Die deutsche Steuerlüge

Seite 3: Viertens: Die Lüge von den Steuerparadiesen

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Ganze Horden von Prominenten wurden in den letzten Jahren medienträchtig als Steuersünder überführt. Die Botschaft: Die deutsche Regierung lässt Steuersünder nicht entkommen. Besondere Publizität erlangten die CDs von Schweizer und Liechtensteiner Bankkunden aus Deutschland.

Das deutsche Publikum war glücklich. Bei 52% Belastung für eine Krankenschwester fühlte man einen Hauch von Steuergerechtigkeit, wenn Zumwinkel&Co ein paar Millionen zurückzahlen müssen. "Die Kavallerie", tönte Peer Steinbrück, werde man den Steueroasen senden.

Nach Berichten des Schweizer Fernsehens konnte der deutsche Staat aus diesen wählerwirksamen Jagdzügen 2010 rund 2 Milliarden Euro lukrieren. Dies entspricht etwa der Höhe der Steinkohlesubvention.

Eine Frage wurde aber nirgendwo gestellt: Wenn es in der Schweiz so steuergünstig ist, warum nahm dann nicht ein Einziger der geschätzten 10.000 Selbstanzeiger dort seinen Wohnsitz? Immerhin haben Deutsche, erst Recht Wohlhabende, dort völlige Niederlassungsfreiheit und brauchen weder ein Visum, noch müssen sie Schweizer werden.

Der Grund ist nicht die seelisch-geistige Verbundenheit mit dem deutschen Wohlfahrtsstaat, sondern die Tatsache, dass Deutschland zumindest für Wohlhabende ein Steuerparadies ist. Bisher wird das auch eingeräumt, aber in erster Linie mit Steuerhinterziehung und fehlenden Kontrollen der Finanzämter in Verbindung gebracht. Buchautor Kim Otto in Telepolis (Steuerparadies Deutschland):

Seit Jahren haben die Länder Personal abgebaut und der Bund erlässt keine effektiven Gesetze gegen Steuerhinterzieher. So lassen Landes- und Bundespolitiker selbst die milliardenschwere Steuerflucht der Reichen zu.

Sicher ist es so, dass in Deutschland in beachtlichem Umfang Steuern entzogen werden. Die eigentliche Quelle des Reichtums aber, die überhaupt erst ein steuer- und abgabenfreies Leben ermöglicht, ist völlig legal: Es sind die Vermögenszuwächse, deren steuerfreie Realisierung nicht nur Unternehmer, sondern auch Durchschnittsverdiener wohlhabend macht. In Zahlen heißt das: Allein zwischen 1995 und 2008 stiegen die deutschen Grund- und Geldvermögen von 4.630 Milliarden Euro auf 8.200 Milliarden Euro, also um über 3 Billionen Euro.

Im gleichen Zeitraum stieg die Staatsverschuldung aber nur um 643 Milliarden Euro. Es hätte ausgereicht, einen Teil dieser Vermögenszuwächse zu besteuern - und Deutschland hätte heute noch 1 Billion statt 2 Billionen Schulden.

Ein guter Freund von mir kündigte an, seine ererbten und vermieteten Immobilien im Wert von 3 Millionen Euro nun verkaufen zu wollen. Er wird darauf nicht einen Euro Steuern zahlen müssen, denn Steuern zahlt in geringem Umfang der Erwerber, nicht der Verkäufer. Mein Freund wird darauf achten, dass sein Vermögen keine steuerpflichtigen Erträge erwirtschaftet, sondern nur Vermögenszuwächse.

In der kapitalistischen Schweiz müsste er nicht nur die fiktive Miete aus der selbstbewohnten Immobilie als Einkommen versteuern, sondern auch noch 9,5% Sozialabgaben auf sein Bruttoeinkommen, also auch auf Mieten und Zinsen leisten. Da bleibt er doch lieber im kommunistischen Deutschland.