Die neue, alte Bedrohung aus dem Osten

Seite 3: Der neue Blick gen Osten

So kann sich die alte neue Staatsräson weiterhin der globalen Aufgaben auf der höchsten Ebene der Konkurrenz von Weltmächten widmen. "Wir dürfen nicht zulassen, dass diese Friedensordnung heute vor unseren Augen zerrinnt", sagte Steinmeier. Um dies zu verhindern, hat sich das westliche Bündnis und sein Mitglied Deutschland seit 1945 daran gemacht, in zahllosen Kriegen und Stellvertreterkriegen mit einem "unübersehbar großen Heer von Toten und einem Gebirge menschlichen Leids" die Wiederholung eines solchen Heeres von Toten und eines solchen Gebirges menschlichen Leids zu verhindern, gemäß der alten Weisheit: si vis pacem, para bellum. Oder um von Bülow zu paraphrasieren: mittels der präventiven Verteidigung und Wahrung unserer "Interessen und Rechte".

Beherzigt haben seine Nachfolger diese Lehre aus der Vergangenheit und Geschichte: Ein jeder erfolgversprechende Griff zur Weltmacht braucht den unbedingten Willen, die in Rechte und Rechtsansprüche verwandelten Interessen gegenüber den herrschenden Weltmächten und sonstigen staatlichen Gebilden "ohne Schwäche" geltend zu machen; den jederzeit gewaltbereiten, staatsmännischen Willen zum Krieg; dies mit einem Europa unter deutscher Führung; Förderung und Indienstnahme der kapitalkräftigen Wirtschaft in Friedens- wie in Kriegszeiten.

Allerdings: Das bereits von Hitler und den Seinen identifizierte, bis in die unendlichen, fernen Weiten der Taiga herrschende "Reich des Bösen" existiert nach wie vor. Sich von diesem Bösen zu erlösen harrt noch seiner Vollendung.

So weit ist es inzwischen gekommen, wie im Spiegel zu lesen war: "Es ist vor allem der russische Präsident Wladimir Putin, der für viele auch hierzulande die Sehnsucht nach Macht bedient (...) Putin ist der Champion der Rechten und ein Gegner der liberalen Ordnung Europas."

In diese gewaltbereite Konstruktion, derzufolge der russische Präsident schuldiger Urheber des deutschen Rechtspopulismus, Rechtsextremismus, Rechtsterrorismus und der AfD sein soll, ist die europa-, geo- und weltpolitische Feindschaft eingegossen.

Befreit und erlöst vom absolut Bösen, dem offensichtlich das Reich des Bösen im Osten nacheifert, kann sich die alte neue Staatsräson dem wirklich Bedeutsamen zuwenden: "Europa muss auch die 'Sprache der Macht' lernen. Das heißt zum einen, eigene Muskeln aufbauen, wo wir uns lange auf andere stützen konnten - etwa in der Sicherheitspolitik. Zum anderen die vorhandene Kraft gezielter einsetzen, wo es um europäische Interessen geht", so EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im November 2019.

Literatur

  • Fischer, Fritz, Griff nach der Weltmacht – Die Kriegszielpolitik des kaiserlichen Deutschlands 1914/18, Düsseldorf, 1985.
  • Hitler, Adolf, Mein Kampf, Zentralverlag der NDSAP, 213./217. Auflage, München, 1936.
  • Sand, Shlomo, Die Erfindung des jüdischen Volkes - Israels Gründungsmythos auf dem Prüfstand, Berlin 2010.
  • Weber, Max, Wirtschaft und Gesellschaft [1921], Tübingen, 1976

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