Die konventionelle Kriegsführung scheitert an der Abnutzungsstrategie des asymmetrischen Krieges
Ex-CIA-Agent Robert Baer über Syrien und die Arbeit der US-Geheimdienste
Robert Baer, Ex-Mitarbeiter der CIA (1976-1997), hatte als Agent im Irak gearbeitet und gilt als Experte für den Nahen Osten.
"Die USA sind zu 90% für die aktuelle Situation im Irak verantwortlich", sagten Sie mir in unserem letzten Gespräch. Gilt das auch für die aktuelle Lage in Syrien, speziell für die Situation in Kobani?
Robert Baer: Nun, in Syrien stellt sich die Situation noch etwas komplexer da. Die Tatsache, dass der "Islamische Staat" dort an der türkischen Grenze operiert, ist ein Ergebnis der völlig verfehlten außenpolitische Vorgehensweise des Westens und seiner Verbündeten im syrischen Bürgerkrieg. Anfangs ging es dem Westen wie auch der Türkei und Saudi-Arabien darum, die schiitische Allianz zu schwächen, also die Achse Teheran-Damaskus.
Offiziell ging es ja darum, den Aufstand der Syrer gegen das Assad-Regime zu unterstützen
Robert Baer: Das wurde zumindest behauptet, ja, aber Menschenrechtsaspekte waren von Anfang an untergeordnet, nicht nur in diesem Fall. Ferner stand niemals die Mehrheit der Syrer gegen Assad, auch hier haben die Geheimdienste völlig versagt. Der CIA beispielsweise war in Syrien überhaupt nicht präsent, beschränkte sich auf die Befragung von Flüchtlingen, jenseits der syrischen Grenzen.
Das klingt aber wenig glaubhaft, dass der Geheimdienst eines der mächtigsten Nationen der Welt, nur so eine periphere Rolle gespielt haben soll?
Robert Baer: Der CIA war schwerpunktmäßig in Afghanistan und Pakistan aktiv, Syrien wurde vernachlässigt. Ich warne auch davor, die Macht des CIA zu überschätzen. Ist Ihnen eigentlich aufgefallen, dass seit dem Triumph der Alliierten über Deutschland und Japan kein einziger Krieg der USA mehr nachhaltig gewonnen wurde? Sehen wir einmal von den konventionellen Großeinsätzen in Korea oder Vietnam ab. Nirgendwo, nicht einmal bei den belanglosen Scharmützeln von Somalia, beim gescheiterten Blue-Strike-Unternehmen in Iran, beim Einsatz der Contras in Nicaragua, von dem Debakel Kennedys in der Schweinebucht ganz abgesehen.
Eine interessante Perspektive. Also werden Luftschläge die IS-Truppen auch nicht stoppen können?
Robert Baer: Nein. Im Südlibanon, im Irak, in Afghanistan hat sich doch längst bestätigt, dass die konventionelle Kriegsführung der NATO-Stäbe, aber auch Russlands und Israels, mit der Abnutzungsstrategie, die den Kern des asymmetrischen Krieges bildet, nicht zurechtkommt. Die ungeheuerliche Durchschlagskraft neuer Monsterbomben, inklusive der "bunker buster", hat sich sowohl im Hindukusch als auch im levantinischen Küstengebiet als untauglich erwiesen, die al-Qaida-Truppe Bin Ladens oder die Hisbollah von Scheich Nasrallah in irgendeiner Weise zu zermalmen. IS praktiziert eine erfolgreiche Guerilla-Taktik, wie sie der Nordvietnamese Truong Chinh einst formulierte: "Das Leitprinzip der Strategie unseres Widerstands muss es sein, den Krieg in die Länge zu ziehen. Den Krieg zu verlängern, ist der Schlüssel zum Sieg." Diese Taktik wird auch von IS angewandt.
Also niemand sah den Aufstieg von IS vorher?
Robert Baer: Diese sunnitischen Extremisten kamen sprichwörtlich aus dem Nichts. Nicht nur ich war überrascht, sondern auch der gesamte CIA. Es lag daran, ich wiederhole mich, dass die US-Geheimdienste überhaupt nicht in Ost-Syrien und in der Anbar-Provinz vor Ort waren. Niemand bemerkte, was sich dort für ein Sturm anbahnte. Zur Ihrer Frage, wie soll man heute noch CIA-Mitarbeiter einschleusen? Das sind Fanatiker, von einem Kaliber, wie wir sie schon lange nicht mehr gesehen haben, ausgerüstet und unterstützt von unseren engsten Verbündeten Saudi-Arabien und Katar.
Sie erwähnten gerade Saudi-Arabien und Katar.
Robert Baer: Ja, und ich warne schon seit Jahren vor diesen engen Beziehungen zwischen Washington und Riad, sie sind ein Sicherheitsrisiko.
Während Ihrer Zeit als CIA-Agent waren Sie operativ vor Ort im Irak tätig .Wird so etwas heute nicht mehr praktiziert, also finden keine Infiltrationen von IS-Truppen statt?
Robert Baer: Würde ein CIA-Mitarbeiter sich dort einschleusen, müsste er zum Beweise seiner Loyalität Zivilisten töten. Die CIA-Arbeit wird heute von bürokratischer Tätigkeit dominiert, von moderner Technologie, der Überwachung sozialer Netzwerke, der Steuerung von Drohnen, etc. Das alles spielt sich in den Hauptquartieren ab, wo kaum jemand die Sprachen der betreffenden Länder beherrscht oder ein Gefühl für die Nationen hat, die die nationalen Interessen der USA tangieren
Müsste Washington für eine Kehrtwende in der Politik die Beziehungen zu arabischen und sunnitischen Regimen in der Region wie Saudi-Arabien und Katar zugunsten des schiitischen Iran aufgeben?
Robert Baer: Saudi-Arabien und Katar sind keine zuverlässigen Partner. Die USA benötigen Verbündete mit Durchsetzungskraft, nicht irgendwelche Stämme, die sich langfristig kaum an der Macht halten dürften. Im Vergleich zu seinen Nachbarstaaten ist Iran geradezu eine Insel der Stabilität in dieser unruhigen Region. Es ist eine Nation mit gewaltigem Potenzial, das bisher aber nicht ausgeschöpft wird, mit natürlichen Grenzen, einem stabilen Staatsaufbau und einer starken Armee. Ferner decken sich die Interessen des Westens und Teherans, was die Bedrohung durch die sunnitischen Extremisten angeht.
Und was ist mit der Türkei?
Robert Baer: Ankara hatte einen großen Fehler gemacht, als es sich zu sehr in den syrischen Bürgerkrieg einmischte. Jetzt steht der IS vor der Grenze, gleichzeitig ist der kurdische Widerstand gewachsen. Beides sind für die Türkei beunruhigende Optionen. Die Region wird noch lange ein Schlachtfeld bleiben, vor allem dann, wenn die wichtigen Mächte ihre bisherige Politik nicht beenden.
In Europa ist man beunruhigt, über die Rückkehr von IS-Kämpfern aus Syrien. Gilt das auch für die USA?
Robert Baer: Absolut. Die US-Geheimdienste wissen schon, dass es Schläferzellen in den Staaten gibt. Man ist in Washington sehr besorgt, über gewisse Aktivitäten an der Grenze USA/Mexiko und prüft zur Stunde einige Beweise. Aber, niemand weiß genau, um wie viele Personen es sich handelt, noch wo sie sich aufhalten. Aber man weiß, dass sie jederzeit zuschlagen können.
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