Die heimatfeindliche Ausrichtung der AfD

Seite 2: Familie und Arbeit

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An einer Stelle findet der Leser des AfD-Grundsatzprogrammes so etwas wie eine Ahnung vom Gegensatz zwischen den Maßgaben einer kapitalistischen Marktwirtschaft (inklusive der mit ihr einhergehenden Überbelastung und Zeitknappheit der Arbeitskräfte) und dem Gelingen von Kindererziehung und Familie. Auf Seite 44 des Programms ist zu lesen:

Berufstätigkeit soll Eltern nicht anhaltend überlasten oder zu Gewissenskonflikten führen. Familie und Beruf sind nur vereinbar, wenn junge Eltern ausreichend Zeit haben, um ihrer Elternrolle und ihrer Erziehungspflicht gerecht zu werden. Daher hält die AfD ein Umdenken in der Arbeitswelt für förderlich. Weder familienbedingte Erwerbspausen noch Teilzeitarbeit sollten sich negativ auf den beruflichen Status und die weitere berufliche Entwicklung auswirken.

AfD-Grundsatzprogramm

In der gebotenen Kürze sei auf zwei Ursachen eingegangen für die gravierenden Schwierigkeiten, Familie und Beruf zu vereinbaren. Erstens: Arbeitskräfte werden im Kapitalismus möglichst effizient zur Erzielung des Gewinns eingespannt. Mutterschaft bildet dabei ein Hindernis: Mütter kleiner Kinder unterliegen Einschränkungen in der Verfügung über ihre Arbeitskraft.5

Frauen stellen insofern ein "unternehmerisches Risiko" dar, solange sie gebärfähig sind. Auch Frauen, die sich aktuell keine Kinder wünschen, könnten es sich ja noch anders überlegen. Die Einstellungskriterien beziehen sich auf Maßstäbe, die nicht daraus resultieren, dass die Unternehmer Männer sind, sondern dass sie Kapitalfunktionen ausüben. Auch Unternehmerinnen müssen so handeln, um ihr Kapital zu erhalten, und das heißt, es zu vermehren.

Zweitens: Zu dem, was für die Kapitalverwertung nicht zählt, gehört das Interesse von Frauen, Erwerbsarbeit und Mutterschaft auf eine Weise zu verbinden, die sie gegenüber den Männern nicht schlechter stellt.6 Ebenso das Interesse von Männern an einer Erwerbsarbeit, die einen intensiven Umgang mit Kindern nicht behindert.7

Wie ohne massive Verletzung der kapitalistischen Logik der Arbeitsbewertung sich an diesen beiden Ursachen für die Schädigung der Möglichkeit, sich beheimatet zu fühlen (in puncto des Aufwachsens von Kindern, der Beziehung zwischen Eltern und Kindern sowie der zwischen den Eltern), etwas ändern können soll, bleibt bei der Lektüre des AfD-Programms ein Geheimnis.

Das Bekenntnis der AfD zum "Umdenken in der Arbeitswelt" erweist sich nicht nur als frommer Wunsch, sondern als ungedeckter Scheck. Für "Heimat" einzutreten und gleichzeitig für ein "investitionsförderndes Umfeld" im Sinne der kapitalistischen Ökonomie bildet einen unaufgelösten Gegensatz. Wie sich das "Umdenken in der Arbeitswelt"8 ohne "Regulierungen" konkretisieren lässt, bleibt eine Frage, die die AfD nicht beantworten kann.

Ihre Präferenz liegt ohnehin woanders: "Die AfD will ein investitions- und innovationsförderndes wirtschaftliches Umfeld. Wir wollen auf breiter Front deregulieren und Bürokratie abbauen. Mit Sorge beobachten wir zu viele und ineffiziente Regulierungen. Wir wollen unternehmerischen Geist neu entfachen." (Programm, S. 68)