Die ukrainische Gegenoffensive ist gescheitert

Seite 2: Befestigte Stellungen, überlegene Artillerie und lückenlose Aufklärung

Nachdem die Minenfelder den ukrainischen Vormarsch behindern, versuchen die russischen Streitkräfte dann, die ukrainischen gepanzerte Fahrzeuge mit einer Kombination aus Angriffshubschraubern, Kamikaze-Drohnen und Artillerie anzugreifen.

Durch gut eingebettete und geschützte Artillerie in den rückwärtigen Verteidigungsstellungen, haben die russischen Verteidiger diese vorgelagerten Minenfelder in regelrechte Todeszonen verwandelt. Zwischen der eigentlichen Kontaktlinie ("Front"), aber noch vor der ersten ausgebauten Verteidigungslinie zieht sich das Vorfeld, das die ukrainischen Angreifer bisher nur an einer Stelle überwinden konnten.

Der Grund: Aus gut vorbereiteten Artilleriestellungen können ukrainische Angreifer bei der schwierigen und verlangsamten Querung des Minen-Vorfeldes beschossen werden. Dabei bedienen sich die Russischen Streitkräfte einer elastischen Verteidigung: sie ziehen sich aus angegriffenen Stellungen zurück, um sie dann unter Beschuss zu nehmen, sobald ukrainische Truppen versuchen, sie zu besetzen. Oft können die so unter Feuer genommenen Positionen nach kurzer Zeit wieder zurück erobert werden.

Waren die russischen Streitkräfte zu Beginn des Ukraine-Krieges nur rudimentär mit Aufklärungsdrohnen ausgerüstet, so hat sich das Blatt jetzt dramatisch gewendet. Neben Eigenentwicklungen, wie zum Beispiel der Orlan-10, setzt Russland massenhaft chinesische Drohnen ein, namentlich nicht primär militärische ("Dual Use") Drohnen von DJI und Autel.

Zudem hat der Start des russischen Kondor-FKA Radar-Aufklärungs-Satelliten eine erhebliche Verbesserung der russischen Aufklärung mit sich gebracht. Russland ist nun in der Lage, zweimal täglich die Ukraine und benachbarte Nato-Staaten hochauflösend aufzuklären, und das auch in der Nacht und bei allen erdenklichen Wetterkonditionen. So hat Russland die Möglichkeit eines Überraschungsangriffes seitens der Ukraine nahezu vollständig unterbunden.

Die Drohnen liefern einen Live-Videostream, mit dessen Hilfe die alten Artillerie-Systeme hoch präzise eingeschossen werden können – auf diese Weise kann die eigentlich nicht besonders genaue Artillerie in sehr kurzer Zeit wirksam gegen die angreifenden Ukrainer eingesetzt werden. In einem aktuellen Bericht des britischen Royal United Services Institute (RUSI) heißt es, dass die Zeitspanne zwischen der Sichtung eines Ziels durch eine Orlan-10-Drohne und dem Einschlag der Artillerie mit 3-5 Minuten sehr kurz ist.

In der Regel operieren pro zehn km Frontlänge zwischen 25 und 50 Aufklärungsdrohnen beider Seiten über dem umkämpften Gebiet zwischen der vorderen Kontakt-Linie der eigenen Truppen und der vorderen Linie der gegnerischen Truppen.

Werden also herkömmliche Artillerie-Granaten mithilfe einer Drohne und der Beobachtung der Einschläge kontinuierlich korrigiert, so gibt es eine Entwicklung im Artillerie-Bereich, die das jahrhundertealte Waffensystem zu einer Präzisions-Fernwaffe upgradet: die präzisionsgelenkte Artilleriegranate, die Russland unter dem Namen Krasnopol bereits 1995 bei der Truppe eingeführt hat.

Dabei handelt es sich um eine lasergelenkte Granate, die selbst sich bewegende Ziele hochgenau treffen kann. Die Krasnopol-Granate wird wie eine herkömmliche Granate durch eine Kanone verschossen. Nachdem sie das Kanonenrohr verlassen hat, entfalten sich kleine Lenk- bzw. Stabilisierungsflügel, mit deren Hilfe die Granate mittels Lasermarkierung präzise ins Ziel gelenkt werden kann – selbst sich bewegende Ziele lassen sich so präzise bekämpfen.

Können sich ukrainische Kräfte im Vorfeld festsetzen und eingraben, kommt häufig eine weitere Waffe zum Einsatz: der schwere Flammenwerfer TOS-1. Diese Waffe feuert je nach Variante 24 Raketen mit einem thermobarischen Gefechtskopf ab, die pro Salve eine Zielfläche von 200x400 Meter abdeckt. Das Tückische: die Aerosoldetonation entzieht der umliegenden Luft den Sauerstoff und kann so auch tief eingegrabene Soldaten töten.

Kampfhubschrauber KA-52

Als einer der effektivsten Plattformen hat sich der russische Kampfhubschrauber KA-52 erwiesen: Alleine im Juni gibt es über 100 dokumentierte Abschüsse ukrainischer gepanzerter Fahrzeuge durch den Helikopter. So twittert der Britische Geheimdienst MI5 denn auch:

Während die ukrainischen Streitkräfte ihre Großoffensive in der Oblast Saporischschja fortsetzen, ist eines der einflussreichsten russischen Waffensysteme in diesem Sektor der Kampfhubschrauber Ka-52 Hokum.

Dieses zweisitzige Allwetterfluggerät zeichnet sich durch außergewöhnliche Manövrierfähigkeit, Geschwindigkeit und Feuerkraft aus. Ausgestattet mit leistungsstarken Triebwerken und Koaxialrotoren, ist der Ka-52 in der Lage, komplexe Flugmanöver durchzuführen.

Seine fortschrittlichen Avionik- und Sensorsysteme bieten überlegene Zielerfassungs- und Verfolgungsfähigkeiten. In der neusten Version KA-52M kann der Hubschrauber gepanzerte Fahrzeuge in einer Entfernung von bis zu 15 Kilometer bekämpfen – und so außerhalb der Reichweite schultergestützter Luftabwehr operieren.

Ausblick

Die Ukraine hat bereits zum Stand 13. Juni, also zu Beginn der Offensive, zwei Drittel ihrer Offensiv-Brigaden eingesetzt. Es steht zu vermuten, dass weitere Reserven bereits einer erheblichen Abnutzung ausgesetzt waren. Dementsprechend scheint die Bundesregierung nicht an einen Erfolg der ukrainischen Streitkräfte zu glauben, verzögert sie doch weitere, extrem kostspielige Waffenhilfen, die eigentlich zugesagt waren. Die strapazierten, deutschen Arsenale sollen so wohl geschont werden.

Auffällig ist, dass die russischen Streitkräfte sich mit Offensivaktionen zurückhalten, obwohl sie gerade im Bereich der Kreminna-Front erhebliche Kräfte zusammen gezogen haben, ukrainische Quellen sprechen von 100.000 Soldaten und bis zu 900 Panzern. Russland scheint die Strategie zu verfolgen, die unter Erfolgsdruck stehende ukrainische Armee weiter an den gut ausgebauten Verteidigungsstellungen abzunutzen – die bisherigen, ukrainischen Verluste sind schwer abzuschätzen, dürften aber enorm sein.

Selbst bei zusätzlichen, signifikanten Waffenlieferungen dürfte die russische Armee nicht militärisch zu besiegen sein. Auch die zugesagten F-16 Kampfjets werden einen schweren Stand haben gegen die gut ausgebaute und technisch herausragende russische Luftabwehr.

Europa wäre gut beraten, die Vorgeschichte des Ukraine-Krieges ernst zu nehmen, die Nato-Osterweiterung als Fehler zu betrachten und auf Verhandlungen mit Russland zu setzen.