Die heimatfeindliche Ausrichtung der AfD

Seite 4: Die Zuwanderung zum Dreh- und Angelpunkt machen

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Kritische Auseinandersetzungen mit der Massenzuwanderung16 und mit der EU sind das eine. Etwas völlig anderes bildet das Vorgehen, die Zuwanderung (oder vorher die EU) zum Dreh- und Angelpunkt aller Probleme in der Bundesrepublik zu erheben.

Ein weiteres Thema bilden die falschen Argumente, mit denen die AfD dazu kommt:17

Höcke beklagte, daß(!) die Umverteilung des Volksvermögens nicht mehr im Innern des Landes zwischen denen erfolgt, die alles erarbeiten, sondern fast nur noch von innen nach außen, von Deutschland in alle Welt. Egal ob es die verschwenderische und überbürokratisierte EU an sich ist, die Deutschland netto 300 Milliarden € gekostet hat, die Griechenlandrettung, oder die Asylkrise, immer würden dreistellige Milliardenbeträge oder gar Billionen von denen, die in den Augen der Altparteien nur ‚Arbeitstiere’ sind, erarbeitet und dann an jene Ausländer ausgezahlt, die bei der Erarbeitung der Werte nicht dabei waren.

Wolfgang Prabel, Bericht über Höckes Rede auf der Demonstration am 21.9. 2016 in Erfurt

Diese Position nimmt allein in den Blick, welche Gelder geflossen sind, und blendet beflissen aus, wem die sog. Griechenlandrettung (als Bankenrettung) zugutekam ("Ausländern" jdf. nicht) und welchen Nutzen die Bundesrepublik Deutschland von der EU hat.

Auch die Begeisterung daran, andere für dumm verkaufen zu können, gehört zu Vorgehensweisen, die die Heimat verwahrlosen. Ein Beispiel bildet Gaulands Reaktion auf die Kritik an der Äußerung, "Hitler und die Nationalsozialisten sind nur ein Vogelschiss in 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte" (so Gauland am 2.6. 2018 auf dem Bundeskongress der AfD-Jugendorganisation).

Wir vertiefen hier nicht die Frage, wen oder was Gauland mit "1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte" meint. (Feudale Abhängigkeit vom Landeigentümer, Hungersnöte, Kriege u. ä. machten die letzten 1000 Jahre jedenfalls für die große Mehrheit der Bevölkerung oft wenig "erfolgreich".) Mit "Vogelschiss" will Gauland sagen, die Nazizeit sei eine vom deutschen Mantel leicht wegputzbare Verunreinigung.

Einen Tag später verdreht Gauland die Bedeutung des Worts ins Gegenteil. "Ich habe den Nationalsozialismus als Fliegenschiss bezeichnet. Das ist eine der verachtungsvollsten Charakterisierungen, die die deutsche Sprache kennt." Man ist von Politikern schon einiges gewöhnt. Die AfD setzt die Begründungsstandards noch weiter herunter.

Unmittelbarkeit wird gern mit Gegenwart verwechselt. Zum Verlangen nach Unmittelbarkeit gehört das dramatische Konzept des Lebens und die Fixierung aufs Ereignis. Statt ruhiger und umsichtiger Vergegenwärtigung der gesellschaftlichen Wirklichkeit und Vertrautheit mit den Tendenzen zum Guten in ihr, statt Erfahrung und Geschick darin, zu deren Förderung beizutragen, wird sich auf einen imaginären archimedischen Punkt fixiert.

Das auf ihn zugespitzte Engagement soll die zentrale Wende bringen. Man spielt Schlacht um den Endsieg, um alles oder nichts. Für viele AfD-Anhänger bildet der Kampf gegen die Zuwanderung das Thema, bei dem sie eine alles verändernde Entscheidung zu erzielen hoffen. Als ob sich mit der Verhinderung der Zuwanderung die Heimatlosigkeit kurieren ließe.