundern, wenn sie von den Wählern abgestraft werden. Wer zu spät kommt, den …
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