Die deutsche Nachkriegsära ist beendet

Dresden. Blick vom Rathausturm nach Süden, Aufnahme 1945. Bild: Richard Peter( Deutsche Fotothek, CC BY-SA 3.0 DE

Lange wurde der 8. Mai in unbedingter Einheit mit der Machtergreifung Hitlers 1933 gesehen. Dieser Konsens gilt nicht mehr. Ein Kommentar

Nach dem zwingend gewaltsamen Ende der Hitler-Diktatur im Mai 1945 gab es einen gesamtdeutschen Konsens, der in seinem grundlegenden Postulat über viele Jahrzehnte und über zwei Systeme hinweg Geltung hatte: Erstens hatte Deutschland den Krieg verschuldet und verloren, zweitens trug jeder Rechtsnachfolger des sogenannten Dritten Reichs die Erblast des Vernichtungskrieges in all seinen Dimensionen. Drittens folgte daraus das Gebot der Demut, in erster Linie gegenüber den Siegern über Nazideutschland.

Nach dem jüngsten Gedenken zum 77. Jahrestag des Kriegsendes und unter dem Eindruck des russischen Angriffs auf die Ukraine ist dieser Konsens von der sozialdemokratischen Regierung Olaf Scholz‘ zumindest gegenüber Moskau einseitig aufgekündigt worden. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass es eines Waffengangs in Europa bedurfte, um den bundesrepublikanische Nachkriegskonsens für beendet zu erklären – auch wenn dies nicht ganz neu ist.

Nach all den Reden zum 8. und 9. Mai – den beiden Tagen also, an denen im Westen und im postsowjetischen Raum des Sieges über das NS-Regime und die Wehrmacht gedacht wird – empfiehlt es sich, die bis heute einmalige Ansprache von Alt-Bundespräsident Richard von Weizsäcker zum 40. Jahrestag des Gedenkens am 8. Mai 1945 noch einmal zu lesen.

Neben vielen für die damalige Bonner Republik beachtlichen Sätze des Christdemokraten, der selbst Wehrmachtsoffizier war und dessen Familie eine tiefbraune Vergangenheit hatte, zählt jener der Anerkennung des 8. Mai als Tag der Befreiung,

Weizsäcker bekräftigte auch: "Wir dürfen den 8. Mai 1945 nicht vom 30. Januar 1933 trennen." Der 8. Mai sei ein Tag der Erinnerung und dieses Erinnern bedeute, des historischen Geschehens "so ehrlich und rein zu gedenken, dass es zu einem Teil des eigenen Innern wird".

Die Deutschen wurden dabei, so mag man erklärend anfügen, zum Objekt der Geschichte. Die handelnden Objekte waren andere, denn: "Die Begegnung amerikanischer und sowjetrussischer Soldaten an der Elbe wurde zu einem Symbol für das vorläufige Ende einer europäischen Ära."

Das bedeutete auch, dass die Deutung des 8. Mai und der Konsequenzen aus diesem Datum nicht Berlin überlassen wurde, sondern in der Hand Moskaus, Washingtons, Paris und Londons lag.