Die falsche Nummer 3 von al-Qaida

Selbst US-Präsident Bush freute sich über die Festnahme von al-Libbi als einem "wichtigen Sieg im Krieg gegen den Terror", wahrscheinlich aber handelt es sich um ein bezeichnendes Missverständnis

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Als die pakistanische Polizei letzte Woche die Festnahme des Libyers Faraj al-Libbis meldete, ging das mit großer, von den meisten Medien unterstützten Propaganda einher. Man habe damit die Nummer 3 von al-Qaida gefangen. Es war die Rede "vom größten Schlag gegen al-Qaida seit der Verhaftung von Khalid Sheikh Mohammed" im Frühjahr 2003. McClellan, der Sprecher des Weißen Hauses, sprach von einem "wichtigen Augenblick im Krieg gegen den Terrorismus". Und auch US-Präsident verleibte sich den Fang gleich als weiteren Erfolg in seinem Krieg gegen den globalen Terror ein und sah in al-Libbi einen "Top-.General" und den "Chefplaner von al-Qaida". Mit dessen Festnahme habe man eine "direkte Bedrohung" für die USA beseitigt.

Before I talk about Social Security, though, I want to remind you the war on terror goes on. And today's report on the capture of a top al Qaeda operative, Abu Faraj Al-Libbi, represents a critical victory in the war on terror. Al-Libbi was a top general for bin Laden. He was a major facilitator and a chief planner for the al Qaeda network. His arrest removes a dangerous enemy who was a direct threat to America and for those who love freedom. I applaud the Pakistani government for their strong cooperation in the war on terror. I applaud the Pakistani government and President Musharraf for acting on solid intelligence to bring this man to justice. The fight continues. We'll stay on the offensive until al Qaeda is defeated.

US-Präsident Bush in seiner Rede am 4. Mai

Im Getöse über die Festnahme und der Spekulationen über das weitere Vorgehen gegen al-Qaida, das aus den Informationen von al-Libbi möglich schien, auch die Ergreifung von Bin Laden schien wieder einmal näher gerückt, blieben skeptische Stimmen außen vor. Schon bald kamen nämlich Zweifel auf, ob der Libyer tatsächlich eine solche Bedeutung hat, wie die pakistanische und amerikanische Regierung dies verkündeten.

Wie nun auch die Sunday Times berichtet, scheint es sich bei dem Libyer eher um eine untergeordnete und regionale Figur im Netzwerk von al-Qaida zu handeln. Erstaunlich ist schon, dass der angeblich dritthöchste Mann von al-Qaida nicht einmal auf der Liste der am meisten gesuchten Terroristen des FBI steht. Die Erfolgsmeldungen aus dem Weißen Haus, die al-Libbi als Nachfolger von Khalid Sheikh Mohammed betrachteten, dessen Festnahme allerdings auch keine erkennbaren Informationen hervorgebracht zu haben scheint, wären dann wohl auch als eine Kritik am FBI und den Geheimdiensten zu verstehen. Ein Mitarbeiter soll aber der Times erklärt haben: "We did not want him to know he was wanted."

Womöglich haben Condoleezza Rice, die al-Libbi als "sehr wichtige Person" bezeichnete, und US-Präsident Bush von ihren Beratern nur eine falsche Information erhalten, weil diese sich, wie dies nicht zum ersten Mal geschehen ist, vom arabischen Namen haben in die Irre führen lassen. Und da man dringend wieder einmal Erfolge melden wollte, sprang man unvorsichtig auf die Meldung aus Pakistan auf. Auf der FBI-Liste findet sich allerdings ein anderer Name: Anas al-Liby, ebenfalls ein Libyer, der im Zusammenhang mit dem Anschlag auf die afrikanischen US-Botschaften im Jahr 1998 gesucht wird. Wie die Sunday Times berichtet, scheint die Konfusion auch beim FBI selbst geherrscht zu haben. Auf Anfrage nach Informationen über al-Libbi sandte die Antiterror-Abteilung der Zeitung Material über al-Liby zu.

Pakistan erweist sich einmal wieder als ein orientalisches Märchenland Orientalischer Krieg gegen Terroristen). Über die Gefangennahme geisterten unterschiedliche und wahrhafte abenteuerliche Versionen herum. Nicht einmal sicher ist, wo er festgenommen wurde. Nach einer Version hat er sich ergeben, nach einer anderen wurde er mit Komplizen gefasst. Schön ist auch die Geschichte, dass ihn Geheimdienstmitarbeiter, die sich mit Burkas getarnt hätten, in eine Falle lockten. Dabei soll er auf einem Motorrad unterwegs gewesen sein – und es gab trotz der hinterhältigen Falle auch noch eine Verfolgungsjagd, inklusive einer wilden Schießerei. Andere wollen wieder wissen, dass al-Libbi selbst als Frau verkleidet war …

Nach dem französischen Terrorismusexperten Jean-Charles Brisard ist al-Libbi allerdings nur ein Mann auf der mittleren Ebene, dessen Rolle überschätzt wurde. Dazu beigetragen hat, dass der Libyer in Pakistan aber tatsächlich zu einem der meistgesuchten Terroristen gehört, weil er an zwei Mordanschlägen auf den pakistanischen Präsidenten Musharraf im Jahr 2003 beteiligt gewesen sein soll. Letztes Jahr wurde dann allerdings al-Libbi von pakistanischen Sicherheitskräften als möglicher Nachfolger von Khalid Shaikh Mohammad genannt, auch wenn es dafür keine Beweise gab.