Die deutsche Nachkriegsära ist beendet

Seite 3: taz: Adolf Hitler war es nicht, Stalin ist es gewesen

In welchem Maße die Geschichte an diesem 8. und 9. Mai 2022 neu geschrieben wurde, belegt auch die Rede von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der das Gorbatschow’sche "gemeinsame europäische Haus" kurzerhand für gescheitert erklärte.

Man darf nicht so naiv sein, es für einen Zufall zu halten, dass der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil die bisherige sozialdemokratische Ostpolitik, die eine "strategische Partnerschaft mit Russland" als "für Deutschland und die Europäische Union unverzichtbar" erklärt hat, zeitgleich zu revidierten versprach.

Dass auch Russlands Präsident Waldimir Putin den "Tag des Sieges" nutzte, um seinen Krieg gegen die Ukraine zu rechtfertigen, indem er diesen Angriff in einer Reihe mit dem Kampf der Roten Armee gegen die Wehrmacht stellte, kann kaum als Rechtfertigung dafür dienen, dass nun führende deutsche Politiker in erstaunlicher Eintracht auf Konfrontationskurs mit Moskau einschwenken. Eine Friedensperspektive besteht derzeit nirgends. Und das ist verheerend.

Denn eines Tages wird es Frieden geben. Es wäre fatalistisch, an dieser Stelle die Frage aufzuwerfen, wer diesen Frieden dann noch erleben wird. Mit Fug und Recht aber lässt sich fragen, wie viele Gräber bis zu diesem Frieden ausgehoben werden müssen.

Eine radikale Neupositionierung beweisen derzeit vorwiegend die Grünen, was sich auch in dem Umstand zeigt, dass die wenig schmeichelhafte Umdeutung zu "Olivgrünen" nicht mehr, wie bisher, nur von der politischen Linken kommt, sondern sich auf der Titelseite des "Spiegel" findet.

Gleiches gilt für das publizistische Umfeld der Partei. Die parteinahe tageszeitung veröffentlichte am Montag dieser Woche einen Artikel der russischen Journalistin Julia Latynina, in dem sie Adolf Hitler die Absolution erteilte:

"Die tatsächliche Geschichte des Zweiten Weltkrieges ist, dass Stalin diesen Krieg geplant hatte, der die ganze Welt erfassen (…) sollte (…). Er hatte diesen Krieg geplant – lange bevor Hitler an die Macht kam." Und, so titelte Latynina: "Putin ist der zweite Stalin."

Noch vor wenigen Jahren hatte die gleiche tageszeitung gewarnt, Latyninas "extrem rechte politische Äußerungen über das Übel des allgemeinen Wahlrechts, die Gefahren des Islam sowie die Morde des Rechtsterroristen Anders Breivik" fänden zu wenig Beachtung. Europäische Traditionen würden erstickt, während warnenden Stimmen, wie in Deutschland die eines Thilo Sarrazins, von der "mentalen Epidemie" der Political Correctness übertönt würden, zitierte die taz sie.

Viele Dinge, so scheint es, geraten dieser Tage im Streben, den Russischen Krieg niederzuringen, in Vergessenheit.

Viele werden verdrängt.