Die neue Liberté

Frankreich: Das Gesetz zu gentechnisch veränderten Organismen ist durch, die Kontroversen gehen weiter

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Das französische Gesetz zu gentechnisch veränderten Organismen (franz. OGM) ist durch, die Kontroversen gehen weiter. Mit großer Mehrheit hat der Senat gestern die OGM-Gesetzesvorlage angenommen – bei Stimmenthaltung der Sozialisten. Die Gegner zeigen sich enttäuscht, aber unverdrossen und bemühen nun den Verfassungsrat, um gegen das Gesetz zu opponieren.

So heißt die neue Koexistenz in Frankreich: "la liberté de consommer et de produire avec ou sans OGM", wie Le Monde gestern meldete. Der Streit darüber, ob und wie gentechnisch veränderte Organismen in Frankreich angebaut und für den menschlichen Konsum angeboten werden dürften, schwelt schon sehr lange und er wird auch im Nachbarland sehr hitzig ausgetragen. Allein der Blick in den französischen Wikipediaeintrag über "Organisme génétiquement modifié (OGM)“ zeigt an, wie weit die Kontroverse dort gediehen ist: Vom Edit-War bis zur Bearbeitungssperre finden sich hier alles, was ein umstrittenes Thema anzeigt.

Auch das gestern verabschiedete Gesetz hat einen beeindruckenden Zickzacklauf hinter sich, weswegen der Entwurf von manchen schon "texte maudit" genannt wird. Am 13.Mai wurde er vom Parlament abgelehnt, was zu einem schlagzeilenträchtigen Streit innerhalb der Regierung führte. Der Entwurf scheiterte unter anderem daran, dass nicht genügend Mitglieder der Regierungspartei UMP bei der Abstimmung anwesend waren. Für manche eine Abstimmung "anderer Art", mit den Füßen nämlich – tatsächlich wird das OGM-Gesetz quer durch alle Parteien kontrovers diskutiert. Man könne zwar erkennen, dass das Gesetz bei den Linken eher Ablehnung finde, aber mittlerweile hätten sich auf der Seite der rechten Parteien auch lautstark vernehmbare OMG-Gegner gezeigt, hieß es jüngst in einem Kommentar der Zeitung Le Monde.

Die Bevölkerung zeigt sich in Umfragen mehrehitlich konstant gegen das Gesetz, das den Anbau und den Konsum gentechnisch veränderter Organismen erlaubt, weswegen Greenpeace und andere Gegner, allen voran die Vereinigung der Landwirte, "la Confédération paysanne", den Kampf trotz des gestrigen Senatsentscheids weiterführen werden.

Die Kontroversen in Frankreich entzünden sich an Streitpunkten, die weithin bekannt sind, etwa der Abstand zwischen Felder mit gentechnischveränderter Bepflanzung und anderen Feldern. Zum anderen gibt es lokale Besonderheiten, wie etwa die Verve, mit der die Landwirte dafür kämpfen, dass bestimmte Gütesiegel ihrer Region (Appelation d'origine contrôlée) nicht durch gentechnisch veränderte Produkte kontaminiert werden und schließlich sorgen auch militante Gegner im Umfeld des bekannten Globalisierungskritikers José Bové seit längerem für Schlagzeilen: die sogenannte "wilde Mäher", Aktivisten, die etwa Felder mit Gen-Mais eigenhändig bearbeiten. Für solche Aktionen sind nach dem neuen Gesetz nun härtere Haft- und Geld-Strafen ausgesetzt.

Von besonderem Interesse in der nächsten Zeit dürfte aber sein, wie mit dem Moratorium, das Anfang dieses Jahres gegen Mais der Sorte Mon810 von Monsanto und andere kommerzielle gentechnisch veränderte Sorten ausgesprochen wurde, weiter verfahren wird.